Historischer Auftritt des Union-Stars

Sheraldo Becker: 15 Euro, Gelbe Karte, ein Novum und Fischers Mega-Lob

Vier Tore hat der 1. FC Union Berlin in einem Heimspiel schon lange nicht mehr erzielt. Hauptverantwortlich war gegen Freiburg dafür Angreifer Sheraldo Becker.

One-Man-Show: Sheraldo Becker feiert sein Tor mit Spiderman-Maske und schießt den 1. FC Union Berlin fast im Alleingang Richtung Champions League.
One-Man-Show: Sheraldo Becker feiert sein Tor mit Spiderman-Maske und schießt den 1. FC Union Berlin fast im Alleingang Richtung Champions League.Matthias Koch/imago

Etwas mehr als zweieinhalb Jahre ist es her, da gastierte Arminia Bielefeld im Stadion An der Alten Försterei. Die Corona-Pandemie wütete, Zuschauer waren – wie auch in allen anderen Stadien der Republik – in Berlin-Köpenick nicht zugelassen. Die Anhänger sahen also vor dem Fernseher, wie ihre Mannschaft furios aufspielte und den damaligen Aufsteiger mit 5:0 zurück gen Ostwestfalen schickte.

Irgendwann kamen die Zuschauer zurück, ein derartiges Torfestival wie an jenem Tag im November bekamen sie aber nicht mehr zu sehen. Mehr als drei Tore – und auch das hat bei den Eisernen offensiv schon astronomische Dimensionen – erzielte der 1. FC Union Berlin in 45 Liga-Heimspielen seitdem nicht mehr. Bis am Sonnabend auf einmal alle Fesseln gelöst waren, die Gastgeber den SC Freiburg, der mit großen Ambitionen angereist war, von Beginn an überrannten.

Kevin Behrens (5.) und Sheraldo Becker (36., 38.) brachten die haushohe Überlegenheit mit ihren Toren zur Pause auf die Statistik-Blätter. Besonders der Niederländer, der den Treffer seines Sturmpartners vorbereitet hatte, lief zu Höchstform auf. Becker war von den Freiburger Abwehrspielern nie in den Griff zu kriegen, spielte die Breisgauer phasenweise schwindlig und sorgte auch beim Torjubel für staunende Gesichter.

Seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0 feierte er mit Spiderman-Maske. Ein Gruß an seine Söhne, die Papa Sheraldo von der Tribüne aus anfeuerten. „Die Maske habe ich schon ein Jahr und nicht extra für heute bestellt. Normalerweise wollte ich sie erst im Heimspiel gegen Werder Bremen aufziehen, aber heute war meine ganze Familie im Stadion, also habe ich das vorgezogen“, verriet der pfeilschnelle Angreifer nach Abpfiff.

Fischer adelt Becker: „Außergewöhnlich, ein Wahnsinnsspiel“

15 Euro hatte er für das Jubel-Utensil bezahlt. Um es dann auch benutzen zu dürfen, kam von Schiedsrichter Marco Fritz noch eine Gelbe Karte auf die Rechnung on top. Als „unnötig“ bezeichnete Urs Fischer die Verwarnung für seinen Top-Star. Der Schweizer machte mit einem verschmitzten Lächeln aber keinen Hehl daraus, dass er für den extravaganten Auftritt auch Sympathien übrig hatte: „Den Jubel fand ich schon gut und Spiderman habe ich mir selbst auch schon angeschaut.“

Viel wichtiger war für den Trainer des 1. FC Union Berlin natürlich das, was Becker davor und danach auf dem Rasen zeigte. „Es war außergewöhnlich, er hat ein Wahnsinnsspiel gemacht, war an allen gefährlichen Aktionen beteiligt“, schwärmte Fischer.

Als die Hausherren in der zweiten Halbzeit mächtig unter Druck gerieten, die Breisgauer nach Toren von Manuel Gulde (56.) und Vincenzo Grifo (70./Foulelfmeter) Chancen auf den Ausgleich hatten, war es Becker, der ein letztes Mal antrat, sich auf die Reise Richtung Freiburger Tor machte und den mitgelaufenen Aissa Laidouni uneigennützig bediente. Der erste Pflichtspiel-Treffer des Tunesiers im Trikot der Eisernen war nur noch Formsache.

Neben seiner herausragenden Leistung trug sich Sheraldo Becker derweil noch in die Geschichtsbücher des Vereins ein: Vier Scorerpunkte in nur einem Spiel hatte bislang kein Profi des 1. FC Union Berlin in der Bundesliga gesammelt. Und auch ihm war das in seiner Karriere noch nicht gelungen. „Nein“, sagte Becker, „das war für mich das erste Mal.“ Und weiter: „Heute kann ich sehr stolz sein. Ich will immer der Mannschaft helfen und diesmal habe ich das gut hingekriegt.“

Der wertvollste Union-Profi, der zuletzt zwar immer sehr engagiert, aber oft glücklos agiert hatte, verdoppelte seine Trefferanzahl im Jahr 2023 auf einen Schlag. Bislang hatte er in diesem Kalenderjahr nur gegen Stuttgart (3:0) und in Mönchengladbach (1:0) getroffen, nun also die endgültige Tor-Erlösung.

Was bedeuten die Becker-Tore und der Sieg nun also für Union? Zwei Spieltage vor Saisonende haben die Köpenicker drei Punkte und acht Tore Vorsprung auf den SC Freiburg. Ein Sieg aus den abschließenden Partien in Hoffenheim und gegen Bremen dürfte für die Champions League reichen. Fischer schaffte es aber trotz dieser Vorzeichen, seinen Blick auf einen anderen Aspekt zu lenken. „Gratulation an alle, die sich aufopfern für diesen Verein. Wir haben uns heute für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert. Das ist surreal und kann ich im Moment auch noch nicht so richtig fassen“, sagte der 57-Jährige.

Es ist nicht auszuschließen, dass Fischer schon am kommenden Sonnabend erneut Glückwünsche aussprechen wird. Sollte der SC Freiburg am Abend zuvor nicht gegen den VfL Wolfsburg gewinnen und die Köpenicker siegen in Hoffenheim, ist die Qualifikation für die Königsklasse unter Dach und Fach. Es wäre der nächste Höhepunkt in der Beziehung zwischen Fischer und dem 1. FC Union Berlin.