Ernährungsratgeber

Trotz gesunder Ernährung: Diese sieben Nährstoffe fehlen uns

Fühlen Sie sich erschöpft, obwohl Sie gesund essen? Sind Sie trotz ausreichend Schlaf müde? Haben Sie häufig Infekte? Der Grund könnte ein Nährstoffmangel sein.

Obst und Gemüse ist sehr gesund, reicht aber manchmal nicht fürs Gesundsein.
Obst und Gemüse ist sehr gesund, reicht aber manchmal nicht fürs Gesundsein.dpa

Irgendwie ist es ein bisschen gemein: Wir können noch so gesund leben – aber es reicht kaum je in Gänze, um einen perfekten und gesund funktionierenden Stoffwechsel zu haben. Denn viele Nährstoffe, die unser Körper in Stresszeiten oder beim Älterwerden braucht, können wir entweder nicht in ausreichender Menge zu uns nehmen oder sie werden nicht optimal verstoffwechselt. Die Folge: latente oder sehr manifeste Nährstoff-Mangelzustände. Ein paar davon sind je nach Lebensweise und Genetik individuell verschieden, andere betreffen uns alle. Einige spüren wir, andere nicht.

Die Charlottenburger Internistin und Buchautorin Dr. Helena Orfanos-Boeckel beschäftigt sich seit Jahren mit der sogenannten orthomolekularen Medizin und hat ein Buch darüber geschrieben. Sie sagt: „Es ist leider unmöglich, allein durch die Ernährung alle Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente so aufzunehmen, dass unser Stoffwechsel optimal versorgt ist. Das lässt sich im Labor nachweisen. Bei einigen bestimmten Nährstoffen kann man aber auch ohne eine ausgefeilte Labordiagnostik mit der Therapie beginnen, weil der Mangel daran in der Bevölkerung einfach flächendeckend ist.“

Die sieben wichtigsten Nährstoffe nennt und erklärt die Medizinerin exklusiv in der Berliner Zeitung. Zu kaufen gibt es diese Nährstoffe rezeptfrei unter anderem in Drogerien, Apotheken oder im Internet.

1. Vitamin C

Dr. Helena Orfanos-Boeckel: Ganz besonders in Stressphasen oder während der Erkältungszeit reicht das berühmte Glas Orangensaft nicht aus, um den Vitamin-C-Spiegel im Blut auf optimale Werte zu bringen. Ein gesunder Mensch, der sich ausgewogen ernährt, hat mit Glück einen Vitamin-C-Spiegel von sechs bis sieben Milligramm pro Deziliter, oft liegt er aber weit darunter. Um robust gegenüber Stress zu sein, könnte man aber sehr gut einen Vitamin-C-Wert im Blut von zehn bis 20 Milligramm pro Deziliter gebrauchen.

In der klassischen Medizin wird Vitamin C, wie auch andere Nährstoffe, im Sinne eines Medikaments, über die Ernährung hinaus nicht genutzt. Dabei ist Vitamin C so wichtig und wird an vielen Stellen im Körper benötigt: Es ist Teil des Kollagens, also unseres Bindegewebes, das unsere Haut polstert. Unsere Knochen und das Immunsystem brauchen Vitamin C, um stabil zu funktionieren. Zudem ist dieses Vitamin ein Antioxidans, das radikale und schädigende Stoffe neutralisiert. Man kann Vitamin C auch mit mehreren 1000 Milligramm täglich nur schwer überdosieren, weil es wasserlöslich ist, und über die Nieren nach getaner Arbeit wieder ausgeschieden wird. Wichtig ist es, dann viel zu trinken.

2. B-Vitamine

Dr. Helena Orfanos-Boeckel: Die Familie der B-Vitamine sind wichtig für die Nerven, und sie kurbeln den Energiestoffwechsel in den Zellen an. Wenn jemand sich also trotz guter Ernährung schlapp und müde fühlt, kann es sehr gut daran liegen, dass der Level der B-Vitamine nicht optimal ist. Ohne B-Vitamine haben wir „gefühlt“ keine Energie. Vor allem Folsäuremangel, also Vitamin B9, ist bei uns sehr häufig, weswegen ja auch allen Frauen Folsäure in oder besser vor einer Schwangerschaft empfohlen wird. Aber brauchen denn nicht auch alle Nicht-Schwangeren Folsäure für ihre tägliche Zellteilung?

Die B-Königin ist das Vitamin B12, das vor allem beispielsweise in Rinderleber steckt. Aber wer isst die heutzutage schon noch? Generell ist Vitamin B12 in größeren Mengen nur in Fleisch enthalten, weshalb vor allem Veganer und Vegetarier oft einen ausgeprägten Mangel haben. Das heißt aber nicht, dass Fleischesser davor geschützt sind! Menschen ab etwa 50 Jahren sind sehr oft von einem B12-Mangel betroffen, weil die Aufnahme im Dünndarm altersgemäß aus verschiedenen Gründen eingeschränkt ist. Zudem können auch Medikamente, wie zum Beispiel das Diabetesmittel Metformin, die Aufnahme von Vitamin B12 einschränken.

Übrigens: Das Vitamin B7, auch als Biotin bekannt, ist unter anderem verantwortlich für schöne Haare und feste Nägel. Täglich ein hoch dosierter Vitamin-B-Komplex, kann gut helfen, dass der Körper in Stresszeiten nicht so empfindlich ist. Auch Menschen, die viel Sport machen und Frauen, die die Pille nehmen, haben einen erhöhten Bedarf an B-Vitaminen. Diese sind – so wie Vitamin C – wasserlöslich und können nicht zu Überdosierungen führen.

3. Vitamin D

Dr. Helena Orfanos-Boeckel: Ganz Deutschland leidet unter einem Vitamin-D-Mangel. Jede und jeder von uns kann die Sonnenstrahlen in Tablettenform ganzjährig gut gebrauchen. Statistisch benötigen die meisten in Deutschland lebenden Menschen mit mittel-heller Haut 2000 bis 4000 Internationale Einheiten, abgekürzt IE, pro Tag. Unser Körper kann Vitamin D zwar mithilfe von UVB-Sonnenlicht selbst in der Haut bilden und zum Teil auch speichern, allerdings braucht es dafür die richtige Sonnenintensität wie auch den richtigen Einfallwinkel der Sonnenstrahlen. Das sind nur wenige Wochen im Jahr, wo alles passt.

Selbst wenn wir in die Sonne gehen, benutzen die meisten von uns aus guten Gründen Sonnenschutzcreme, welche ab einem Lichtschutzfaktor von zehn die Vitamin D-Bildung in der Haut hemmt. Insofern verwundert es nicht, dass wir alle zu wenig Vitamin D zur Verfügung haben. Vitamin D ist jedoch lebenswichtig.

Unser Körper braucht Vitamin D, um sehr viele Gene zu regulieren, das Immunsystem toleranter zu gestalten, den Knochenstoffwechsel zu regulieren und chronischen Krankheiten wie Autoimmunkrankheiten, Osteoporose, Arteriosklerose und Depressionen vorzubeugen. Bei einem ausgeprägten Mangel an Vitamin D ist der Mensch deutlich anfälliger für Infekte. Man kann im Winter eine kleine Dosis Vitamin D, etwa 1000 bis 2000 Einheiten, auch ohne vorherige Labordiagnostik einnehmen, aber besser ist es, seine Werte einmal über eine Blutabnahme bestimmen zu lassen um dann gezielt zusammen mit der Ärztin oder dem Arzt die Vitamin-D-Therapie in Angriff zu nehmen.

Wichtig ist es auch, vor allem eine höherdosierte Therapie mit den sogenannten Vitamin-D-Freunden zu begleiten: Calcium, Magnesium, Bor und Vitamin K2. Bitte nicht einfach so, ohne Laborkontrolle, ohne ärztliche Begleitung, hohe Dosen an Vitamin D einnehmen. Eine gute Vitamin-D-Therapie zu machen, ist anspruchsvoll und erfordert viel Erfahrung.

4. Omega-3-Fettsäuren

Dr. Helena Orfanos-Boeckel: Die essenziellen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA stecken in Fischöl und in den Algen, die die Fische essen. Beim Kauf von Fisch-Öl-Kapseln, bitte auf der Verpackung auf den Anteil von EPA und DHA achten. Nur wenn davon viel drin ist, zugreifen. Empfehlenswert sind täglich mindestens 2000 Milligramm an EPA und DHA, was meist drei bis fünf höherdosierten Kapseln oder auch einem Tee- bis Esslöffel eines guten Omega-3-Öls entspricht.

Wir brauchen diese beiden ungesättigten Fettsäuren unbedingt zum Leben, weil sie Bestandteil einer jeden Zellwand sind. Die Fettsäuren halten die Zellwände elastisch, sodass sie bestimmungsgemäß funktionieren können. Es ist wie bei einem Haus: Wenn Wände und Dach nicht gut gebaut sind, ist alles fragil und anfällig. Besonders relevant ist das für Menschen mit Kinderwunsch: Um die Eizelle zu stärken, braucht es eine optimale Versorgung an EPA und DHA.

Es gibt auch Omega-3-Kapseln in veganer Form aus Algen. Ein wünschenswerter Omega-3-Index in der Zellwand der roten Blutkörperchen – das kann man im Blut messen – liegt bei acht Prozent, wirklich optimal sind über 10 Prozent. Fisch essende Menschen haben mit Glück einen Omega-3-Index von sechs bis sieben Prozent, Veganer ohne Substitution haben oft nur einen Index von drei bis vier Prozent. Das macht den Stoffwechsel sehr empfindlich. Hier gilt demnach absolut das Motto: Klotzen, nicht kleckern. Selbst mehrere Löffel von einem Omega-3-Öl schaden nicht. Wir alle können ein Mehr an EPA und DHA gut gebrauchen.

5. Selen

Dr. Helena Orfanos-Boeckel: In Deutschland haben wir selenarme Böden, was bedeutet, dass unsere Lebensmittel auch selenarm sind. Das ist ein großes Problem, weil eine gute Selenversorgung durch die Nahrung unmöglich ist, zumal die Bodenqualität auch in anderen Ländern, aus denen wir Gemüse, Kartoffeln und Getreide beziehen, nicht unbedingt besser ist. Selen ist ein sehr wichtiges und essenzielles Spurenelement. Wir brauchen nur winzige Mengen, aber wenn es fehlt, ist das für viele lebenswichtige Prozesse im Stoffwechsel katastrophal. Selen braucht es für eine gute Muskelfunktion. Ohne Selen sind die Muskeln und auch das Herz schwach. Es ist wichtig für die Entgiftung unseres Körpers und für die Spermienqualität.

Natürlicherweise finden wir Selen vor allem in Paranüssen. Wer etwa drei pro Tag isst, tut sich damit zwar schon etwas Gutes, aber das reicht nicht, wenn man gestresst, müde, krank oder älter ist. Substituieren sollte man nur mit dem sogenannten Natriumselenit, welches von vielen Anbietern in Tablettenform angeboten wird. Natriumselenit wird wasserlöslich nach getaner Arbeit über den Urin ausgeschieden und kann deswegen auch nicht überdosiert werden. Mit einer täglichen Einnahme von 200 Mikrogramm Natriumselenit kann man schon viel richtig machen. Wichtig: Bitte getrennt von Vitamin C nehmen.

6. Q10

Dr. Helena Orfanos-Boeckel: Das Coenzym Q10 ist ein sehr wichtiges Antioxidans, das hilft, die Zellen gesund und leistungsfähig zu halten. Es ist elementar für den Energiestoffwechsel in den Mitochondrien, die die Kraftwerke der Zellen sind. Natürlicherweise kommt es in Innereien vor, Hühnerherzen beispielsweise. Unser Körper kann Q10 ein bisschen selbst bauen, aber das reicht bei Stress und in Notzeiten bei Weitem nicht aus. Wenn man einen Vergleich ziehen wollte, ist das, als ob man einen einfachen Umhang trägt, obwohl eine Sturmausrüstung angemessen wäre.

Q10, zum Beispiel in Kapselform, kann helfen, wenn wir müde, gestresst oder chronisch krank sind, damit wir uns etwas besser fühlen. Die tägliche Dosis sollte dann schon mindestens 100 Milligramm pro Tag enthalten. Ganz wichtig ist eine begleitende Q10-Therapie, wenn Cholesterinsenker eingenommen werden müssen. Diese hemmen die körpereigene Q10-Herstellung. Mit Q10 kann man im Sinne von Zuviel nichts falsch machen, es gibt mit Einnahmen von beispielsweise zweimal täglich 100 oder 200 Milligramm keine Überdosierungen.

7. Zink

Dr. Helena Orfanos-Boeckel: Für unseren Körper ist Zink superwichtig. Wir brauchen es, um unsere gesamten Schleimhäute, das Immunsystem sowie unsere Haut gesund zu halten. Es schadet nicht, wenn wir jeden Tag 20 bis 25 Milligramm Zink einnehmen, bei einem Infekt können es gerne zweimal täglich 20 Milligramm sein. Manche Menschen brauchen genetisch bedingt allerdings für eine optimale zelluläre Versorgung bis zu 200 Milligramm Zink täglich. Wie viel die oder der Einzelne wirklich täglich braucht, lässt sich nur über eine Bestimmung von Zink im Blut herausfinden.

Einen Zinkmangel merkt man, wenn man beispielsweise weiße Flecken an den Fingernägeln hat oder häufig erkältet ist, aber auch, wenn man Cellulite hat, obwohl man eigentlich schlank ist. Ebenso können Probleme mit den Haaren oder eine erhöhte Stressempfindlichkeit ein Hinweis auf Zinkmangel sein. Mehrere Hundert Enzyme brauchen Zink als Cofaktor, damit sie richtig für den Stoffwechsel arbeiten können. Fehlt Zink, stocken diese Prozesse und lassen uns erst empfindlich, dann mit höherer Wahrscheinlichkeit auch krank werden.

Dr. Helena Orfanos-Boeckel: „Nährstoff-Therapie. Orthomolekulare Medizin & Bioidentische Hormone: Mangel ausgleichen, Beschwerden lindern, Alterungsprozesse aufhalten“, Trias-Verlag, 352 Seiten, ca. 25 Euro.