1. FC Union Berlin

Champions League: 1. FC Union Berlin ist nach Sieg gegen Freiburg dem Ziel ganz nah

Die Eisernen, angeführt vom überragenden Becker, spielen sich beim 4:2 gegen den Konkurrenten um den Einzug in die Königsklasse mitunter in einen Rausch.

Die Unioner feiern das spielentscheidende 4:2 durch Aïssa Bilal Laïdouni.
Die Unioner feiern das spielentscheidende 4:2 durch Aïssa Bilal Laïdouni.Eibner/Imago

Ein Spiel mit zwei derart unterschiedlich verlaufenden Spielhälften hat man tatsächlich schon lange nicht mehr gesehen. 45 Minuten lang führte der 1. FC Union Berlin den SC Freiburg am Sonnabendnachmittag geradezu vor, erzielte dabei drei Treffer, war nach dem Wiederanpfiff aber nicht mehr wiederzuerkennen, gewährte den Gästen noch zwei Treffer, was im vorentscheidenden Duell um den Einzug in die Champions League eine extrem zittrige Schlussphase für eiserne Fan-Gemeinde zur Folge hatte. Letztendlich brachte der eingewechselte Aïssa Bilal Laïdouni mit dem Treffer zum 4:2 die Erlösung (80.). Der Rest war eine Stadionparty in Rot und Weiß. Ja, die Champions League ist für den Berliner Bundesligisten ganz nah.

Im Rennen um die Qualifikation zur europäischen Eliteliga sieht es infolge der Begegnung zwischen den beiden gar nicht mehr so kleinen Klubs also wie folgt aus: Die Unioner haben infolge des 17. Saisonsiegs jetzt 59 Punkte auf dem Konto, müssen am 33. Spieltag nach Hoffenheim, haben am letzten Spieltag Werder Bremen zu Gast, könnten sich also schon am nächsten Wochenende den Traum vom Einzug in die Königsklasse des Klubfußballs erfüllen. Der Sportclub kommt auf 56 Punkte, spielt noch gegen Wolfsburg (H) und Frankfurt (A). RB Leipzig (57 Punkte) wiederum könnte mit einem Sieg am Sonntagnachmittag Rang drei zurückerobern, muss allerdings noch gegen den FC Bayern (A) und gegen die um den Klassenerhalt kämpfenden Schalker ran (H).

Trimmel macht sein 300. Spiel für Union

Vor der Partie wurde unter dem ganz, ganz großen Applaus der Union-Fans Christopher Trimmel geehrt, für sein 300. Pflichtspiel im Trikot der Eisernen. Präsident Dirk Zingler überreichte dem Österreicher kurz vor der Platzwahl ein eingerahmtes Trikot mit Trimmels Rückennummer 28, Manager Oliver Ruhnert ein ziemlich großes Plakat mit der Zahl 300. Wobei Trimmel diese Ehren nicht etwa als Ersatzspieler erfuhr, sondern als Teil der Startelf. Und damit in seiner Funktion als Kapitän auch als derjenige, der im Kreis der Mannschaft noch mal einen lautstarken Appell raushaut.

Inwieweit so eine Ansprache eine Wirkung hat, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Es war jedenfalls so, dass der 1. FC Union nach noch nicht einmal fünf Minuten in Führung lag. Dank der Übersicht von Sheraldo Becker, der nach einem langen Ball von Robin Knoche und einer Kopfballverlängerung von Sturmpartner Kevin Behrens mit einer schnellen Drehung und einem Pass auf Behrens aus einem eher harmlosen Angriff einen gefährlichen machte. Dank Freiburgs Abwehrmann Kiliann Sildilla, der zum einen schlecht positioniert war, zum anderen den Halt verlor und sich alsbald auf dem Hosenboden wiederfand. Vor allen Dingen aber dank Behrens, der in dieser Situation nicht lange zögerte und mit einem Linksschuss aus 13 Metern das 1:0 erzielte. 

Streich tigert durch die Coaching-Zone

Es war also von Beginn an sehr viel Leben in diesem Spiel. Mit einer vor Energie strotzenden Elf des 1. FC Union, die nur selten im Raum, sondern fast immer gegen den Mann deckte. Das machte den Gästen ganz schön zu schaffen, sodass ihr Trainer Christian Streich aufgeregt durch die ihm zugewiesene Coaching-Zone tigerte und immer wieder vor seinen Co-Trainern haltmachte. 

Kevin Behrens trifft zum 1:0.
Kevin Behrens trifft zum 1:0.Nordphoto/Imago
Sheraldo Becker erzielt nach Vorarbeit von Robin Knoche das 2:0.
Sheraldo Becker erzielt nach Vorarbeit von Robin Knoche das 2:0.Contrast/Imago

Zu diskutieren gab es da so einiges. Wie kann es sein, dass Unions Flügelspieler Jérôme Roussillon und Trimmel nun schon mehrmals zum Flanken gekommen sind? Warum bekommen wir Becker nicht in den Griff? Warum gewinnen wir kaum einen zweiten Ball? Letztlich konnten die Freiburger ja von Glück sprechen, dass sie in der Anfangsphase nach Chancen von Andras Schäfer (17.), der im Mittelfeld den Vorzug vor Aïssa Bilal Laïdouni erhalten hatte, und Trimmel (21.) nicht noch gleich einen weiteren Gegentreffer hatten hinnehmen müssen. Ja, dass man nach einer halben Stunde den Eindruck gewinnen konnte, dass die Gäste allmählich ins Spiel finden.

Becker jubelt mit Spiderman-Maske

Dann aber kam Becker, der das Aufbegehren der Freiburger mit einem Doppelschlag durchkreuzte. In der 36. Minute war er nach einem langen Ball von Trimmel an sich allein auf weiter Flur, behauptete gegen Manuel Gulde aber erst mal den Ball, sodass seine Kollegen nachrücken konnten. Knoche, der Abwehrboss war mit dabei, bot sich als Anspielstation an und wurde von Becker auch als solche wahrgenommen. Schließlich ging alles ganz schnell: Knoche erkannte den Laufweg von Becker, passte steil in den Strafraum, Becker erkannte, dass Mark Flekken ihm mit weit geöffneten Beinen entgegenkam, tunnelte Freiburgs Keeper gekonnt, um sogleich eine Spiderman-Maske aus seiner Hose zu zaubern. 

Bis er diese Maske dann auch über seinen Kopf gestülpt hatte, dauerte ein wenig. Aber dann war es vollbracht: Vor der Haupttribüne und damit auch vor seiner Familie mimte der Niederländer den Superhelden. 

Sheraldo Becker jubelt mit Spiderman-Maske.
Sheraldo Becker jubelt mit Spiderman-Maske.Beautiful Sports/Imago

Doch damit nicht genug: Nur zwei Minuten später kam er nach einem abgewehrten Trimmel-Freistoß dank Knoches Handlungsschnelligkeit erneut zum Abschluss, zog aus 14 Metern halbrechter Position ab, um mit einem harten, aber nicht wirklich gut platzierten Schuss Flekken erneut zu überwinden. Dieses Mal ging der Jubel ohne Maske vonstatten. Gut so, so lässt sich das Glück des Torschützen auch an der Mimik ablesen.

Gulde kommt frei zum Kopfball

Sein Trainer Urs Fischer kam unterdessen zur Seitenauslinie, um Becker mit einem kurzen Klaps auf den Hintern zu belobigen. Wenig später applaudierte er seiner ganzen Mannschaft. Ja, in der ersten Hälfte bekam der Schweizer einen rauschhaften Auftritt seiner Elf geboten.  

Dass es so nicht weitergehen konnte, war klar. Bei so einem Zwischenstand lässt nämlich schon mal die Spannung etwas nach und damit auch die Konzentration, wie sich zum Leidwesen von Fischer in der 56. Minute zeigte. Zunächst hatte Janik Haberer beim Aufbauspiel einen Tick zu lässig agiert, was einen Eckball zur Folge hatte. Dann verlor Diogo Leite bei diesem Eckball, getreten von Vincenzo Grifo, den ihm zugeordneten Gulde aus dem Auge. Am Ende der Unioner Fehlerkette köpfte Gulde ungestört zum 1:3 ein. Keeper Frederik Rönnow war chancenlos. 

Als auch noch Grifo im Stile von Panenka mit einem Strafstoß, den Danilho Doekhi mit einem Foul an Roland Sallai verursacht hatte, auf 2:3 verkürzen konnte (70.), war da plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr im Handeln der Unioner, sondern Nervosität. Knoche sah sich zur halsbrecherischen Rettungstat gezwungen (79.), auch Rönnow zum wiederholten Einsatz. Dann allerdings machte sich Becker in der 81. Minute noch einmal auf die Reise, Querpass auf Laïdouni, 4:2. Die Freiburger trafen drei Minuten später zwar noch mal den Pfosten,  Matthias Ginter war der Schütze, im Endeffekt waren sie aber schon zu diesem Zeitpunkt endgültig geschlagen.