Es heißt, man sei immer so alt wie man sich fühlt. Und ein bisschen stimmt das sogar. Denn unabhängig vom tatsächlichen Alter, das uns seit unserer Geburt begleitet, bestimmen verschiedene körperliche Prozesse, wie jung und fit – oder alt und gebrechlich – wir wirklich sind. Das Tolle daran: Wir müssen das Altern nicht einfach so hinnehmen, sondern können aktiv etwas dafür tun, damit unser Körper länger jugendlich bleibt.
Aktiv bedeutet allerdings auch genau das: Sie müssen aktiv bleiben oder werden. Wenn Sie der Natur ihren Lauf lassen, altern Sie schneller. „Das ist der evolutionäre Lauf der Dinge“, sagt Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. Ingo Froböse, der an der Sporthochschule Köln lehrt und Experte für Prävention sowie Rehabilitation ist. „Der Körper ist ein ganz effektives System, das jene Strukturen entsorgt oder ersetzt, die nicht mehr benötigt werden.“ Und das funktioniert auf verschiedenen Ebenen: Sofern Sie Ihre Muskeln nicht mehr stark beanspruchen, also Sport treiben, baut der Körper sie ab. Andererseits ersetzt er jene Zellen, die ihr Alter erreicht haben, durch neue, frische, juvenile Zellen. An beiden Stellschrauben können Sie drehen und die Zeit des Alterns verlangsamen.
Der Zelltod
„Jede Sekunde sterben in uns 50.000 Zellen“, weiß Prof. Dr. Ingo Froböse. „Aber das ist gut, denn so wird der Körper dazu angeregt, wieder neue Zellen aufzubauen. Nur so ist es möglich, dass wir drei Mal pro Jahr eine Blutwäsche bekommen, ohne es zu merken. Und das hält uns jung, denn die neu gebildeten Zellen sind ja eben nicht so alt wie andere Teile unseres Körpers. Und weil sie so jung sind, sind sie auch leistungsfähiger.“ Heißt in diesem Beispiel: Nährstoffe können über das Blut besser in die Zellen transportiert werden, der Sauerstoffaustausch klappt besser. Wären die Blutkörperchen einfach vor sich hin altern, könnten sie nicht mehr so viel leisten.
So in etwa ist es bei unseren Augen, dem Hör- und Gleichgewichtssinn: „Die Sensorik regeneriert sich nicht“, sagt der Experte. „Die Natur hat ein Interesse daran, den Körper überlebensfähig zu halten. Dazu brauchen wir vor allem Muskeln, das Gehirn, Lungen sowie das Verdauungssystem. Hören, Sehen und Gleichgewicht sind nicht absolut überlebenswichtig, weshalb der Körper seine Energie darauf verwendet, die wirklich wichtigen Prozesse am Laufen zu halten.“ Aber auch unser Herzmuskel ist nicht der größte Erneuerer in unserem Körper. „Pro Jahr regenerieren sich nur zwei Prozent der Herzmuskelzellen, was heißt: Unser Herz altert nahezu dem Lebensalter entsprechend“, so Prof. Dr. Ingo Froböse. „Offensichtlich liegt hier genetisch eine Limitation der Teilung vor, weil die Evolution nicht davon ausging, dass unsere Herzen so lange arbeiten müssen.“
Wie lange unsere Zellen leben und in welchem Tempo sie sich erneuern, listet der Wissenschaftler in seinem neuen Buch* auf: Dünndarmzellen alle zwei Tage, Magenschleimhaut alle sieben Tage, Lippenzellen alle 14 Tage, die Haut alle drei bis fünf Wochen, die Muskeln alle 12 Jahre und die Knochen alle 15 Jahre. Die weißen Blutkörperchen, die für die Abwehr von Krankheitserregern zuständig sind, erneuern sich alle paar Tage. Die roten hingegen, die den Sauerstoff transportieren, werden etwa alle drei Monate erneuert. Innerlich bleiben wir alle also irgendwie Kind!
Der zugrunde liegende Vorgang heißt Mitose. Zellteilung: Aus einer Zelle werden zwei. Das kennt man aus dem Bio-Unterricht. Die Mitose läuft vor allem bei Kindern auf Hochtouren, weil sie ja wachsen – und damit das vorwärts geht, müssen viele Zellen sich teilen. Darum funktioniert bei Kindern auch die Wundheilung schneller, zum Beispiel, und darum ist ihre Haut weicher. Bei uns Erwachsenen dient die Mitose aber der Aufrechterhaltung aller Funktionen. „Die Zellteilung ist einer der wichtigsten Prozesse für die Gesundheit eines Menschen“, sagt Prof. Dr. Ingo Froböse. „Diese fortwährenden Reparaturprozesse halten uns funktionsfähig und jung. Theoretisch könnten wir 120 Jahre alt werden, so der aktuelle Forschungsstand.“
Das Problem: „Bei der Zellteilung können sich Kopierfehler einschleichen“, so der Gesundheitswissenschaftler. „Die Mitose ist ein beeindruckendes genetisches Programm, was ohne großes Zutun in uns abläuft, aber es funktioniert eben nicht immer fehlerfrei.“ In der Regel bekämpft der Körper selbstständig nicht funktionstüchtige Zellen. Das gilt auch, wenn die Zelle aufgrund eines nicht gut funktionierenden Stoffwechsels vergiftet ist oder zu wenig Nährstoffe bekommt, zum Beispiel. „In solch einem Fall begeht die Zelle sozusagen Selbstmord. Sie leitet ein Notfallprogramm ein, sodass das Immunsystem tätig wird und die Zelle entsorgt“, sagt Prof. Dr. Ingo Froböse. „Und das hält uns nicht nur gesund, sondern eben auch jung. Je weniger Abfallprodukte wir in uns haben, desto leistungsfähiger sind wir.“
Der Vorgang dieses programmierten Zelltodes nennt sich Apoptose. Der Begriff umschreibt sowohl das natürliche Ersetzen alter, nicht mehr funktionierender Zellen, wie auch das Entsorgen von kranken Zellen. Das ist etwa bei einer Schürfwunde der Fall. Hier werden Zellen mechanisch zerstört. Das verletzte Gewebe wird abgebaut und durch neues ersetzt.
Im Gegensatz dazu gibt es die Nekrose. „Wenn Zellen zu wenig Sauerstoff bekommen, führt das dazu, dass die biochemischen Prozesse der Regeneration nicht mehr erfolgen können. Dann gehen diese Zellen zielgerichtet mit Hilfe des Immunsystems zugrunde“, fasst Prof. Dr. Ingo Froböse zusammen. Ein Beispiel: Wer viel am Computer sitzt, hat die Arme und Hände viel oben. Durch diese teils stundenlange Haltung kontrahieren die Muskeln, es wird ein Druck aufgebaut, die Blutbahnen werden verengt, und in der Folge kommt weniger Sauerstoff in den Zellen an. „Dann werden jene Zellen, die Sauerstoff brauchen, abgebaut und durch Bindegewebe ersetzt, was kaum Sauerstoff braucht“, so der Experte. „Man merkt das dann an kleinen Knötchen im Schulter-Nacken-Bereich. Das sind kleine Bindegewebseinlagerungen, die eine aktive Muskelzellstruktur ersetzt haben.“
Bei Büromenschen sei das ein Klassiker, so Froböse. Physiotherapeutinnen oder Masseure können Linderung verschaffen. Was aber wirklich hilft: Häufiger die Arme hängen lassen. Und aktiv gegen die Verspannung vorzugehen, indem man zunächst die Muskulatur ganz bewusst anspannt – in diesem Fall: Die Schultern hoch zu den Ohren zieht. Fünf Sekunden halten, dann lösen. Wiederholen Sie das drei Mal, am besten mehrfach pro Tag. Damit haben Sie Ihrem Körper und Ihrem internen Jungbrunnen schon einen großen Dienst erwiesen. Das bewusste Anspannen und Loslassen nennt sich Progressive Muskelrelaxation (PMR) und kann für alle Muskelgruppen angewandt werden. Es hilft Stress abzubauen und die Muskulatur geschmeidig zu halten, Verspannungen zu beseitigen, ausgeglichener zu sein.
Neben Apoptose und Nekrose gibt es noch einen weiteren Zelltod-Vorgang: Die Autophagie, auch als körpereigene Müllabfuhr bekannt. Die findet vor allem im Darm statt, aber im Prinzip hat jede Körperzelle ihre eigene Form der Reinigung, also der Autophagie. „Ganz besonders die Muskelzellen“, weiß Prof. Dr. Ingo Froböse. „Die arbeiten ja wahnsinnig viel. Und dadurch entstehen viele Abfallprodukte, die dann auch beseitigt werden müssen.“
Was kann ich tun, damit mein Körper jung bleibt?
Essen Sie Weizenkeime! „Sie enthalten das Enzym Spermidin, was dafür sorgt, dass die Zellteilung deutlich länger möglich ist“, erklärt Prof. Dr. Ingo Froböse. Täglich zwei Esslöffel, beispielsweise im Müsli verrührt, reichen aus, um die Erneuerungsprozesse im Körper positiv zu beeinflussen. „Außerdem braucht der Körper proteinreiche Nahrung. Proteine sind Eiweiße, die wiederum aus verschiedenen Aminosäuren bestehen. Genau wie unser Körper. Aminosäuren sind unser Baustoff, sie sind elementar für alle Stoffwechselprozesse“, so der Wissenschaftler weiter. Eine optimale Eiweißversorgung ist also wichtig, um das Erneuern der Zellen auf hohem Niveau zu halten. Logisch: Wenn der Baustoff fehlt, kann nicht ordentlich weiter gearbeitet werden.
Als Erwachsener braucht man täglich 1 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht, ab etwa 50 Jahren sogar 1,2 Gramm. „Und das sollte man nicht dem Zufall überlassen“, warnt Prof. Dr. Ingo Froböse. „Essen Sie über den Tag verteilt mehrmals bewusst Eiweiße, zum Frühstück beispielsweise 40 Gramm Magerquark. Für Veganer eignet sich Edamame aus der Sojabohne hervorragend.“ Ein gutes Abendessen sind Kartoffeln mit Spinat und Ei. „Vor allem abends sollten Sie auf eine hochwertige Proteinzufuhr achten, weil zwischen 22 und 2 Uhr wichtige Regenerationsprozesse stattfinden, wofür Aminosäuren dringend benötigt werden“, so der Uni-Prof.
Und natürlich sollten Sie auch gezielt auf einen aktiven Lebensstil achten, Sport treiben. „Wer schnell alt wird, hat entweder nicht auf ausreichend gute Ernährung geachtet oder aber seinen Körper stark unterfordert, sowohl kognitiv als auch physisch“, sagt der Wissenschaftler. „Im schlimmsten Fall sogar beides. Vor allem die Unterforderung, der Bewegungsmangel, sorgt dafür, dass Zellen zugrunde gehen.“ Daher sollte man körperliche Ertüchtigung als aktive Investition ins Jungbleiben betrachten. „Bewegung ist ein Lebensmittel. Der dadurch provozierte Stress leitet Wachstumsprozesse ein, die wiederum zur Regeneration führen.“
Ganz konkret: Wenn Sie untrainiert sind, gehen Sie stramm spazieren. Ansonsten setzen Sie auf gezieltes Training, fordern Sie Ihren Körper. Sie müssen außer Puste kommen, es muss anstrengend sein. So wird die Muskelmasse stimuliert, die ihrerseits die Vorgänge der Zellerneuerung in Gang setzt. Sie brauchen keinen Leistungssport zu betreiben, aber mindestens drei Mal pro Woche sollten Sie bewusst und gezielt in Ihren Jungbrunnen investieren.






