Sprechen möchte kaum jemand darüber, wichtig ist sie aber trotzdem: Die Darmspiegelung. Sie ist eine der wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen, weil so Darmkrebs entdeckt werden kann, der im Stillen wächst und wuchert – wenn er Beschwerden verursacht, ist es oftmals zu spät. Dennoch scheuen sich viele Menschen, eine Koloskopie vornehmen zu lassen. Das hat viel mit Unwissen zu tun. Der Gastroenterologe und Privatdozent Dr. Tobias Weismüller vom Reinickendorfer Humboldt-Klinikum (Vivantes) ist Fachmann bei der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). In der Berliner Zeitung erklärt der Mediziner, was bei einer Darmspiegelung passiert.
Jedes Jahr erkranken Zehntausende Menschen in Deutschland an Darmkrebs. Ein schwerer Verlauf, bei dem der Krebs schon gestreut hat, kann mit einer frühzeitigen und regelmäßigen Vorsorge in der Regel verhindert werden. Jedoch sind die Untersuchungen bereits 2020 um gut 40 Prozent zurückgegangen, weil Menschen sich wegen Corona oder der Lockdowns nicht getraut haben, zum Arzt oder zur Ärztin zu gehen. Was das bedeutet, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Dr. Tobias Weismüller wünscht sich, dass Menschen sich rechtzeitig und ohne unnötige Angst untersuchen lassen. „Das rettet tatsächlich Leben. Und der Aufwand ist vergleichsweise gering“, stellt er klar. Normalerweise übernehmen die Krankenkassen eine Koloskopie für Frauen ab 55 Jahren, für Männer ab 50 Jahren.
Wer jedoch Beschwerden hat – beispielsweise Blut im Stuhl, was man auf dem Toilettenpapier sieht –, kann auch eine entsprechende Überweisung bekommen. Vor allem Menschen, deren Familienangehörige (Eltern, Geschwister) bereits eine Darmkrebsdiagnose hatten, sollten nicht zögerlich sein, einen Termin zu vereinbaren. In diesem Fall sollte die Vorsorgekoloskopie bereits frühzeitiger erfolgen, nämlich zehn Jahre vor dem Lebensalter, zu dem bei dem Verwandten der Darmkrebs auftrat.
Wie bereite ich eine Darmspiegelung vor?
Bevor es zur eigentlichen Koloskopie kommt, hat man ein Anamnese- und Aufklärungs-Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin. Das kann ein niedergelassener Magen-Darmspezialist oder eine Ärztin im Krankenhaus sein. Ebenso gibt es speziell zertifizierte Darmkrebszentren, die hinsichtlich der Vorsorge als auch der Therapie auf Darmkrebs spezialisiert sind. In dem Vorgespräch schildern Sie, welche Beschwerden Sie haben und welche Vorgeschichte. Sie können Fragen stellen und werden über den Ablauf der Untersuchung aufgeklärt, ebenso über Risiken. „Die Darmspiegelung ist allerdings eine sehr risikoarme und lang erprobte Untersuchung, vor der sich niemand fürchten muss“, sagt der Gastroenterologe Dr. Tobias Weismüller.
„Normalerweise findet dieses Gespräch etwa eine Woche vor dem eigentlichen Termin statt, weil der Patient oder die Patientin fünf Tage vor der Koloskopie nicht mehr alles essen darf“, so der Experte. Der Darm muss nämlich komplett leer und sauber sein, damit bei der Untersuchung klare Sicht herrscht. Verboten sind daher während der Tage vor der Spiegelung zunächst die ansonsten sehr gesunden Vollkorn-Produkte, Nüsse, Hülsenfrüchte und auch Obst oder Gemüse, bei denen die Kerne mitgegessen werden (z.B. Tomaten, Trauben, Zucchini).
Diese Ballaststoffe quellen im Darm auf, und es braucht lange, bis sie wieder ausgeschieden werden. Die Dauer ist individuell verschieden, aber man will natürlich sicher sein, dass es möglichst keine Rückstände im Darm gibt. „Sollte der Darm nicht gut gereinigt sein, kann man nicht mit Sicherheit sagen, dass alles in Ordnung ist. Im Zweifel müsste man die Spiegelung wiederholen, um Gewissheit zu haben und eine Erkrankung auszuschließen“, erklärt der Mediziner. Außerdem kann es sein, dass die kleinen Kerne das Endoskop, also das Untersuchungsgerät, verstopfen.
In den Tagen vor der Spiegelung soll man sich eher leicht und schonend ernähren: Weißbrot, Kartoffeln, Nudeln. Alles, was schnell verdaulich ist. „Am Vortag der Koloskopie darf man noch ein einfaches Frühstück essen, danach nichts mehr. Am frühen Nachmittag beginnt man dann mit der Darmspülung“, sagt Dr. Tobias Weismüller. Die dafür benötigte Lösung beziehungsweise das anzurührende Pulver bekommt man vom Arzt oder der Ärztin beim Vorgespräch ausgehändigt. „Je nach Fabrikat sind das ein halber oder ein ganzer Liter, den man schluckweise binnen einer Stunde zu sich nehmen muss“, so der Experte. „Dazu trinkt man die gleiche Menge Wasser oder Tee. Apfelsaft ist auch okay oder klare Brühe. Nur bitte keine dunklen oder trüben Flüssigkeiten wie Kaffee, dann sieht man nämlich nichts.“ Milch sollte man auch vermeiden, weil sie ausflockt und die Sicht erschwert.
Die salzig schmeckende Abführ-Lösung entzieht dem Körper Wasser. Dieser Verlust muss ausgeglichen werden, damit man nicht dehydriert. Darum muss man viel trinken. Und das will man auch, um den Geschmack der Lösung wieder loszuwerden. Innerhalb von einer Stunde fängt es dann an, im Bauch zu rumoren. Und dann sollte die Toilette tatsächlich nicht zu weit entfernt sein. „Das ist dann wie Durchfall“, weiß Dr. Tobias Weismüller. „Mit der Zeit wird der Stuhl aber immer klarer. Sobald er die Farbe von Kamillentee hat, ist der Darm weitgehend leer und sauber.“ Möglicherweise wird der Schließmuskel ein bisschen wund. Dann cremen Sie sich ein.
In der Regel müssen Sie die Prozedur frühmorgens am Folgetag, also dem Tag der Koloskopie, wiederholen. „Das ist wie bei eingetrocknetem Geschirr: Das müssen Sie manchmal auch über Nacht einweichen lassen, um hartnäckigen Schmutz entfernen zu können“, erklärt der Gastroenterologe. „Diese Vorbereitung – das Nüchternbleiben und das Abführen – ist das Unangenehmste an der ganzen Prozedur. Die Untersuchung selbst spüren sie nicht, sofern Sie sich eine Betäubungsspritze geben lassen“, verspricht der Mediziner.
Und Sie wissen im Zweifel ja, warum Sie das Ganze auf sich nehmen: Bei der Darmspieglung geht es darum, Krebsvorstufen zu entdecken. Das sind kleine Polypen, zwei Millimeter bis drei Zentimeter groß. Unter diesen sogenannten Adenomen gibt es welche, die sehr flach sind und Schleim bilden, an denen Stuhl kleben bleibt. „Wenn es Stuhlrückstände im Darm gibt und diese sich an das Adenom heften, dann können wir es nicht sehen“, warnt Dr. Tobias Weismüller.
Falls Sie nicht in der Lage sind, die Abführlösung zu trinken (z. B. wegen heftiger Übelkeit und Erbrechen), können Sie stationär in einem Krankenhaus aufgenommen werden, wo man Ihnen das Mittel beispielsweise über eine Sonde verabreicht.
So läuft die Koloskopie ab
Die absolute Mehrheit der Menschen, die eine Darmspiegelung vornehmen lassen, nehmen eine Betäubungsspritze. Je nach Verträglichkeit wird mittlerweile in den meisten Fällen Propofol genutzt, das einen in einen Dämmerschlaf sinken lässt. Das Gute daran: Es ist keine Vollnarkose, man muss nicht beatmet werden, die Nebenwirkungen sind äußerst gering. Puls und Blutdruck sowie der Sauerstoffgehalt im Blut werden über einen Fingersensor überwacht. Allerdings ist man nach der Sedierung nicht voll einsatzfähig, darf beispielsweise kein Auto fahren. Deshalb ist es Vorschrift, dass man sich abholen lassen muss und nicht allein unterwegs ist. Das gilt auch für die öffentlichen Verkehrsmittel und für das Fahradfahren. Einzige Ausnahme: das Taxi, das Sie bis vor die Haustür bringt.
Die Schlafspritze wirkt innerhalb kürzester Zeit. Spätestens nach zwei Minuten schlummern Sie selig. Zu diesem Zeitpunkt haben Sie sich bereits untenrum entkleidet, tragen eine Koloskopie-Unterhose und werden vielleicht mit einer Decke gewärmt. „Man liegt bei der Untersuchung auf der linken Seite, weil so das Endoskop am besten zu führen ist. Die Unterhose wahrt die Intimsphäre der zu untersuchenden Person, hat aber auf der Rückseite eine Öffnung, sodass die Koloskopie auch stattfinden kann“, so Dr. Tobias Weismüller.

Sobald Sie eingeschlafen sind, geht die Untersuchung los: Das Endoskop wird mit ein wenig Gleitgel ummantelt und in den After eingeführt. Je nach Fabrikat hat es einen Durchmesser von circa zehn bis 13 Millimetern und ist somit etwa so dick wie ein Finger. Je nach Gerät ist es zwischen 130 und 180 Zentimetern lang. Unser Darm ist durchschnittlich 1,50 Meter lang. Im Endoskop gibt es mehrere Kanäle: Zunächst eine Lichtquelle samt hochauflösender Kamera, damit der oder die Untersuchende die Darmschleimhaut auf einem Videomonitor detailliert betrachten kann.
Außerdem gibt es einen Kanal, um Raumluft oder das besser verträgliche Kohlendioxid in den Darm zu blasen. So wird das Hohlorgan entfaltet und man kann die gesamte Oberfläche, auch die Falten, besser anschauen. Dann gibt es noch zwei verschiedene Kanäle zum Spülen, womit entweder die Kamera gereinigt werden kann oder aber etwaige Verunreinigungen im Darm selbst. Dieser Arbeitskanal hat einen Durchmesser bis zu vier Millimetern und ist daher geeignet, Instrumente einzuführen. „Kleine Polypen entfernt man sofort, und dafür braucht man natürlich eine kleine Zange oder eine Schlinge“, erklärt Dr. Tobias Weismüller.
Eine Routineuntersuchung dauert 20 Minuten. Sofern etwas gefunden und entfernt werden muss, auch länger. Die Koloskopie beginnt mit dem Vorspiegeln: Das Endoskop wird bis in den letzten Abschnitt des Dünndarms, welcher in den Dickdarm mündet, geschoben. Das dauert etwa sechs bis zehn Minuten. Die intensive Betrachtung der Darmschleimhaut erfolgt erst auf dem Rückweg, wenn also das Endoskop langsam wieder herausgezogen wird.

Sofern ein Polyp entfernt wurde, wird die Gewebeprobe in ein Labor geschickt, wo sie von einem Pathologen oder einer Pathologin untersucht wird. Das Ergebnis bekommt der Arzt oder die Ärztin meistens binnen einer Woche und es wird danach mit Ihnen besprochen. Dann wird auch festgelegt, ob und wenn ja, in welchen Rhythmus Sie erneut zur Darmspiegelung kommen müssen. Die Stelle, an der der Polyp entfernt wurde, heilt normalerweise schmerzfrei ab. Nur bei sehr großen oder sehr vielen Polypen kann es sein, dass Sie einen leichten Schmerz spüren.
Nach der Koloskopie müssen Sie für eine bis anderthalb Stunden im Aufwachraum bleiben, damit die Wirkung der Schlafspritze nachlässt und man sicher sein kann, dass es Ihnen gut geht. Für die folgenden 24 Stunden sollten Sie nur leicht Verdauliches essen, beispielsweise Suppen. Und höchst wahrscheinlich müssen Sie mehr pupsen als sonst. Das liegt an der Luft, die in den Darm gepustet wurde und die wieder entweichen muss. „Es wird allerdings häufig keine Raumluft verwendet, sondern Kohlendioxid, was zum Teil vom Körper aufgenommen wird“, so Dr. Tobias Weismüller. „Und die Blähungen riechen auch nicht, keine Sorge. Der Darm ist ja sauber. Da ist nichts, was Gerüche verursachen könnte.“






