Das ist ein Verrat an der legendären Spielstätte des 1. FC Union Berlin und damit auch an den Fans der Eisernen, die das Stadion an der Alten Försterei mitgebaut haben und es deshalb auch als IHR Stadion ansehen. Verrat auch an der Mannschaft, die in der Auseinandersetzung mit den besten Teams aus Europa in der engen Arena zwischen Wuhle und Wuhlheide wohl tatsächlich bessere Chancen auf die eine oder andere Überraschung hätte.
Wenn einer in Anbetracht der Gewissheit, dass die Unioner ihre (Heim-)Spiele in der Gruppenphase der Champions League im Olympiastadion austragen werden, zu derartigen Schlüssen kommt, kann man ihm das nicht verdenken. Auch nicht, wenn er sich in diesem Zusammenhang über Dirk Zingler echauffiert, den Präsidenten, der diese Entscheidung (in Absprache mit seinen Präsidiumskollegen) getroffen und nun auch zu erklären hat.
Schreiben an die Mitglieder des 1. FC Union Berlin
Der 58-Jährige tat dies am Montagabend in einem Schreiben an die Mitglieder seines Vereins in aller Ausführlichkeit. „Ich verstehe die Enttäuschung derer, die sich Champions-League-Spiele im Stadion An der Alten Försterei gewünscht und dafür sogar auf ein eigenes Ticket verzichtet hätten. Im Kern haben wir mit unserer Entscheidung die Möglichkeit, allen Unionern Karten für diese Spiele anbieten zu können, über die Möglichkeit gestellt, diese Spiele vor einer eher kleinen Gruppe von Unionern an der Alten Försterei auszutragen“, so der Klubboss.
Und: „Wir haben ein kleines Stadion und können daher seit vielen Jahren immer mehr Mitgliedern unseres Vereins keine bzw. nur wenige Spiele ihres Klubs live ermöglichen. Jedem unserer über 56.000 Mitglieder nun die Möglichkeit einzuräumen, diese besonderen Spiele in der Champions League live erleben zu können, halten wir für die richtigere Entscheidung.“
Zudem brachte Zingler Folgendes ein: „Ich habe in den letzten Wochen sehr viele Gespräche geführt: mit Ehrenmitgliedern, mit ehemaligen Spielern und Mitarbeitern, mit organisierten Fans, mit nicht organisierten Fans, mit Mitgliedern und Sponsoren, auch mit Menschen, die unserem Verein seit vielen Jahren, zum Teil seit Jahrzehnten, nahestehen und keine Mitglieder sind. Wir mussten uns in diesen Gesprächen nie gegenseitig darauf hinweisen, wie wichtig die Alte Försterei für uns ist. Aber wir haben schnell festgestellt, wie bedeutend es eben auch ist, vielen Unionern die Möglichkeit zu geben, diese für uns außerordentlichen Spiele live erleben zu können. Auch unseren eigenen Sponsoren und den vielen älteren Unionern, die sich Spiele in unserem Stadion seit vielen Jahrzehnten auf den sowieso schon wenigen Sitzplätzen anschauen.“
Mit einfühlsamen Worten
Gemäß dem Motto: „Champions League für alle Unioner – von dieser Idee haben wir uns leiten lassen, und wir werden darauf achten, dass sich möglichst viele Menschen diese Spiele auch leisten können.“
Schon an der Länge der Erklärung lässt sich ablesen, dass Zingler die Stadionfrage als höchstbrisant einstuft. Dass er mit allerlei einfühlsamen Worten die gegenüber Veränderungen seit jeher skeptische Union-Gemeinde für seine Absichten gewinnen will. Klar, er wollte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erwecken, als lasse da einer die eisernen Grundgesetze außer Acht.
Problematisch erwies sich dabei die zwischenzeitliche Ankündigung der Europäischen Fußball-Union (Uefa), dass das Pilotprojekt Stehplätze im Europapokal in der kommenden Saison eine Fortsetzung erfahren soll. So wäre ja plötzlich Champions League in der Alten Försterei durchaus denkbar gewesen. So war für Zingler andererseits plötzlich ein gutes Argument pro Olympiastadion verloren.




