Meistens verrichtet er seine Arbeit still und gewissenhaft: Der Darm ist das Multitalent unter unseren Organen. Er beherbergt Milliarden an Mikroorganismen, die dafür sorgen dass es uns gut geht. Und wenn dem nicht so ist, merken wir das sofort – und wollen, dass es uns ganz schnell wieder gut geht. Egal, ob Bauchweh, Infekte, Durchfall oder Verstopfung, unser Darm zeigt, wenn ihm etwas nicht passt. Das wiederum ist kein Zufall. Denn durch unser Verhalten können wir beeinflussen, wie es dem Darm und somit uns selbst geht.
Prof. Dr. Ingo Froböse ist Experte für Prävention, Rehabilitation und Sport. Der Wissenschaftler lehrt an der Sporthochschule Köln und hat diverse Bücher rund ums Thema Gesundheit herausgebracht. Er weiß genau, wie man gut altert, fit bleibt, und was es braucht, um dauerhaft gesund zu sein. Eine Schlüsselrolle spielt dabei unser Darm, wie der Fachmann erklärt: „Der Darm erfüllt eine Vielzahl von Funktionen. Er hat die Fähigkeit, unser Essen zu zerkleinern und aus den Bestandteilen die Energie für unseren Körper bereitzustellen. Er ist die Chemie-Küche unseres Organsystems. Er restauriert und repariert, er spielt eine wichtige Rolle bei der Hormonproduktion, aber auch bei der Immunabwehr. Der Darm reinigt unseren Körper, reguliert den Wasserhaushalt und ist direkt mit unserem Nervensystem verknüpft, weshalb es keine Binsenweisheit ist, wenn man vom Bauchgefühl spricht. Das stimmt tatsächlich.“
Wenn wir also ein mulmiges Gefühl haben, kommt das aus dem Darm. Unser Kopf hingegen ist rationaler unterwegs, weil das Hirn ständig analysiert, Erfahrungen abgleicht, Vermutungen anstellt. Wir denken nach. Der Bauch hingegen ist Gefühl. Und das trügt eben nur selten. Darüber hinaus hat der Darm lebenswichtige Aufgaben: Ohne ihn gäbe es keine Energie, sodass die Organe nicht funktionieren könnten. Wir wären nicht warm, hätten keine glänzenden Augen, wären Angriffen von Bakterien und Viren weitgehend schutzlos ausgeliefert. „Etwa drei Viertel der Immunabwehr findet im Darm statt“, so Prof. Dr. Ingo Froböse. „Aber streng genommen ist das Immunsystem durch unser Blut überall im Körper unterwegs. Die Zentrale ist aber im Darm.“
Wie funktioniert Verdauung eigentlich?
Verdauung beginnt schon im Mund: Die Nahrung wird zerkleinert und mit dem Speichel zu einem Brei vermengt. Im Speichel befinden sich Enzyme, die mit für das Aufspalten der Bestandteile zuständig sind. „Im Magen schließlich wird der Speisebrei gewalkt und mit Salzsäure versetzt, sodass ein Großteil potenziell gefährlicher Bakterien abgetötet wird“, so der Experte.
Weiter geht es im Dünndarm: Der ist etwa drei bis fünf Meter lang und hier zerlegen verschiedene Enzyme die Nahrungsbestandteile in ihre Bausteine, sodass sie über die Darmschleimhaut ins Blut gelangen und dem Körper zur Verfügung stehen. Der Dickdarm nimmt den unverdaulichen Rest auf, entzieht dem Speisebrei Wasser und Salze. Beides stellt er dem Körper zur Verfügung. Zugleich ernähren sich die Mikroorganismen des Darms vom Speisebrei; dieser enthält nämlich unter anderem Ballaststoffe und Fasern, die für die Darmflora ein Festschmaus sind. Diese wiederum ist wichtig, damit das Immunsystem stark ist.
Wie halte ich meinen Darm gesund?
„Das beginnt schon im Mund“, weiß Prof. Dr. Ingo Froböse. Natürlich sollte man zunächst auf eine gute Mundhygiene achten: Wer seine Zähne nicht sauber hält, lässt den Bakterien freien Lauf. Und mit jedem Bissen schlucken wir ein paar von ihnen mit herunter. „Aber der Darm ist auch stark davon abhängig, wie gut wir kauen. Leider leben wir in einer Zeit, in der alle es eilig haben, wo nebenbei gegessen wird. Viele Menschen schlingen ihr Essen herunter – und das nimmt der Darm einem irgendwann übel.“
Tipp vom Profi: Kauen Sie mal ein Stück Brot ganz lange im Mund. Wirklich lange! Sie werden spüren, dass der Brotbrei süß wird. „Das ist die Amylase, die tätig wird. Sie spaltet die im Brot enthaltene Stärke in Saccharide, also Zuckermoleküle, auf. So können Sie erspüren, wie Verdauung funktioniert und dass sie tatsächlich schon beim Kauen beginnt“, sagt Prof. Dr. Ingo Froböse. Und somit ist auch klar: Gut gekaut, ist halb verdaut. Denn je besser wir unsere Nahrung vorbereiten, desto weniger hart müssen Magen und Darm den Brei walken, um ihn verwerten zu können. Stattdessen können sie sich aufs Freisetzen der Nährstoffe konzentrieren.
Um den Darm gesund zu halten, sollte man sich immer wieder daran erinnern, dass unsere Darmflora ein riesiger Multi-Kulti-Laden ist – zuständig für viele Aufgaben, für die es viele spezialisierte Mikroorganismen gibt. Um diese leistungsfähig zu halten, müssen wir sie gut ernähren. Und das geht – weil es so viele verschiedene sind – nur mit einer abwechslungsreichen Ernährung. Das heißt: „Je mehr Varianz wir in unseren Speiseplan bringen, desto besser für die Darmgesundheit. Mit einer einseitigen Ernährung kann es zu einer Dominanz der zuckerverwertenden Bakterien kommen, zum Beispiel, was zur Folge hat, dass diese sich stark vermehren und die anderen weniger werden“, resümiert Prof. Dr. Ingo Froböse. „Somit werden jene Bakterien, die dafür sorgen, dass Fett verstoffwechselt wird, inaktiv und wir werden dick. Hinzu kommt, dass eine Darmflora, die nicht mehr im Gleichgewicht ist, das Immunsystem nicht mehr optimal steuern kann.“
Naturjoghurt, Ballaststoffe und Eiweiße
Wir müssen folglich so viele unterschiedliche Dinge wie möglich essen, natürlich viel Gemüse, aber auch Nüsse oder Naturjoghurt beispielsweise. „Dieser enthält Lactobazillen, die einer der Hauptbausteine für die Darmflora sind und sie stärken oder auch wiederaufbauen. Wer Naturjoghurt nicht mag, kann auch zu Kefirprodukten oder Kombucha greifen. Alle fermentierten Produkte sind eine Wohltat für den Darm, allen voran frisches Sauerkraut“, erklärt der Experte. Wichtig: Das Sauerkraut darf weder bei der Produktion erhitzt worden sein, noch sollten Sie selbst es erhitzen. Dabei werden nämlich die meisten Milchsäurebakterien getötet. Achten Sie beim Kauf darauf, es steht auf der Verpackung, ob das Sauerkraut roh und erhitzt ist.
Obst und Gemüse enthalten neben lebenswichtigen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen auch viele Ballaststoffe, die der Darm braucht, um gesund zu sein. Ballaststoffe regen auch die Darmperistaltik an, sodass der Weitertransport nicht stockt. Ebenso sollten wir auf eine ausreichende Eiweißzufuhr achten, weil die enthaltenen Aminosäuren auch der Baustoff unseres Körpers ist, sie wichtig sind für so ziemlich alle Prozesse, die in uns ablaufen und uns am Leben erhalten. Eiweiße stecken nicht nur in Eiern und Fleisch, sondern auch sehr konzentriert in Nüssen, Samen und Mandeln.
Falls Sie tagsüber häufiger snacken oder Heißhunger haben, versuchen Sie mal, statt eines Riegels oder anderen eher ungesunden Nahrungsmitteln, ein paar ungesalzene Nüsse zu essen. Einmal davon abgesehen, dass sie ausgesprochen gesund ist, sorgen sie durch ihren hohen Eiweißgehalt auch für einen weniger starken Blutzuckerreiz, als er durch Kohlenhydrate und zuckerhaltige Lebensmittel ausgelöst wird. Bei einem großen Blutzuckerreiz schüttet der Körper schnell große Mengen Insulin aus, um wieder in Balance zu geraten. Dann fällt der Blutzuckerspiegel ebenso rasch wieder ab. Und dann haben wir schneller wieder Hunger.
Eiweiße machen länger satt. Als Faustregel gilt, dass man pro Kilogramm Körpergewicht etwa 0,8 bis 1 Gramm Eiweiß zu sich nehmen sollte, und das gleichmäßig über den Tag verteilt beziehungsweise mit einem besonderen Augenmerk auf den Abend: „Nachts ist die Zeit des Immunsystems, der Auf- und Umbauprozesse, der körpereigenen Reparaturen. Und wenn der Körper dann das benötigte Eiweiß zur Verfügung hat, hält uns das gesund“, so der Experte.
Richtig trinken, richtig bewegen
Ebenso wichtig wie das richtige Essen ist auch das richtige Trinken. Die meisten Menschen vergessen es im Laufe des Tages und trinken einfach zu wenig. „Dabei hängen viele biologische Prozesse maßgeblich davon ab, dass genügend Flüssigkeit zur Verfügung steht. Ein trockener Darm beispielsweise kann die enthaltenen Nährstoffe nicht aus dem Speisebrei lösen und ihn nur schlecht weiter transportieren“, weiß Prof. Dr. Ingo Froböse.
Pro Tag sollten wir je Kilogramm Körpergewicht 30 Milliliter Wasser trinken; das sind bei 60 Kilo also 1,8 Liter und bei 80 Kilo entsprechend 2,4 Liter. Am besten Wasser, ungesüßte Tees, Schorlen ohne Zuckerzusatz. Wer Sport treibt oder an heißen Tagen natürlich mehr. Ratsam sei es auch, biorhythmisch zu trinken, erklärt der Uni-Prof: „Den Großteil seines Tagesbedarfs an Flüssigkeit sollte man in den ersten Stunden des Tages, etwa bis zum Mittag, trinken, weil man erstens über Nacht viel Flüssigkeit verliert, unter anderem durchs Schwitzen, aber auch, weil in den Vormittagsstunden, zweitens, die wichtigsten Reinigungsprozesse des Körpers stattfinden.“






