Verteidigung

Wagenknecht attackiert Spahn: „Noch mehr Atomwaffen machen unsere Welt nicht sicherer“

Sollte Deutschland eine Führungsrolle für einen europäischen Atomwaffen-Schild übernehmen? Die BSW-Vorsitzende Wagenknecht warnt vor einem „nuklearen Schlagabtausch“.

Atomwaffen für Europa? Wagenknecht warnt vor Missverständnissen in Konflikten.
Atomwaffen für Europa? Wagenknecht warnt vor Missverständnissen in Konflikten.imago/Bernd Elmenthaler

In der Diskussion über einen europäischen Atomwaffen-Schutzschirm ruft die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht zu Zurückhaltung auf. „Die Aufrüstungsdebatte wird immer wahnsinniger“, schrieb Wagenknecht auf der Plattform X. „Noch mehr Atomwaffen machen unsere Welt nicht sicherer, sondern erhöhen die Kriegsgefahr.“ Dies sei nicht zuletzt deshalb der Fall, weil damit die Gefahr wachse, „dass schon ein Missverständnis einen nuklearen Schlagabtausch auslösen kann, der Europa unbewohnbar machen würde“.

Am Wochenende hatte der Vorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), die Debatte angestoßen und auch eine Führungsrolle Deutschlands angeregt. „Ich weiß, welche Abwehrreflexe sich jetzt sofort regen, aber ja: Wir sollten eine Debatte über einen eigenständigen europäischen nuklearen Schutzschirm führen. Und das funktioniert nur mit deutscher Führung“, sagte er der Welt am Sonntag auf die Frage, ob Deutschland Atommacht werden solle. Was konkret er damit meint, bleibt in dem Interview allerdings unklar.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte bereits im Mai angekündigt, mit den europäischen Atommächten Großbritannien und Frankreich Gespräche führen zu wollen über eine gemeinsame atomare Abschreckung – als Ergänzung zum atomaren Schutzschild der USA. Deutschland ist keine Atommacht, stellt aber im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe Kampfflugzeuge bereit, die im Verteidigungsfall mit US-Atombomben bestückt werden könnten, die in Deutschland lagern.

„Aber das reicht auf Dauer nicht“, sagte Spahn. „Wir müssen über eine deutsche oder europäische Teilhabe am Atomwaffen-Arsenal Frankreichs und Großbritanniens reden, möglicherweise auch über eine eigene Teilhabe mit anderen europäischen Staaten. Das wird viel Geld kosten. Aber wer Schutz will, muss ihn eben auch finanzieren.“ Er fügte hinzu: „Wer nicht nuklear abschrecken kann, wird zum Spielball der Weltpolitik.“

Zur Entscheidungshoheit über den Einsatz der Atomwaffen erklärte Spahn: „Frankreich wird uns an seinen roten Knopf, um in Bild zu bleiben, ziemlich sicher nicht ranlassen. Aber für eine europäische Atommacht gäbe es mehrere Ideen, auch wenn manche erst mal verkopft und theoretisch klingen. Zum Beispiel die, dass die Zuständigkeit zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Zufallsprinzip rotiert. Dann bleibt auch ein potenzieller Gegner im Ungewissen.“

Auch aus den Reihen der Linken und SPD kam Kritik am Vorstoß des CDU-Politikers. Spahns Vorstellung eines europäischen Atom-Schutzschirms unter deutscher Führung „grenzt an den bekannten Größenwahn in der deutschen Geschichte“, sagte der Linke-Fraktionschef Sören Pellmann. „An solch unseligen Forderungen ist schon der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gescheitert.“

Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich warf Spahn vor, mit dem Feuer zu spielen, „wenn er europäische, möglicherweise sogar deutsche Atomwaffen fordert“. Die Vorstellung sei „geradezu Ausdruck eines abenteuerlichen, wichtigtuerischen Denkens“, sagte er der Süddeuschen Zeitung.

Wagenknecht griff Spahn persönlich an. „Es ist perfide, dass Jens Spahn auch deshalb eine Atombombendiskussion anzettelt, um von seinem Maskenskandal abzulenken“, schrieb die BSW-Chefin auf X. „Spahn sollte sich beim Steuerzahler entschuldigen und sich aus der Politik zurückziehen.“