Die Talkshow von Sandra Maischberger hatte am späten Dienstagabend ein paar eher unangenehme Wahrheiten für die Deutschen parat. Bis jetzt haben wir es mit der Solidarität für die Ukraine nämlich ganz schön schleifen lassen. Publikumspunkte für die ukrainische Band beim Eurovision Song Contest mögen ja ganz nett sein, das Entscheidende haben wir alle aber bisher vermasselt.
Darauf wies der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller im Gespräch mit der Moderatorin freundlich, aber sehr deutlich hin. Wir Deutschen müssten endlich anfangen mit dem Energiesparen, sonst wird es im Herbst finster aussehen, sagte er. „Die Menschen in Deutschland haben noch nicht begriffen, was passiert ist.“ Seit Kriegsbeginn habe seine Agentur noch keinen Rückgang beim Gasverbrauch in Deutschland feststellen können. Damit müsse man jetzt aber schnellstens beginnen.
Die Bundesnetzagentur ist die Behörde, die in Deutschland festlegt, wer wieviel Strom bekommt. Das ist nur dann von Bedeutung, wenn es zu wenig davon gibt – was aber ziemlich sicher spätestens im Herbst der Fall sein wird, erklärte Müller. Noch ist unklar, ob Putin den Gashahn ganz zudreht, aber ein paar deutschen Gazprom-Firmen hat er das per Dekret schon mal angedroht. Deshalb müssen jetzt im Sommer die Gasspeicher wieder gefüllt werden. Je weniger verbraucht wird, desto besser.
Das haben wir alle natürlich schon öfter gehört, aber mit den Ängsten ist es eben so eine Sache. Dass Putin Deutschland mit taktischen Atomwaffen angreift, scheint vielen von uns die realere Gefahr zu sein, als dass in ein paar Monaten in vielen Unternehmen ganz schnöde die Lichter ausgehen. Dabei ist mit Letzterem durchaus zu rechnen, erklärte Müller mit beängstigend guter Laune. Die Gasspeicher in Deutschland sind derzeit etwa zu 42 Prozent gefüllt und das ist wirklich so wenig, wie es klingt.
Kommt es zu Engpässen, wird zuerst bei den Unternehmen abgedreht. Man habe daher bereits 2500 Firmen angeschrieben, um sie darauf hinzuweisen, erklärte Müller am Dienstagabend. Privathaushalte werden vorrangig beliefert. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass man in Deutschland noch ausgiebig duscht, wenn bei den ersten Branchen Arbeitsplätze wegfallen.
In den Instagram-Videos von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte das mit der Energieversorgung in den letzten Wochen immer viel optimistischer geklungen. Doch auch der hat jetzt eine Interview-Offensive gestartet, in der er eindringlich zum Energiesparen aufruft.
Leider kann man auch nicht damit rechnen, dass der Spuk schnell vorbei geht. Maischbergers zweiter Studiogast war Wolfgang Ischinger, der langjährige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Der beruhigte in Sachen Atomwaffen, erklärte aber, dass er mit einem monatelangen Stellungskrieg in der Ukraine rechnet.
Sicherheitskonferenz: Die letzte Auslandsreise von Wlodomyr Selenskyj vor dem Krieg
Der ukrainische Präsident Wlodomyr Selenskys war im Februar ebenfalls auf der Sicherheitskonferenz in München. Seine letzte Auslandsreise vor der Krieg. Fünf Tage später wurde sein Land überfallen. Er habe das bereits in München geahnt, sagte Ischinger, der zwar nicht mit einem schnellen Kriegsende, aber mit dem Überleben der Ukraine rechnet. Auch den beantragten Nato-Beitritt von Schweden und Finnland feierte der Ex-Botschafter. Dass Schweden seine 200-jährige Neutralität aufgebe, sei ein geopolitisches Erdbeben, so Ischinger, aber auch eine gute Nachricht: „Das stärkt den Norden Europas.“



