Urs Fischer bleibt Urs Fischer, der Trainer, der ja gern mal die Dinge ein bisschen anders angeht als eine Vielzahl seiner Kollegen. Das ist grundsätzlich eine gute Nachricht für die Anhänger des 1. FC Union Berlin, hatte für die prominentesten Sommerzugänge der Eisernen, also für Robin Gosens zum einen, für Kevin Volland zum anderen, jedoch zur Folge, dass sie den Start in die Bundesliga-Saison 2023/24 und damit das Heimspiel gegen den FSV Mainz 05 zunächst nur von der Ersatzbank aus erlebten.
Warum auch gleich von heute auf morgen alles durcheinanderwirbeln, dachte sich wohl der Schweizer Fußballlehrer. Bei all dem Trubel um die ziemlich teuren Zukäufe gibt es ja da noch einen, der auf dem linken Flügel seine Sache in der zweiten Hälfte der vergangenen Saison nicht nur ganz gut, sondern sogar sehr gut gemacht hatte, nämlich Jérôme Roussillon, der am Sonntagnachmittag mit Nachdruck zu verstehen gab, dass er für einen scharfen Konkurrenzkampf mit Gosens bestens gewappnet ist.

Außerdem hatte Union in den vergangenen Wochen vor allen Dingen für die Stärkung der Offensive so einiges getan. So standen sowohl Brenden Aaronson als auch David Datro Fofana in der Startelf, während Sheraldo Becker und eben auch Volland zunächst außen vor waren.
Unions Paukenschlag nach 53 Sekunden
Die Sache mit Gosens, Volland und Becker spiegelt die Qualität dieser Mannschaft wieder. Eine Qualität, die es gleichwohl schnellstmöglich auf den Platz zu bringen gilt. Und dahingehend lässt sich zumindest für die ersten 90 Minuten dieser Bundesligasaison schon mal Folgendes festhalten: Hat geklappt. Und wie! Die Eisernen spielten die Mainzer, wie man so sagt, zumindest eine Hälfte lang an die Wand, siegten durch drei Kopfballtore des überragenden Kevin Behrens 4:1, obschon auch ein 6:1, zwischenzeitlich aber auch infolge einer kleinen Schwächephase ein 3:3, möglich gewesen wäre.

Was Gosens, Volland und Becker, der womöglich dann doch noch die Köpenicker verlassen wird, gleich mal zu sehen bekamen, war das, was man einen Blitzstart beziehungsweise Paukenschlag nennt. 53 Sekunden waren gerade mal gespielt, als Aaronson auf der linken Seite mit einer erstaunlichen Leichtigkeit einen ersten Angriff veredelte. Mit einem Schlenker nach innen, mit einem soften Hackenpass auf Roussillon, der aus vollem Lauf eine fantastische Flanke schlug. Auf Behrens, der seinen ersten Ballkontakt per Kopf zur Führung nutzte und damit das schnellste Tor in der noch jungen Bundesligageschichte des Vereins erzielte.
Doch damit nicht genug: Wie ein unbarmherziger Boxer setzte die Elf von Fischer bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius nach dem ersten Wirkungstreffer nach. Gnadenlos. In einer spiegelverkehrten Kopie zum ersten Tor. Dieses Mal war Fofana der Einfädler, Christopher Trimmel, der auf der rechten Schiene den Vorzug vor Josip Juranovic erhalten hatte, der Flankengeber. Nur der Kopfball-Torschütze, der war derselbe: Behrens.
Fofana jagt einen Freistoß gegen die Querlatte
Mal abgesehen von einer kurzen Phase des Luftholens, in denen man den Mainzern zwei gar nicht so schlechte Tormöglichkeiten gewährte, nämlich die durch Karim Onisiwo (29.) sowie die durch Danny da Costa (31.), war die erste Hälfte für die eisernen Anhänger und die 22.012 Zuschauer ein einziger Genuss. Fofana zum Beispiel stellte mit einem Freistoß gegen Querlatte (Torentfernung: etwa 25 Meter) seine ausgereifte Schusstechnik unter Beweis (33.). Diogo Leite wiederum scheiterte mit seinem Schlenzer aus 15 Metern an Keeper Robin Zentner (45.).

Zu Beginn der zweiten Hälfte war zu spüren und auch zu beobachten, wie sich die Gäste darum bemühten, irgendwie zu ihrem Spiel zu finden. Über ein geordnetes Aufbauspiel, über einen Schuss mehr Aggressivität und Ballbesitz. Und schließlich auch über einen Strafstoß, den Schiedsrichter Tobias Stieler ihnen nach einem Foul von Leite an den wenige Sekunden zuvor eingewechselten Brajan Gruda zugesprochen hatte. Doch Frederik Rönnow hatte etwas dagegen, brachte es in der 62. Minute fertig, den Elfmeter von Ludovic Ajorque sicher zu halten.
Zwei Minuten später allerdings hatten die Gäste ihr Zwischenziel, also zeitnah einen Anschlusstreffer zu erzielen, erreicht, dank Anthony Caci, der nach einer zu ungenauen Kopfballabwehr von Trimmel den Ball auf wunderbare Weise mit einem Volleyschuss in die lange Ecke jagte. Rönnow war dabei chancenlos.
Rönnow hält auch den zweiten Strafstoß von Ajorque
Doch Union war an diesem Nachmittag nach diesen fünf, sechs fahrigen Minuten einfach zu griffig, zu giftig, zu gut, um sich den Sieg noch nehmen zu lassen. Allen voran Behrens, der in der 70. Minute nach einer Flanke des für Fofana inzwischen eingewechselten Becker zum 3:1 traf. Per Kopf – versteht sich. Und Union hatte Rönnow, der in der 87. Minute nach einem Handspiel von Robin Knoche einen weiteren Strafstoß parieren konnte. Im Duell mit Ajorque – man glaubt es kaum.



