Fußball

Hertha BSC und der Spagat zwischen sportlichem Erfolg und finanziellen Zwängen

Finanziell ist der Wechsel von Oliver Christensen nach Florenz notwendig gewesen, sportlich sorgt er vor dem DFB-Pokalspiel in Jena aber für Probleme.

Der Abschied von Oliver Christensen sorgt bei Hertha BSC auf der Torwartposition für ein Problem.
Der Abschied von Oliver Christensen sorgt bei Hertha BSC auf der Torwartposition für ein Problem.City-Press

Frank Zander wird sich am Sonnabend von der großen Bühne verabschieden. Sein letztes großes Konzert wird es am Abend geben, der 81-Jährige sehnt sich nach Ruhe. „Ich habe fast alles gesungen. Ich habe fast alles gesagt. Ich habe fast alles gemacht. Ich habe es verdient, eine gewisse Ruhe in mein Leben zu bringen“, sagte der Schlagersänger der Bild-Zeitung. Bevor er zum letzten Mal auf die Bühne klettert, wird Zander aber sicherlich ab 13 Uhr das DFB-Pokalspiel von Hertha BSC beim FC Carl-Zeiss Jena verfolgen und auf ein Erfolgserlebnis hoffen. Zander hat aber nicht nur fast alles gesungen, sondern als Hertha-Fan auch schon fast alles erlebt.

Hertha BSC benötigt die Einnahmen aus dem DFB-Pokal

Natürlich ist sein Herzensverein als Zweitligist der große Favorit beim Regionalligisten. Aber: Zweimal in den vergangenen drei Jahren musste Hertha BSC in der ersten Runde bereits das Aus bei Eintracht Braunschweig hinnehmen, seit dem Halbfinaleinzug in der Saison 2015/16 war der Wettbewerb für das Team aus Westend stets spätestens im Achtelfinale vorbei. Ein Überstehen der ersten Runde wäre aus verschiedenen Gesichtspunkten allerdings von großer Bedeutung für den Verein. Da ist einerseits der sportliche Aspekt: Nach dem Bundesligaabstieg und zwei Niederlagen zum Start in die 2. Liga benötigen Spieler und Fans mal wieder ein Erfolgserlebnis, um die Negativkurve zumindest abzuflachen. Und dann ist da natürlich die wirtschaftliche Notwendigkeit eines Sieges: Jede weitere Runde beschert den finanziell klammen Herthanern wichtige Einnahmen.

Die haben sich die Berliner in dieser Woche auf dem Transfermarkt besorgen können. Angefangen hatte alles am Montagabend. Da wurde zunächst Wilfried Kanga an den belgischen Erstligisten Standard Lüttich verliehen, nachdem der Ivorer den Berliner Verantwortlichen nach Aussage von Sportdirektor Benjamin Weber kurz vor dem Saison-Auftakt bei Fortuna Düsseldorf mitgeteilt hatte, „dass er sich nicht bereit fühlt, zu spielen“, daraufhin mit der U23 trainierte und sich dort zuletzt krankgemeldet hatte. Kanga war im vergangenen Sommer nach Berlin gewechselt, konnte jedoch nur selten überzeugen.

Das erhoffen sich die Verantwortlichen hingegen von Michal Karbownik. Der 22-jährige Pole kommt vom englischen Premier-Ligisten Brighton & Hove Albion, war bereits vergangene Saison an Fortuna Düsseldorf ausgeliehen und unterschrieb am Dienstag einen Vertrag in Berlin bis 2026. „Michal ist flexibel einsetzbar und hat seine Qualitäten nicht nur auf beiden Seiten in der Außenverteidigung unter Beweis gestellt, sondern auch im Mittelfeld überzeugt“, sagte Weber, „er kennt die Liga und hat auch schon für die polnische Nationalmannschaft gespielt.“

Und auch am Mittwoch blieb Hertha BSC nicht untätig, transferierte Oliver Christensen zum AC Florenz und soll laut Medienberichten sechs Millionen Euro Ablöse erhalten. Auf der einen Seite ist das Geld, das der Verein dringend benötigt, andererseits aber liegt in diesem Abgang des dänischen Torwarts eine große Gefahr. Denn: Von den zu Saisonbeginn sechs Torhütern im Kader verbleiben nun nur noch drei. Der vom Karlsruher SC vor der Saison nach Berlin zurückgekehrte Marius Gersbeck ist nach einem Vorfall am Rande des Trainingslagers in Österreich bis auf weiteres suspendiert. Alexander Schwolow wurde zum Lokalrivalen 1. FC Union Berlin transferiert und nun geht in Christensen der Torwart, der in den ersten beiden Saisonspielen in Düsseldorf und gegen Wiesbaden zwischen den Pfosten stand und dabei ein wichtiger Rückhalt war.

Wahrscheinlich wird Tjark Ernst gegen den FC Carl-Zeiss Jena im Tor stehen

Hinter der zuletzt wackeligen Abwehr wird in Jena also einer der drei Nachwuchstorhüter Tjark Ernst (20 Jahre), Robert Kwasigroch (19) und Tim Goller (18) im Kasten stehen. Die Wahl von Trainer Pal Dardai wird sehr wahrscheinlich auf Ernst fallen, der bereits im letzten Bundesligaspiel beim 2:1-Erfolg in Wolfsburg im Tor stand und für seine gute Leistung von Dardai gelobt wurde. Gut möglich, dass der Ungar auch in der Abwehr personell umstellen wird, zuletzt hatte er am Tag nach der Niederlage gegen Wiesbaden Jonjoe Kenny für dessen Leistung gegen den Aufsteiger kritisiert. „Wenn ich ein rechter Verteidiger bin, dann muss ich platziert flanken. Jonjoe muss die Kritik annehmen. Ein bisschen nachdenken. Ohne Druck im Training geht es schon, aber mit Druck im Spiel muss es auch gehen“, sagte Dardai über die Leistung seines rechten Außenverteidigers. Diesen Posten hatte er in der Vorbereitung an Rückkehrer Deyovaisio Zeefuik, der auch in Düsseldorf startete, sich dort aber verletzte und aussetzen musste.

Das alles zusammengenommen – die wacklige Abwehr, der sportliche Verlust von Oliver Christensen und die beiden Auftaktniederlagen ohne eigenen Treffer in der 2. Bundesliga – macht die Aufgabe in Jena keinesfalls zu einem Selbstläufer. Jemanden wie Frank Zander, der als letzten Song am Sonnabend übrigens seine Hertha-Hymne „Nur nach Hause“ spielen möchte, erschüttern solche Dinge nicht mehr. Er hat von seinem Klub schließlich schon fast alles gesehen, würde sich aber sicher auch in seinem Lieblingsverein mehr Ruhe wünschen.