Die Erinnerungen sind nicht mehr ganz frisch und dennoch verursachen sie bei allen Beteiligten auch heute, fast vier Jahre danach, noch Gänsehaut. Am 27. Mai 2019, es war ein Montagabend, passierte im Stadion An der Alten Försterei Historisches. Der 1. FC Union Berlin stieg zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die Fußball-Bundesliga auf. Gegner damals: der VfB Stuttgart.
Während sich bei den Schwaben nach dem Abstieg und anschließendem Wiederaufstieg die Trainer die Klinke in die Hand gaben, ist bei den Köpenickern auch heute noch Urs Fischer in der Verantwortung. „Das Spiel damals, der ganze Tag, war außergewöhnlich. Ich habe noch die letzten zehn oder fünfzehn Minuten im Kopf, als alles an einem Tor hing. Hätten wir eins bekommen, hätte es nicht gereicht“, erinnerte sich der Schweizer am Donnerstag auf der Pressekonferenz.
Am Sonnabend (15.30 Uhr) geht es wieder gegen den VfB Stuttgart. Es wird, ganz egal wie das Spiel endet, nach 90 Minuten nicht so emotional sein wie damals. Das 0:0 (Union stieg dank des 2:2 im Hinspiel und der seinerzeit geltenden Auswärtstorregel auf; Anm. d. Red.) hievte die Eisernen in die Beletage des deutschen Fußballs. Die große Party an den Tagen danach, die Fahrt über die Spree nach Köpenick mit unzähligen Fans am Ufer – all das ist nicht nur Fischer in bester Erinnerung geblieben.
Kapitän Christopher Trimmel und Jakob Busk stehen aus dem damaligen Team auch heute noch im Kader. Letzterer, hinter Frederik Rönnow und Lennart Grill ohnehin nur noch Torhüter Nummer drei, wird am Sonnabend krankheitsbedingt vermutlich nicht zur Verfügung stehen. Sportlich schwerer fällt da schon der drohende Ausfall von Sheraldo Becker ins Gewicht. Seit Donnerstag ist auch der pfeilschnelle Stürmer nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte.
VfB-Trainer Bruno Labbadia zeigt sich nachdenklich
Für die dringend benötigte Tiefe im Spiel könnten Sven Michel oder Jamie Leweling Alternativen sein. „Wir müssen immer wieder versuchen, mit unseren Läufen ihre Abwehr zu verunsichern. In der letzten Zone müssen wir dann präzise sein“, sagt Fischer, der im kommenden Gegner keinen typischen Tabellenletzten sieht. Ihre Ergebnisse waren zuletzt immer eng. „Erst haben sie Köln klar geschlagen, dann gegen Bayern oder Wolfsburg knapp verloren, in Frankfurt unentschieden gespielt. Es fehlt dann gar nicht so viel und man würde in der Tabelle besser dastehen“, verweist der Union-Trainer auf den mittlerweile völlig offenen Abstiegskampf.
Fischers Gegenüber, Bruno Labbadia, hatte sich auf der Pressekonferenz des VfB derweil sehr nachdenklich gezeigt: „Es gibt niemanden, der mir mehr Druck macht als ich selber. Ich überlege mir jeden Tag, was ich tun kann. Das beschäftigt mein komplettes Leben. Das ist nicht schön gerade, das ist nicht das Leben, das ich mir vorstelle“, sagte der 57-Jährige, der bei großen Teilen der Anhänger heftig in der Kritik steht.
Nicht ausgeschlossen, dass Labbadia, der die Mannschaft erst in der WM-Pause übernommen hat, seinen Posten mit einer weiteren Niederlage schon wieder räumen muss. Doch trotz des öffentlichen Drucks gab sich der gebürtige Darmstädter selbstbewusst: „Da rauszukommen, ist nicht einfach. Es gibt nicht viele, die das schaffen, aber ich traue mir das zu.“
Union Berlin: Ein alter Bekannter kehrt zurück
Die Hausherren werden natürlich alles dafür tun, beim VfB und Labbadia erst gar keine Hoffnung aufkeimen zu lassen. Noch immer hat Union in der laufenden Bundesliga-Saison kein Heimspiel verloren und dann ist da ja auch noch das große Ziel Europa. „Dafür brauchen wir noch einige Punkte“, verkündete Fischer, der sich gleichzeitig auf keine Rechenspielchen einlassen wollte.
Auch einen Blick nach München, wo der FC Bayern mit seinem neuen Trainer Thomas Tuchel Borussia Dortmund am Sonnabend etwa eine Stunde nach Abpfiff der Union-Begegnung mit dem VfB empfängt, will der Schweizer noch nicht werfen. Und wenn überhaupt erst mit zeitlichem Abstand. Auf die Frage, ob die Köpenicker mit einem Heimdreier denn wieder Teil des Titelrennens in der Bundesliga wären, konnte Fischer maximal müde lächeln.




