Basketball-WM

Basketball-WM: Dennis Schröder strauchelt, aber Franz Wagner hält den Traum am Leben

Die deutschen Basketballer können sich bei ihren Bankspielern bedanken, dass sie im Halbfinale auf die USA treffen und sich für Olympia qualifiziert haben.

Dennis Schröder (r.) hatte gegen Lettland große Probleme mit seinen Würfen.
Dennis Schröder (r.) hatte gegen Lettland große Probleme mit seinen Würfen.Michael Conroy/AP

Etwas mehr als 30 Minuten waren in Manila am Dienstagabend absolviert, als Franz Wagner das Spiel gegen Lettland endgültig an sich riss. Elf Tage lang hatte er den deutschen Basketballern gefehlt. Seit dem WM-Eröffnungsspiel hatte er seinen verletzten Knöchel erst im plastischen Spezialschuh, dann in Sneakern geschont, hatte von hinter der Bande dabei zugesehen, wie seine Mannschaft auch ohne ihn ins Viertelfinale gestürmt war. Nun aber wurde der 22-Jährige gebraucht, schließlich stand beim Stand von 62:59 der Halbfinaleinzug auf der Kippe. Dreimal attackierte Wagner den Korb, mit langen Schritten, viel Konsequenz und gutem Timing. Ein Korbleger, zwei Freiwürfe, ein Assist.

Franz Wagner erzielt 16 Punkte bei seinem Comeback

Mit insgesamt 16 Punkten führte Franz Wagner die deutsche Basketballnationalmannschaft auch insgesamt an. Mehr noch: Wagner führte sie schlussendlich zu einem 81:79-Sieg gegen Lettland, der nach der späteren Niederlage der Slowenen gegen Kanada auch die direkte Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris bedeutet. Der Berliner entschied ein turbulentes Spiel maßgeblich mit, half, einen ungewohnt schlechten Auftritt von Dennis Schröder zu kompensieren und trug die Auswahl des Deutschen Basketball-Bundes in ihr erst zweites WM-Halbfinale überhaupt. Dort trifft sie nun am Freitag (14.40 Uhr, kostenlos auf Magenta Sport) auf die USA.

Es wird ein Spiel, das sich die deutsche Mannschaft am Mittwoch denkbar hart erarbeiten musste. Von der Bank aus musste Franz Wagner mit ansehen, wie der deutsche Start in die Partie gegen Lettland von Problemen geprägt war. Gleich die ersten vier Würfe fielen auf den Ring statt durch diesen. Hinzu kamen ein fast einschläfernd langsames Offensivspiel und große Ratlosigkeit gegen die konsequent switchende Verteidigung der Letten. Und weil diese nicht nur besser verteidigten, sondern auch ihre Würfe trafen, lag Deutschland schnell mit 3:13 im Hintertreffen. Der bislang so starke, so dominante, für seine Mannschaft so wichtige Dennis Schröder hatte da bereits vier Fehlwürfe verzeichnet. Acht weitere sollten bis zu seinem ersten erfolgreichen Abschluss folgen, 18 bis zum Ende des Spiels. „Das ist wahrscheinlich das schlechteste Spiel, das ich in meiner gesamten Karriere gespielt habe“, sagte er nach ebendiesem.

Von Dreiern bis hin zu Korblegern – Schröder verwarf Abschlüsse aller Art und ließ auch die im bisherigen Turnierverlauf so stimmige, so wichtige Mischung aus Dirigieren und Attackieren vermissen. Wie schon in den Zwischenrundenspielen war es so an der deutschen Bank, ihre Mannschaft zum Ende des ersten Viertels ins Spiel zu bringen. Franz Wagner bewies impulsgebend, dass sein Knöchel belastungsresistent genug war, sein Bruder Moritz dunkte und ließ die Muskeln spielen, Johannes Thiemann steuerte schnelle acht Punkte und vier Rebounds bei. Als das Spiel beim Stand von 36:34 in die Kabinen ging, hatten die Bankspieler der deutschen Mannschaft 23 Zähler erzielt, ihre Starter 13, Dennis Schröder keinen einzigen. „Das dritte oder vierte Spiel hintereinander war unsere Bank herausragend“, lobte Bundestrainer Gordon Herbert nach Spielende und auch Schröder verteilte Komplimente an seine Mitspieler aus zweiter Reihe.

Im dritten Viertel deutete Franz Wagner an, was er im vierten untermauern würde: seinen Wert für das deutsche Team. Wagner verteidigte den bis dato beeindruckend treffsicheren Davis Bertans – sechs Dreier traf dieser aus teils schwierigsten Lagen – und wurde auch offensiv zu einem immer aktiveren Aktivposten. Und dennoch blieb Lettland dran, im Spiel und unangenehm. Immer dann, wenn das Momentum auf deutsche Seite zu kippen schien, hatten die Männer aus dem Baltikum auch ohne ihre verletzten Topspieler Kristaps Porzingis und Davis Bertans’ Bruder Dairis eine Antwort parat.

Selbst im Schlussviertel blieb das so – an einem Zeitpunkt, an dem Deutschland erstmals ein wenig davongezogen war. Auch, weil der bis dato so entscheidungssichere Bundestrainer erstmals wirklich irrte. Mit 74:63 hatten Spieler wie die Wagner-Brüder und Maodo Lo Deutschland in Front gebracht, als Herbert diese Stück für Stück mit seiner Starting Five um den nur kurz verbesserten Dennis Schröder ersetzte. Die Ausnahme war Flügelspieler Andi Obst, mit 13 Punkten eigentlich der einzige Starter in Normalform.

Deutschland steht zum ersten Mal seit 21 Jahren in einem WM-Halbfinale

So waren es die Letten, die anschließend gar noch einmal zu Höchstform aufliefen. Ein 10:2-Lauf bescherte ihnen in den Schlusssekunden nicht weniger als die Chance auf den Sieg. Eine Chance, die ausgerechnet Davis Bertans mit einem weiten Dreier ungenutzt ließ. Bertans vergrub sein Gesicht vornüber gebeugt in seinen Händen, während Franz Wagner und seine Mitspieler schreiend ihre Fäuste ballten. Die komplizierte Natur des Sieges war umgehend vergessen. „Deutschland steht im Halbfinale der WM. Alles andere ist egal“, fasste Moritz Wagner treffend zusammen.

21 Jahre ist es her, dass dies zum bis dato letzten und einzigen Mal der Fall war. In Indianapolis holte die deutsche Mannschaft um Dirk Nowitzki damals die Bronzemedaille. Mindestens die soll es nun auch für dessen Nachfolgegeneration werden. „Wir haben uns hohe Ziele gesetzt“, sagte Johannes Thiemann so am Mittwochabend und ergänzte: „Mit diesen Zielen im Kopf müssen wir auch Mannschaften wie die USA schlagen.“