Bundestag

Cum-Ex-Skandal: Der Bundestag bekommt einen neuen Untersuchungsausschuss

Das könnte für Bundeskanzler Olaf Scholz unangenehm werden: Auf Antrag der  CDU/CSU-Fraktion soll vor allem seine Rolle untersucht werden. Die SPD ist empört.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag. Der Debatte am Donnerstag blieb er fern.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag. Der Debatte am Donnerstag blieb er fern.Odd Anderson/AFP

Das ist ein Fest für die Opposition: Zur Prime Time debattiert der Bundestag am Donnerstag über ein Kapitel deutscher Steuerkriminalität, das nun auch für Bundeskanzler Olaf Scholz unangenehm werden könnte. Dabei soll es aber nicht bleiben. Die Unionsfraktion hat einen Antrag auf die Einrichtung eines neuen Bundestags-Untersuchungsausschusses eingereicht. 

Die Fraktion bringt die nötigen 25 Prozent der Abgeordnetenstimmen dafür schon mit den eigenen Parlamentariern auf. In der Debatte sprachen sich aber auch Linke und  AfD für den Untersuchungsausschuss aus.

Für die federführende CDU stieg deren Abgeordneter Mathias Middelberg auch gleich mal aggressiv in die Debatte ein: „Wir hätten uns diesen Ausschuss sparen können, wenn der Bundeskanzler irgendwann mal ehrlich Rede und Antwort gestanden hätte“, sagte er. „Doch wir haben festgestellt, dass es null Kommunikation gab“. Im Gegenteil: „In der Kanzlerbefragung fand Olaf Scholz es cool, dass er um die Fragen herumgeschwurbelt ist.“  Einerseits habe Scholz die Cum-Ex-Kriminalität gegeißelt, dennoch sei Hamburg das einzige von 16 Bundesländern gewesen, das die Steuerschuld nicht zurückforderte. "Dieses Verfahren ist brandaktuell", sagte Middelberg.

Die SPD sieht in dem Untersuchungsausschuss "reine Stimmungsmache gegen den Kanzler" - das sagte der Abgeordnete Michael Schrodi. Der Steuervollzug sei Sache der Länder. In Hamburg gebe es schon seit drei Jahren einen entsprechenden Untersuchungsausschuss - und nur da gehöre er hin. Im übrigen sei dort längst festgestellt worden, dass an den  Vorwürfen nichts dran sei. „Es ist keinerlei finanzieller Schaden entstanden", behauptete er. "Und dennoch will die CDU einen nahezu identischen Untersuchungsausschuss". Das sei auch verfassungsrechtlich bedenklich. 

Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner höhnte über die "Amnesieanfälle" des Kanzlers und sicherte Zustimmung zum CDU-Antrag zu. 

Katherina Beck von der Grünen versicherte, dass ihre Partei immer an Finanzmarkttransparenz interessiert sei. Ihre Partei sei es gewesen, die sich zuerst um die Aufklärung der Cum-Ex-Skandale bemüht habe. Sie verwies auf den früheren Grünen-Abgeordneten Gerhard Schick, der den ersten Cum-Ex-Untersuchungsausschuss im Bundestag – in der Legislaturperiode von 2013 bis 2017 – maßgeblich vorangetrieben habe.

Schick ist mittlerweile aus dem Bundestag ausgeschieden und hat den unabhängigen Verein Finanzwende gegründet. Der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer wies Beck darauf hin, dass Schick den CDU-Antrag begrüße und den Kanzler ebenfalls der Lüge bezichtige. Da sei er nun mal freier als ein Bundestagabgeordnete entgegnete Beck und kritisierte die CDU, dass sie den Blick nur auf den engen Fokus Hamburg und Warburg-Bank richten wolle.

Dazu gebe es in der Hamburger Bürgerschaft aber schon einen Untersuchungsausschuss mit einer fast deckungsgleichen Fragestellung. „Der erwartete inhaltliche Mehrheit ist stark begründungswürdig“, so Beck über den Antrag der Union. Wenn, dann solle man doch den ganzen Komplex untersuchen– inklusive der sogenannten CumCum-Geschäfte, die noch mehr finanziellen Schaden angerichtet hätten. "Wir Grüne wollen sachgerechte Aufklärung", sagte ihr Fraktionskollege Bruno Hönel. Wir beteiligen uns aber nicht an einer parteiorientierten Schlacht."

Der FDP-Abgeordnete Markus Herbrand sagte, der Antrag sei der Versuch wirksamer Oppositionsarbeit: „Die Skandalisierung lange bekannter Sachverhalte soll vor allem medienwirksam ausgeschlachtet werden.“ Es sei das Recht der Opposition das zu tun. „Es ist aber Theater und das auch noch im falschen Schauspielhaus."

Sein FDP-Kollege Maximilian Mordhorst sagte, dass nichts in dem CDU-Antrag einen parlamentarischen Untersuchungsauszug rechtfertige. Dennoch werde seine Fraktion konstruktiv mitarbeiten. An einer Schlammschlacht werde man sich aber nicht beteiligen.

Der Linken-Abgeordnete Christian Görke forderte eine umfassendere Aufklärung des Steuerskandals als die CDU dies beantragt hat. Auch das Agieren des ehemaligen CDU-Finanzministers Schäuble stehe in der Kritik. Scholz wiederum habe seine Erinnerung erst verloren, als die Info über seine Treffen mit dem Miteigentümer der Warburg-Bank bekannt wurde. Der grünen Finanzexpertin und jetzigen Finanzministerin Lisa Paus gehe es nun aber ähnlich.

Sie habe sich bei ihrer Vernehmung in Hamburg auch an viele nicht mehr erinnern können. „Ist diese Scholz-Amnesie ansteckend?“, fragte Görke. Er erwarte, dass sich die Grünen am Reinemachen beteiligen und nicht zum Bodyguard des Kanzlers mutieren. 

Auch der CSU-Abgeordnete Michael Frieser arbeitete sich an den Grünen ab. Er zitiert die Berliner Zeitung aus dem September 2020. Da habe Lisa Paus erklärt, dass es klar sei, dass Olaf Scholz etwas zu verbergen hat. „Es steht ein Elefant im Raum so groß wie die versuchte Steuerhinterziehung", sagte Frieser.

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages soll laut Antrag der CDU vor allem klären, ob Olaf Scholz in seiner Funktion als Hamburger Bürgermeister Einfluss auf die Entscheidungen der Hamburger Finanzbehörden genommen hat. Dabei geht es um gewaltige Steuernachforderungen gegen die private Hamburger Warburg-Bank.

Die Bank war in den Jahren 2009 bis 2011 in illegale Cum-Ex-Geschäfte verwickelt. Sie gehören zum größten Steuerskandal in der deutschen Geschichte. Der Betrug bestand darin, dass der Staat durch Ringkäufe bei Aktiengeschäften in die Irre geführt wurde. So konnten sich die Betrüger – Banken und vermögende Privatleute -Steuern zurückerstatten lassen, die sie niemals entrichtet hatten. Dem Fiskus entgingen so mindestens zehn Milliarden Euro.

Auch die Warburg-Bank sollte deshalb Steuern nachzahlen – in Höhe von mehr als 43 Millionen Euro zuzüglich Zinsen. Doch dann schwenkte die Finanzbehörde um und wollte auf die Forderungen verzichten. „Genau im Zentrum dieses Meinungsumschwunges gab es mindestens zwei Treffen zwischen dem damaligen Ersten Bürgermeister Hamburgs Olaf Scholz und dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden und Miteigentümer der… Bank Christian Olearius sowie mindestens ein von Bürgermeister Olaf Scholz initiiertes Telefonat mit Herrn Olearius“, heißt es in dem CDU-Antrag.

Die Treffen waren erst nach einer Hausdurchsuchung bei Christian Olearius bekanntgeworden, da sie in dessen Tagebüchern verzeichnet waren. Scholz selbst hat bereits mehrfach, aber eher spärlich, dazu Stellung genommen. In einer geheimen Sitzung des Bundestags-Finanzausschusses und bei zwei Vernehmungen vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft berief er sich vor allem auf Erinnerungslücken. Das nehmen ihm selbst politische Freunde nicht ab. Allerdings ist ihm bislang noch keine Lüge nachgewiesen worden.

Nun soll sich der Bundestag um Aufklärung bemühen. Der Antrag der CDU geht jetzt in die zuständigen Ausschüsse. Geplant ist, dass der Untersuchungsausschuss noch vor der Sommerpause konstituiert wird.