1. FC Union Berlin

Fazit zum Union-Trainingslager: Urs Fischer grätscht verbal auch mal dazwischen

Das Trainingslager im spanischen Campoamor ist Geschichte. Urs Fischer hat mit dem 1. FC Union Berlin ein intensives Camp hinter sich. Ein Fazit.

Trainer Urs Fischer (r.) gibt Mittelfeldlenker Rani Khedira Anweisungen.
Trainer Urs Fischer (r.) gibt Mittelfeldlenker Rani Khedira Anweisungen.Matthias Koch

Ganz oft sitzt er in Trainingsjacke und -hose auf einem Ball mitten im Feld oder steht an der Seitenlinie unter den malerischen Steilwänden in Campoamor und beobachtet ganz genau, was auf dem Platz passiert. Immer wieder sind von Urs Fischer Kommentare wie „gut, guuuut“ oder „richtig so“ zu hören. Doch der Coach des 1. FC Union Berlin kann auch ganz anders.

Etwa, als Paul Seguin beim Übungsmatch im Elf-gegen-Elf die Sicherheitsvariante wählt und hintenrum spielt, obwohl auf der linken Außenbahn und im Sturm je ein Teamkollege freigestanden hat. In solchen Momenten unterbricht der sonst weitgehend in sich ruhende Schweizer Übungsleiter die Einheit und macht klare sowie eindringliche Ansagen. Dazu gestikuliert er und erklärt seinen Akteuren, was sie besser machen sollen.

Doch die neun Tage liefen insgesamt gut für die Eisernen und Fischer. Der klare Plan des Trainerteams, die Spieler, die mitgezogen haben, die zwei Testspielsiege gegen den FC Augsburg (1:0, 4:1), keine ernsthaften Verletzungen – es hätte deutlich schlechter laufen können. 

So musste der Übungsleiter eigentlich nur in Phasen der zweiten Einheit am Montag vermehrt eingreifen. Dort wirkte er sichtlich angefressen, mehrere taktische Dinge beim Einstudieren der Viererkette funktionierten nicht so, wie er sich das vorstellte.

Urs Fischer holte die Mannschaft immer wieder im Kreis zusammen und gab ihnen Feedback sowie Anweisungen mit auf den Weg.
Urs Fischer holte die Mannschaft immer wieder im Kreis zusammen und gab ihnen Feedback sowie Anweisungen mit auf den Weg.Matthias Koch

Union-Coach Urs Fischer sieht Fortschritte beim Einstudieren der Viererkette

Dazu sagte er bei seinem Fazit nach dem letzten Training am Dienstag auf der Terrasse des Hotels in der Medienrunde: „Der erste Teil war gut. Da ging es darum, mit Druck umzugehen. Das hat die Mannschaft gut gemacht.“

Im nächsten Teil, den Fischer „Zone zwei“ nennt, haben sich seine Spieler schwergetan. „Da gilt es anzusetzen.“ Dort seien sehr viele Akteure, weshalb es mehr Druck gebe. Alle drei Reihen – Defensive, Mittelfeld und Offensive – würden den Gegner hier attackieren, während ein aufbauender Abwehrmann in Zone eins nur von den Angreifern der anderen Truppe angelaufen werde.

Sich hier zu entwickeln sei der nächste Schritt: „Das hat – zu Beginn vor allem – nicht so geklappt, wie wir uns das vorstellen. Mit fortlaufender Dauer wurde es aber immer besser.“

Hier könnte man noch viele Fachbegriffe verwenden, doch zusammengefasst geht es einfach darum, dass jeder Spieler ganz genau weiß, was er zu tun hat und auch, was seine Teamkollegen vorhaben bzw. machen sollen.

Urs Fischer, oft auf einem Ball sitzend, beobachtete seine Spieler im Campoamor-Camp genau.
Urs Fischer, oft auf einem Ball sitzend, beobachtete seine Spieler im Campoamor-Camp genau.Stefan Bröhl

Gute Stimmung im Trainingslager des 1. FC Union Berlin

Allerdings zogen die Eisernen im Campoamor-Camp trotz der verständlichen Anpassungsprobleme voll mit, weshalb Fischer gut fand, „dass gewisse Abläufe da sind. Das sieht man“.

Darüber hinaus war die Stimmung gut, teilweise sogar ausgelassen. Beispielsweise beim Fußballtennis oder 5-gegen-2, wo das Ziel 25 One-Touch-Pässe waren, was nur selten gelang und zu vielen Flachsereien und oft auch zu Erheiterung führte.

Nicht nur Christopher Trimmel (2.v.l.) und Rani Khedira (2.v.r.) hatten beim 5-gegen-2 viel Spaß.
Nicht nur Christopher Trimmel (2.v.l.) und Rani Khedira (2.v.r.) hatten beim 5-gegen-2 viel Spaß.Stefan Bröhl

Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Eisernen seit Jahren erfolgreich mit der Fünferkette agieren, weshalb Kapitän Christopher Trimmel am Montag nach dem Vormittagstraining zu Recht erklärte, dass man dieses System in- und auswendig beherrschen würde.

Das ist einer der Gründe, weshalb Fischer nun die Viererkette einübt. Er und seine Truppe wollen variabler sein, um in einem Spiel, das vielleicht mal nicht so gut läuft, reagieren und den Gegner überraschen zu können.

Allerdings braucht es Geduld, denn bis eine Mannschaft ein neues System wettkampftauglich beherrscht, vergeht Zeit. Andererseits blieb der FCU in der gesamten Wintervorbereitung ungeschlagen. Nach drei Erfolgen vor der kurzen Weihnachtspause wurde in Spanien auch der FC Augsburg zweimal bezwungen (1:04:1).

Sven Michel (l.) trug seinen Teil dazu bei, dass der 1. FC Union Berlin den FC Augsburg gleich zweimal besiegte.
Sven Michel (l.) trug seinen Teil dazu bei, dass der 1. FC Union Berlin den FC Augsburg gleich zweimal besiegte.Matthias Koch

Union Berlin: Tempo und Intensität im Campoamor-Camp waren hoch

Es läuft daher auch einiges richtig. Vor allem aber ist die Stimmung innerhalb der Mannschaft gut. Der Konkurrenzkampf wird sportlich fair gelebt, das Team ist intakt, trotzdem will sich jeder zeigen und kämpft um einen Platz in der ersten Elf.

Der ist auf mehreren Positionen nur schwer zu ergattern, denn die Eisernen haben trotz des Abgangs von Eigengewächs Fabio Schneider (zum Greifswalder FC) weiterhin ein Überangebot im zentralen Mittelfeld, auch im Sturm wussten Kevin Behrens sowie Sven Michel zu überzeugen und näher an Jordan Siebatcheu sowie Sheraldo Becker heranzurücken.

Deshalb war in den Einheiten und internen Tests ordentlich Tempo und Zug drin, die Zweikämpfe wurden intensiv geführt, was Fischer und sein Trainerteam genau registrierten. Deshalb meinte der Coach auch: „Sie haben wirklich toll mitgezogen. Es war ein sehr intensives Trainingslager, das muss man sagen.“

Urs Fischer beim Mediengespräch nach der letzten Trainingseinheit am Dienstagvormittag.
Urs Fischer beim Mediengespräch nach der letzten Trainingseinheit am Dienstagvormittag.Stefan Bröhl

Letzte Einheit brachte die Profis von Union Berlin an ihre Grenzen

Dabei kam in den meisten Einheiten der Ball zum Einsatz, es wurden viele praxisnahe Übungen durchgeführt, wie Trainingsspiele auf verkürztem Platz mit unterschiedlichen Zielen, aber auch auflockernde Spielchen zum Spaß. Am letzten Tag mussten die Profis dann allerdings noch mal richtig leiden, denn hier gab es so viele Lauf- und Sprinteinheiten wie nie zuvor in diesem Camp.

So schnauften die Akteure aufgrund der Belastung gehörig, einige sanken anschließend kurz und entkräftet zu Boden. Der Coach erklärte, dass genau das der „Sinn und Zweck“ dieses Trainings gewesen sei. „Wie fit wir sind, werden wir dann in zehn Tagen sehen, wenn es losgeht. Du versuchst, auf den Punkt bereit zu sein. Aber du wirst wieder ein, zwei, drei Spiele brauchen, um in den Rhythmus zu kommen“, weiß der erfahrene Coach.

Schließlich liegt das letzte Pflichtspiel, das 1:4 am 13. November 2022 beim SC Freiburg, rund zwei Monate und eine Woche zurück.

Tim Skarke, aber auch alle anderen Spieler, pumpten nach den vielen Lauf- und Sprinteinheiten am Dienstag ganz schön.
Tim Skarke, aber auch alle anderen Spieler, pumpten nach den vielen Lauf- und Sprinteinheiten am Dienstag ganz schön.Stefan Bröhl

Nach seinem Fazit blickte Fischer allerdings auch schon voraus. Schließlich stehen direkt zum Start Englische Wochen an: „Entscheidend ist, mit welcher Einstellung du es angehst. Die muss top sein. Du hast eine Vorbereitung, viele Dinge laufen gut, du bist zuversichtlich, dann kommt dieses erste Spiel und du denkst dir, habe ich mich getäuscht.“