Es gibt nicht wenige Menschen, die sich in den vergangenen Jahren vom Fußball abgewendet haben. Zu viel Geschäft, zu wenig Herz, aber dafür überall Bling-Bling. In Zeiten, in denen sich viele Profis hauptsächlich auf Instagram inszenieren, erscheint es zunächst einmal merkwürdig, wenn ein Spieler über klassische Musik spricht. Oder noch viel bedeutender: den Klimawandel.
Morten Thorsby kommt am Donnerstag gut gelaunt in den Raum, in dem im Stadion An der Alten Försterei normalerweise die Pressekonferenzen des 1. FC Union Berlin stattfinden. Viel Zeit für das Gespräch bleibt gar nicht, schließlich muss der Norweger noch zum Deutschunterricht. Da sitzen Teamkollegen wie Diogo Leite, Josip Juranovic, Aissa Laidouni oder Jordan Siebatcheu an seiner Seite. Würde man jedem Einzelnen eine Rolle zuteilen, Thorsby hätte wohl die des Strebers inne.
Er ist noch kein Jahr in Deutschland, kann sich aber wunderbar verständigen, versteht nahezu jedes Wort und versucht auf Fragen auch auf Deutsch zu antworten. Der Mittelfeldspieler der Köpenicker ist viel rumgekommen, hat neben seiner Heimat schon in den Niederlanden und Italien Fußball gespielt und dabei auch immer sehr viel Wert auf die Umgebung gelegt, in der er sich bewegt.
„Es ist doch ein Privileg, als Fußballer so viel rumzukommen. Mit unterschiedlichsten Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen zusammen zu sein, das hat nicht jeder“, weiß Thorsby die Vorzüge seines Berufs zu schätzen.
Im vergangenen Sommer kam er aus der Serie A von Sampdoria Genua zu Union Berlin, hatte aber Schwierigkeiten, sich einzugewöhnen. Hartnäckige Magenprobleme machten ihm zu schaffen, so genau war zunächst nicht klar, woher diese kamen. Im Winter unterzog er sich einer Operation, verpasste dadurch auch das Trainingslager im spanischen Campoamor. Offen sprach er darüber, dass ihm die Phase vor der Operation schwer zu schaffen gemacht hatte.
Ob es ihm schwergefallen sei, seinerzeit mit seinen daraus resultierenden mentalen Problemen an die Öffentlichkeit zu gehen? „Nein“, sagt Thorsby heute, „es ist wie ein Elefant im Raum. Alle wissen, dass viele Menschen mit solchen Problemen zu kämpfen haben, aber es wird zu wenig darüber gesprochen.“ Der 26-Jährige hat diese wenig angenehme Phase hinter sich gelassen, kann sich nun voll auf den Fußball fokussieren. Und in seiner Freizeit auf das, was Berlin zu bieten hat.
Er war schon in der Philharmonie, am Müggelsee und geht sonntags auf den Flohmarkt im Mauerpark. Er ist kulturell interessiert hat Serien wie „Babylon Berlin“ oder „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ geschaut. Fußballer sind oft Reisende, die in der Stadt, in der sie gerade spielen nicht viel mehr als das Trainingsgelände und das Stadion kennen. An freien Tagen fliegen nicht wenige von ihnen in die Heimat. Morten Thorsby spielt bei Union und versteht sich damit auch als Teil dieser Stadt.
„Berlin gefällt mir sehr gut. Es ist ein großer Unterschied zu den Städten, in denen ich bisher gelebt habe“, erzählt der Mann, der bei den Eisernen die Rückennummer zwei auf dem Trikot trägt. Klar ausgesucht ist diese Zahl, weil er damit auf das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens aufmerksam machen will. Bei seinem Ex-Verein in Heerenveen wurde aufgrund seines Engagements eine Solaranlage aufs Dach gesetzt, in Genua Bäume gepflanzt.


