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Ostsee-Urlaub: Wie schützt man sich vor aggressiven Möwen?

So gern man die kreisenden Möwen an der Ostsee auch beobachtet, so sehr nerven ihre Gier und die frechen Fressattacken. Was kann man tun?

Sie kommen mal einzeln, mal in Scharen: Möwen fressen gern das, was auch uns Menschen schmeckt.
Sie kommen mal einzeln, mal in Scharen: Möwen fressen gern das, was auch uns Menschen schmeckt.Fotoillustration: Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende. Bilder: Imago

Meistens dauert es keine zwei Minuten bis zum ersten Anflug: Gerade hat man sich ein Eis, Pommes oder Fischbrötchen geholt, will Richtung Strand schlendern – und schon kommt die erste Möwe, die einem das Essen mopsen will.

Gefühlt werden die Ostsee-Möwen (aber natürlich auch jene an der Nordsee) von Jahr zu Jahr frecher. Die Angst vor dem Menschen ist ihnen gänzlich abhandengekommen. Man muss ordentlich auf der Hut sein, wenn man seine Mahlzeiten nicht mit dem Federvieh teilen möchte.

Wirklich verwunderlich ist das nicht, denn seit Jahrzehnten füttern Urlaubende und auch einige Einheimische Möwen ganz gezielt, erfreuen sich daran. „Für einige scheint das auch ein bisschen zum Strandbesuch dazuzugehören. Und natürlich haben die Möwen so gelernt: Bei Zweibeinern gibt’s was zu fressen“, sagt Dr. Dorit Visbeck-Liebers vom Deutschen Meeresmuseum in Stralsund.

Dort hat die gebürtige Potsdamerin unter anderem die Dauerausstellung zur Ostsee kuratiert und ist zudem Präsidentin der Deutschen Ornithologie-Gesellschaft – die erste Frau in dieser Position in der 175-jährigen Vereinsgeschichte.

Als Wissenschaftlerin betrachtet sie die Möwen mit Faszination und Neugier, als Mutter kennt sie die Schreckschreie nach einer Anflugattacke nur zu gut. In jedem Fall weiß sie: Die Möwen sind klug. Und nachdem wir sie derart verzogen haben, müssen wir mit ihnen und ihrer Art leben.

Dorit Visbeck-Liebers vom Meeresmuseum in Stralsund ist Möwen-Expertin.
Dorit Visbeck-Liebers vom Meeresmuseum in Stralsund ist Möwen-Expertin.Anke Neumeister/Deutsches Meeresmuseum

Warum futtern die Möwen unser Essen?

„Möwen sind Allesfresser“, sagt Visbeck-Liebers. „Ihre Magensäure ist sehr sauer, weshalb sie im Prinzip alles verdauen können. Natürlich sind verarbeitete Lebensmittel vom Nährwert her für sie genauso ungesund wie für uns, aber es schmeckt ihnen halt.“

Zudem freuen sich Möwen, wenn sie leicht an Beute kommen, wir es ihnen quasi auf dem Silbertablett servieren. „Und offenbar denken sie sich: Ich muss ja nicht warten, bis der Zweibeiner mir das zuwirft. Ich kann es mir auch so holen. Da spielt eine gewisse Bequemlichkeit eine Rolle“, so die Expertin.

Zur klassischen Beutesuche müssen die Möwen sonst auf die Ostsee hinausfliegen. „Von Natur aus fressen Möwen jede Art von Fisch, abhängig von der eigenen Körpergröße. Aber sie mögen auch Garnelen, Krabben, Krebstiere. Mitunter fliegen sie selbst landwirtschaftliche Flächen an und fressen dort Würmer, Mäuse oder sogar Küken“, weiß die Fachfrau.

Was Futter ist und wie man es bekommt, erlernen die Jungtiere von ihren Eltern – auch das Gefüttertwerden vom Menschen. „Nahrungssuche und -verteidigung sind ein elementares Thema der Aufzucht“, so Visbeck-Liebers.

Die kleinere Lachmöwe ist vergleichsweise zurückhaltend, schnappt sich am Boden liegende Überreste. Ganz anders die Silbermöwen, die sehr rabiat werden können, wenn sie es auf ein Fischbrötchen abgesehen haben. „Die sind wirklich verfressen.“

Wie schützt man sich vor Möwen-Attacken?

Viele Fischbrötchenhändler haben Markisen an ihren Ständen angebracht. Die zeigen Wirkung. „Möwen fliegen nicht darunter, weil sie zum Starten nicht nur Platz, sondern auch Aufwind brauchen“, erklärt die Ornithologin.

Heißt: Unter einer Markise oder einem Vorsprung sind Sie sicher, ebenso unter einem Schirm. Egal, ob Sonnen- oder Regenschirm – Möwen steuern sie nicht an. Und wenn Sie den Schirm dann auch noch so halten, dass Hinterkopf und Schulterblätter verdeckt sind, ist es doppelt sicher.

„Möwen starten meistens einen Überraschungsanflug von hinten, womit man ja eher nicht rechnet. Manchmal arbeiten sie auch im Team: Eine Möwe nähert sich von vorn, und die andere greift von hinten an“, sagt Visbeck-Liebers. „Das ist wirklich clever.“

Und weil sie so klug sind, lassen sie sich auch nicht einfach so verscheuchen – weder mit Handwedeln noch mit Ksch-ksch-Geräuschen. „Davon lassen die sich nicht beeindrucken“, so die Expertin.

Tipp: Passen Sie auch auf Ihre Stranddecke und sonstigen Sachen auf. „Möwen wissen, dass sich dort manchmal Kekspackungen verstecken. Sie suchen danach“, warnt Visbeck-Liebers. Dazu beobachten sie ganz genau, ob man sich von seinen Klamotten wegbewegt, beispielsweise ins Wasser geht und weit genug weg ist.

Die Möwen-Fachfrau amüsiert das ein Stück weit: „Man muss einfach anerkennen, wie schlau und anpassungsfähig sie sind. So funktioniert Evolution.“ Letzten Endes ist das, was die Möwen da tun, „nur ein Sommer-Zubrot“, ergänzt Visbeck-Liebers. „Denn im Winter sind kaum Touristen hier, das Nahrungsangebot also spärlicher. Da müssen die Möwen wieder jagen. Und das ist gut so. Wenn sie das verlernen, würden sie eingehen …“

Und das will ja nun auch niemand. Immerhin gehört das Möwengeschrei zur Ostsee wie das Wellenrauschen und dieser ganz spezielle Meeresgeruch. Füttern sollten wir sie trotzdem nicht – das gilt für alle Wildtiere, auch wenn sie noch so süß sind.