Auf einem Sportplatz in einem russischen Gefängnis sind um die 150 Gefangene angetreten. In ihrer dunklen Gefängniskleidung stehen sie in Reih und Glied, in der Mitte ein Mann, der sich als Mitglied der Söldnertruppe Wagner vorstellt. Er wirbt für den Krieg in der Ukraine. Im Hintergrund ist auf einem großen Plakat zu lesen: „Wähle das Leben.“
Trotz einer Wehrpflicht haben Putins Kriegsanwerber große Schwierigkeiten, neue Soldaten aus der russischen Zivilbevölkerung zu rekrutieren, Männer, die an der Front und auf ukrainischem Boden kämpfen sollen. Da eine Generalmobilmachung die Gefahr birgt, dass Putin und sein Machtzirkel politischen und gesellschaftlichen Rückhalt verlieren, greift die militärische Führung stärker auf privates Recruiting zurück.
Unterstützt von Russlands Söldnertruppe Wagner wird seit einigen Wochen in Gefängnissen und Psychiatrien militärischer Seelenfang betrieben. Gesucht werden Männer, die zwischen 22 und 50 Jahre alt sind. Wer jünger ist, braucht eine Einverständniserklärung des Vormunds. Bei Älteren macht man Ausnahmen, wenn die Fitness stimmt. Nach sechs Monaten Kriegseinsatz in der Ukraine soll den Gefangen eine Haftbefreiung winken.
Eine menschenverachtende Motivationsrede
„Der Krieg ist schwierig. Er ist nicht im Entferntesten wie die Kriege in Afghanistan oder Tschetschenien. Aber ich habe zweieinhalbmal so viel Ausrüstung, wie es bei Stalingrad gab.“ So die ersten Sätze des Anwerbers der Söldnertruppe Wagner.
Dann sagt er klarer, was er von den neuen Rekruten erwartet: „Die erste Sünde ist die Desertion. Niemand fällt zurück, niemand zieht sich zurück, niemand kapituliert oder lässt sich gefangen nehmen. Bei Ihrem Training wird Ihnen erzählt, was Sie mit den zwei Granaten zu tun haben, die Sie bei einer Festnahme dabeihaben werden.“ Hier kann man sich nur vorstellen, was damit gemeint ist: Zünden, um sich zu töten – und dabei den Feind mit in den Tod zu reißen.
Er fährt fort: „Die zweite Sünde sind Alkohol und Drogen. Wenn Sie bei uns sechs Monate lang sind, dann sind Sie die ganze Zeit in der Kampfzone.“ Aus seinen Worten kann man schließen, dass die rekrutierten Häftlinge ohne eine militärische Ausbildung direkt ins Kampfgebiet geschickt werden sollen.
Um die Anwesenden weiterhin zu motivieren, erzählt er von den ersten Häftlingsrekruten, die er in den Krieg geschickt hat: „Die ersten Jungs, die wir mitgenommen haben, waren Teil der Offensive auf das Kraftwerk Wuhlehirsk am 1. Juni. Das waren 40 Menschen aus Sankt Petersburg – Rückfällige aus dem Hochsicherheitsgefängnis.“
Söldner über gefallenen Soldaten: Er starb wie ein Held
„Wähle das Leben“, der Satz, der auf dem Plakat im Hintergrund steht, ist eine kurzeitig angelegte Motivation. Denn der Wagner-Söldner erzählt, wie ein 52-Jähriger, der zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt war, mit seinen Knast-Kameraden den „Feind“ überfiel und dabei getötet wurde. „Er starb wie ein Held.“



