Energie

Wirtschaftsministerium: Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke nicht empfohlen

Anlässlich der Abhängigkeit von russischem Gas und der hohen Preise ruft Bayerns Ministerpräsident Markus Söder wieder nach der Atomkraft. Warum das nicht geht.

Das Kernkraftwerk Isar 2 im Landkreis Landshut ist das letzte in Bayern, das noch nicht vom Netz gegangen ist.
Das Kernkraftwerk Isar 2 im Landkreis Landshut ist das letzte in Bayern, das noch nicht vom Netz gegangen ist.Armin Weigel/dpa

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) steht vor einem Festzelt in Berching in der Oberpfalz, als er wieder mal auf den Atomausstieg zu sprechen kommt. PreussenElektra, der Betreiber des niederbayerischen Atomkraftwerks Isar 2, hatte zuvor signalisiert, dass die alten Brennelemente noch für eine kurze Laufzeitverlängerung bis März nächsten Jahres ausreichen würden, wenn man die Leistung des Atomreaktors drosselt. Isar 2 soll Ende des Jahres abgeschaltet werden.

Um eine echte Abkehr vom Atomausstieg geht es Markus Söder offenbar nicht. Er sorgt allerdings für Verwirrung mit seinen Äußerungen. „Es ist ein klares Signal, dass Kernkraft weiterlaufen kann“, sagt Söder zum Beispiel, „zur Überbrückung, bis alle Heimatenergien erfolgreich sind“ –  so nennt er die erneuerbaren Energien. Ihm geht es um drei bis vier Jahre und er nennt den Atomstrom billig und bezahlbar. Das jedoch ist eine steile These.

Der Atomausstieg ist fast abgeschlossen

Die Atomkraft ist in Deutschland so gut wie erledigt. Der Atomausstieg ist nahezu abgeschlossen. Das bedeutet aber nicht, dass man das Thema nicht politisch benutzen könnte in einer Zeit, in der die Versorgungslage ungewiss und die Preise hoch sind. Fakten stören da nur. Zur Erinnerung seien sie deshalb hier noch einmal vorgetragen.

Die Bundesregierung hat den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken aufgrund des Ukraine-Kriegs gerade geprüft. Aktuell sind in Deutschland noch die Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 in Betrieb mit insgesamt 4300 Megawatt Leistung. Ende vergangenen Jahres wurden die Werke Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C abgeschaltet.

Für die abgeschalteten Anlagen ist die Betriebsberechtigung erloschen. Das Bundeswirtschaftsministerium teilt mit, für einen erneuten Betrieb müsse eine Laufzeitverlängerung gesetzlich geregelt werden. „Diese Entscheidungen des Gesetzgebers kämen einer Neugenehmigung gleich“, so das Ministerium – einschließlich Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung. Dabei müsse nachgewiesen werden, dass die Auswirkungen von Kernschmelzunfällen auf das Anlagengelände begrenzt werden können  – und das sei durch Nachrüstungen nicht zu erreichen. Es sei also sehr wahrscheinlich, dass eine trotzdem erteilte Genehmigung bereits im Eilverfahren vom Bundesverfassungsgericht gekippt würde.

Ähnliches gilt für die zum Jahresende außer Betrieb gehenden Kernkraftwerke. Sie „können auf Basis des geltenden Atomgesetzes nicht über diesen Zeitraum hinaus betrieben werden. Auch hier wäre eine Änderung des Atomgesetzes notwendig“, teilt das Ministerium mit. Eine solche Laufzeitverlängerung erfordere „eine neue, umfassende Risiko- und Güterabwägung des Gesetzgebers.“

Zum einen müsse die veränderte Lage für die Versorgung Deutschlands mit Energie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine berücksichtigt werden. Einfließen müssten zum anderen aber auch neue Risiken wie der Beschuss des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja Anfang März durch die russische Armee, so das Ministerium.

Es gibt auch technische Argumente gegen einen Weiterbetrieb. Die drei Anlagen, die aktuell noch laufen, sind sicherheitstechnisch zwar auf hohem Niveau. „Allerdings gab es mit Blick auf das Betriebsende zu Ende 2022 eine gesetzliche Ausnahme von einer wesentlichen Überprüfungspflicht“, heißt es im Prüfbericht anlässlich des Ukraine-Kriegs. Sie hätte eigentlich 2019 vorgelegt werden müssen. Die letzte Sicherheitsüberprüfung werde bei Weiterbetrieb 13 Jahre alt sein. Störfallszenarien entsprächen nicht den aktuellen Regeln. Fazit: Ein Weiterbetrieb sei nur sinnvoll, wenn auf Sicherheitsprüfungen weitgehend verzichtet würde.

Die Brennelemente in den Anlagen sind weitgehend aufgebraucht. Die Beschaffung, Herstellung und atomrechtliche Freigabe zur Herstellung neuer Brennelemente für einen funktionsfähigen Reaktorkern dauere im Regelfall eineinhalb bis zwei Jahre. „Selbst bei sofortiger Bestellung und beschleunigter Abwicklung ist mit einer Nutzung nicht vor Herbst 2023 zu rechnen“, so das Ministerium. Durch Absenken der Kühlmitteltemperatur oder Abschalten im Sommer könne der Betrieb maximal bis zu 80 Tage verlängert werden.

Komponenten kommen aus Russland

Allerdings fehlen trotzdem Ersatzteile. Manche Bauteile seien in der Vergangenheit eigens für die Anlagen hergestellt worden, die Hersteller hätten mittlerweile „das wirtschaftliche Interesse verloren“. Aufgrund des Embargos könnten sich weitere Probleme ergeben, weil Komponenten aus Russland stammen.

Auch das Personal ist im Auslaufbetrieb. Bei Verlängerung müssten Altersteilzeitverträge zurückgenommen und neues Personal – etwa Reaktorfahrer – rekrutiert werden. Im Hinblick auf die Kosten gibt es einige Unklarheiten, etwa welche Versicherungen zu welchen Konditionen abgeschlossen werden könnten.

Die Betreiber der Kernkraftwerke hatten einen Weiterbetrieb bereits abgelehnt. Eine andere Entscheidung des Staates hielten sie nur bei einer Perspektive von drei bis fünf Jahren für sinnvoll. Die Bundesregierung solle dann in die Rolle des Eigentümers schlüpfen und für Investitionen, Kosten, Verfahren und sicherheitstechnische Genehmigungen volle Verantwortung übernehmen.

Für das Bundeswirtschaftsministerium kommt das nicht infrage. „Im Ergebnis einer Abwägung von Nutzen und Risiken ist eine Laufzeitverlängerung der drei noch bestehenden Atomkraftwerke auch angesichts der aktuellen Gas-Krise nicht zu empfehlen“, teilte das Ministerium mit.