Wenn die Tage kürzer und kälter werden, wenn wir seltener und weniger lang draußen sind, breitet sich in uns oft ein Gefühl von Müdigkeit aus, von Erschöpfung und Abgeschlagenheit. Alles scheint schwer, man kommt kaum aus dem Bett, fühlt sich wie unter einer Glocke, kommt kaum in die Gänge. Kennen Sie das?
Möglicherweise leiden Sie unter Herbstblues – ein Phänomen, das es tatsächlich gibt und eben nicht bloße Einbildung ist, wie die Psychologin Claudine Dahm von der Entspannungs-App 7Mind weiß: „Wenn Sie das fühlen, ist es real. Das sollte man nicht kleinreden oder wegdiskutieren. Die Herbstdepression ist ebenso wie die Winterdepression in der Medizin als saisonale Erkrankung anerkannt.“
Warum schlägt uns die dunkle Jahreszeit aufs Gemüt?
UV-Licht ist an der Ausschüttung von Schlaf- und Wachhormonen beteiligt, steuert also somit auch, ob wir uns fit oder müde fühlen. Wenn wir nun im Herbst und im Winter seltener draußen sind und die Lichtintensität naturgemäß abnimmt, kann es sein, dass die Hormonregulation nicht mehr so optimal funktioniert. Das ist jedoch von Mensch zu Mensch verschieden.
Es kann auch sein, dass uns das Wetter als solches zu schaffen macht. Wenn es viel regnet, bewerten wir das in der Regel schlechter, als wenn draußen die Sonne scheint.
Woher weiß ich, ob ich eine Herbst- oder Winterdepression habe?
Die typischen Herbstblues-Symptome sind Antriebslosigkeit, Gereiztheit, Konzentrationsschwierigkeiten, Heißhunger sowie Müdigkeit trotz ausreichend langer Nachtschlafphasen. Je nach Zeitpunkt des Auftretens sprechen Fachleute dann von einer Herbst- oder Winterdepression.
Beginnen kann es jederzeit im Laufe eines Lebens, und ebenso während der dunklen Jahreszeit, vor allem dann, wenn der Sommer als besonders schön und leicht oder als außergewöhnlich ereignisreich oder entspannt empfunden wurde. Dann fällt man quasi in ein Loch.
Was ist der Unterschied zwischen Herbstblues und klassischer Depression?
„Der Herbstblues ist eine saisonal abhängige Depression“, sagt die Psychologin. Anders als eine nicht-saisonale Depression, die einen jederzeit ereilen kann. Um eine Herbst- oder Winterdepression zu diagnostizieren, müssen folgende Kriterien erfüllt sein, wie die Expertin erklärt: „Die Beschwerden werden im Herbst oder Winter bemerkt, die Symptome dauern mindestens zwei Wochen am Stück und müssen in zwei aufeinander folgenden Jahren auftreten.“
Bei einer klassischen Depression leiden Betroffene häufig auch unter Ein- und Durchschlafstörungen, viele haben weniger Appetit. Diese Symptome sind bei einer saisonalen Depression eher selten. „Außerdem sind die Beschwerden beim Herbstblues weniger ausgeprägt als bei einer nicht-saisonalen Depression“, so Claudine Dahm.
Wann sollte ich mit Herbstblues zum Arzt gehen?
Sobald Sie feststellen, dass die Beschwerden Ihren Alltag beeinflussen, sollten Sie darüber nachdenken, ärztlichen Rat einzuholen. Erster Ansprechpartner sollte Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin sein.
„Nehmen Sie es ernst, wenn Sie merken, dass es Ihnen nicht gut geht“, rät die 7Mind-Fachfrau. „Es ist wichtig, dass körperliche Ursachen ausgeschlossen werden und geklärt wird, welche Therapieform für Sie die richtige ist, damit es Ihnen bald wieder gut geht.“ Sofern es tatsächlich eine Herbst- oder Winterdepression ist, können Sie davon ausgehen, dass die Symptome spätestens im Frühjahr, wenn die Tage wieder länger werden, von selbst verschwinden.
Medikamente sind nicht zwingend nötig bei einer saisonalen Depression. Je nach Schwere beziehungsweise Ihrem Empfinden kann der Arzt oder die Ärztin aber doch entscheiden, dass Sie für einen begrenzten Zeitraum medikamentöse Unterstützung brauchen. Auch der Besuch bei einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin kann sinnvoll sein.
Was kann ich zu Hause tun, damit es mir besser geht?
Auch wenn es schwer fällt: Gehen Sie vor die Tür. „Es ist wichtig, das vorhandene Tageslicht zu nutzen, weil sich so die Symptome lindern lassen“, sagt Claudine Dahm. „Versuchen Sie, so oft wie möglich draußen zu sein, solange es noch hell ist. Vielleicht schaffen Sie es ja, einen Mittagsspaziergang in Ihren Tag zu integrieren.“
Sport im Freien wäre noch besser. Aber so oder so: „Bewegung an der frischen Luft steigert das Wohlempfinden und wirkt stimmungsaufhellend“, verspricht die Expertin.
Falls es Ihnen dafür an Zeit und Möglichkeiten mangelt, können Sie sich auch möglichst oft ans Fenster setzen oder gar Ihren Schreibtisch dort platzieren. Alternativ könnten Sie sich eine UV-Lampe besorgen und sie in den Vormittagsstunden für etwa eine halbe Stunde anstellen. „Eine Tageslichtlampe gilt als wirksame Methode für eine Verbesserung der Stimmung“, weiß Claudine Dahm. „Studien haben gezeigt, dass eine Verbesserung schon nach einer Woche möglich ist.“
Schummriges Licht am Tage sollten Sie derzeit eher vermeiden; abends zum Runterkommen ist es allerdings gut und sinnvoll. Darüber hinaus sei es gut, sich „Strategien zu überlegen, um für Entspannung zu sorgen“, so Claudine Dahm. „Das können Achtsamkeitsübungen sein, Yoga, Meditation, was immer Ihnen guttut. Wichtig ist, dass Sie sich wirklich Zeit für sich nehmen, ganz bewusst und ohne Ablenkung.“
Wer sich regelmäßig mithilfe solch spezieller Praktiken entspannt, ist nachweislich weniger gestresst und geht mental gesünder durchs Leben. In der 7Mind-App gibt es verschiedene Anleitungen für Entspannungstechniken, kostenpflichtige Präventionskurse werden von den Kassen übernommen.
Aber auch ohne derlei Übungen können Sie für einen Ausgleich im Alltag sorgen: Treffen Sie Freunde, gehen Sie ins Kino oder probieren Sie ein neues Hobby aus. Waren Sie schon mal bouldern oder hochseilklettern? Wie wäre es mit Minigolf? Oder einer Partie Bowling? „Sie können aber auch einfach nur ein warmes Bad nehmen oder ein gutes Buch lesen“, so die Psychologin.
Gerade bei Depressionen sind diese Tipps natürlich nur eine Ergänzung zu einem ärztlichen Gespräch. Menschen, die starke Ängste, eine depressive Stimmung, anhaltende Schlafstörungen oder andere Symptome bei sich beobachten, sollten sich professionellen Rat suchen.
Und zu guter Letzt: „Versuchen Sie es mal mit einem Perspektivwechsel und probieren Sie, der dunklen Jahreszeit etwas Positives abzugewinnen“, empfiehlt Claudine Dahm. Das Tanzen der herabfallenden Laubblätter im Wind, deren Farbnuancen, der Geruch von Kastanien und ihr satter Glanz. „Oder Sie erfreuen sich an einem guten Tee bei Kerzenschein. Sie könnten solch eine kleine Auszeit auch für eine kurze Achtsamkeitsübung nutzen, um den Kopf frei zu bekommen“, schlägt die Expertin vor.
Egal, ob es nun beim Tee auf dem Sofa ist, beim Spaziergang oder in der Schlange vor der Supermarktkasse: Nehmen Sie einmal ganz bewusst alles wahr, was um Sie herum geschieht. Wie ist das Licht? Welche Gerüche kann ich wahrnehmen? Worauf stehe ich? Bis wohin kann ich den Blick schweifen lassen? Habe ich irgendwelche Verspannungen, sind Schultern, Kiefer, Stirn locker?






