Der Krieg im Gazastreifen dauert nun bereits weit länger als ein Jahr, aber ein Gerichtsurteil darüber, ob – geschweige denn, dass – Israel dort einen Völkermord begeht, gibt es immer noch nicht. Das ist enttäuschend für alle, die mit dem Vorwurf Propaganda machen, „Israel Genocide“-Plakate auf Demonstrationen hochhalten oder, wie Al Jazeera, den „Genozid in Gaza“ am 8. Oktober 2023 beginnen lassen und die Hamas-Geiseln als „captives“, also eine Art Kriegsgefangene bezeichnen. Aber es hat bisher niemanden davon abgehalten, den Völkermord-Vorwurf zu erheben.
Inzwischen ist es allerdings viel wahrscheinlicher geworden, dass Israel früher oder später wegen Völkermordes verurteilt wird – aber nicht wegen der Lobbyarbeit von Menschenrechtsorganisationen, palästinensischen Bürgerinitiativen oder weil neue Beweise für israelische Verbrechen aufgetaucht sind (das ist der Fall, es spielt aber nur eine untergeordnete Rolle), sondern aus einem ebenso paradoxen wie überraschenden Grund: Israel selbst liefert immer mehr Nachweise dafür, und zwar sowohl die Regierung, die eifrig an ihrer eigenen Verurteilung arbeitet, als auch regierungskritische Teile der israelischen Zivilgesellschaft.
Beider Aktivismus hat in den letzten Wochen enorm zur Konsensfindung unter Völkerrechtlern beigetragen, die meinen, ja, was Israel da tut, ist Völkermord. Und das wiederum wird Auswirkungen auf die Bundesrepublik haben – besonders auf die Außenpolitik der neuen Bundesregierung nach den Wahlen. Betrachten wir das alles der Reihe nach.

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