Ortstermin mit grünem Minister

Habeck in Schwedt: „Sind Sie sicher, dass Sie deutsche Interessen vertreten?“

Der Wirtschaftsminister hat einen Plan für die von einem Ölembargo bedrohte PCK-Raffinerie. Am Montag stellte er ihn den Beschäftigten vor und traf auf Skepsis.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montagabend auf dem Gelände der Raffinerie PCK in Schwedt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montagabend auf dem Gelände der Raffinerie PCK in Schwedt.imago images

Als er schließlich an der Reihe ist, der Belegschaft Rede und Antwort zu stehen, steigt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kurz entschlossen auf den Tisch, der vor ihm steht. Alle sollen ihn sehen und hören können. Zuvor hatte man noch versucht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schwedter PCK-Raffinerie in der Werkskantine zu versammeln. Doch es sind offenbar fast alle der 1200 Beschäftigten an diesem Montagabend ins Werk gekommen – zu viel für den Innenraum.

Sie alle wollen hören, wie es für ihr Unternehmen in den Zeiten des Krieges und des drohenden Erdölembargos weitergeht. Also wird die Veranstaltung vor den Flachbau mit der gelben Fassade verlegt. Die wenigen Journalisten, die man zugelassen und in einen abgesperrten Bereich verfrachtet hat, werden auf die Terrasse eskortiert. Ähnlich wie Tesla hat auch die PCK-Raffinerie offenbar kein übergroßes Interesse, sich transparent zu geben. Noch am Morgen waren Journalisten, die sich angemeldet hatten, kurzfristig ausgeladen worden. Einigen gelingt es vor Ort, sich noch in die Veranstaltung zu diskutieren.

Raffinerie gehört zu russischem Staatsunternehmen

Die PCK-Raffinerie ist das Sorgenkind der Unternehmen in Deutschland, wenn es um die geplanten Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin geht. Die Raffinerie hängt bisher vollständig am russischen Öl – und sie hat einen russischen Betreiber, den Staatskonzern Rosneft. Der Konzern, dessen Verwaltungsrat Gerhard Schröder (SPD) führt, untersteht dem Kreml. Habeck ist am Montagabend hier, um zu erklären, wie das Schwedter Werk sich von Putin unabhängig machen kann – und wie es weitergeht, wenn es zum Schlimmsten kommt und Putin von sich aus den Gashahn abdreht.

Im Halbkreis stehen die Leute jetzt hinter der Mauer, die die Terrasse vor der Kantine umgibt, die meisten tragen die grün-orange Werkskleidung. Die Stimmung ist nicht unfreundlich, aber ein Heimspiel hat der grüne Minister hier nicht, das wird schnell klar. Er versucht zweigleisig zu fahren: Hoffnung verbreiten und dennoch ehrlich sein. Die gute Nachricht, die Habeck dabei hat: Es gibt einen Plan. Die schlechte: Es ist nicht ausgemacht, wie gut er funktioniert. „Ich will Ihnen nicht den Himmel rosarot anmalen“, sagt er. „Es kann sein, dass es an irgendeiner Stelle hakt, es kann sein, dass irgendwas nicht funktioniert.“ Aber wenn es funktioniert, dann hat das Werk eine Zukunft, mit all seinen Beschäftigten, versichert Habeck.

Erdöl soll auf anderen Wegen nach Schwedt kommen

Das Rettungsszenario hat drei Säulen: Zunächst soll Erdöl aus anderen Ländern per Schiff über Rostock nach Schwedt gebracht werden. Das wird teurer sein als der Betrieb der Pipeline bisher. Daher soll es Finanzhilfen vom Bund geben. Dritte Säule: Es muss eine Treuhandstruktur oder eine andere Möglichkeit geben, den bisherigen Betreiber Rosneft loszuwerden. Das sei schon allein deshalb eine Voraussetzung, weil sonst etwa Polen nicht mit Schwedt ins Geschäft kommen will.

Es ist ein Plan, der bisher erst auf dem Papier steht, gibt Habeck zu. Aber es sei ein guter Plan, der funktionieren könne. „Wenn alles klappt, dann haben Sie eine Jobsicherheit für die nächste Zeit“, versichert Habeck. „Wir brauchen Schwedt.“ Das stimmt. Die Raffinerie in Schwedt versorgt ganz Berlin und Brandenburg mit Benzin und Heizöl. Ein Ölembargo könnte die Energieversorgung gefährden. Das sagt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke einmal mehr an diesem Tag und fordert von der Bundesregierung mehr Unterstützung. Er hat seinen Arbeitsminister mitgebracht, außerdem sind die Uckermärker Landrätin da und die Bürgermeisterin von Schwedt. Sie klatscht bei jeder kritischen Frage, die von den Beschäftigten kommt.

Geschäftsführer möchte „positives Mindset“ sehen

Denn die bleiben skeptisch. Der Geschäftsführer der Raffinerie, Ralf Schairer, versucht gute Stimmung zu machen. „Es geht hier um uns“, sagt er und möchte ein „positives Mindset“ sehen. Man hört ihm an, dass er aus Karlsruhe stammt. Schairer ist erst seit kurzem Geschäftsführer. Die Umstehenden sagen, sie hätten noch keinen genauen Eindruck von ihm. Einen genaueren und auch positiven Eindruck haben dagegen viele von Russland und von Wladimir Putin. Und das sagen sie Habeck auch.

„Warum sollen wir die Beziehungen zu jemandem kappen, der uns in all den Jahrzehnten verlässlich beliefert hat?“, fragt einer zum Embargo: „Können Sie sicher sein, dass Sie da deutsche Interessen vertreten und nicht die amerikanischen?“ Er bekommt viel Applaus. Viele hier sind der Meinung, dass die Druschba-Pipeline, die nach Schwedt führt, von dem Embargo ausgenommen werden muss. Schließlich bekomme Ungarn ja auch Sonderregeln.

Furcht vor der Abwanderung von Fachkräften

Habeck hält dagegen. Wer einen Angriffskrieg relativiere, der relativiere auch die Toten, die er verursache, sagt er. „Gehen Sie nicht so weit in der falsch verstandenen Solidarität mit Putin, indem Sie Geschichte umdeuten.“ Auch er bekommt Beifall. Doch die meisten haben schlicht Angst, dass die Raffinerie demnächst zu wenig Öl bekommt, um wirtschaftlich arbeiten zu können. „Wenn Fachkräfte erst mal abwandern, kommen sie nicht zurück“, sagt eine Frau.

Nach einer Stunde ist das Gespräch mit dem Minister beendet. Es hätte auch „lauter und eierwerferiger“ ausgehen können, sagt Habeck. Er verspricht, in Kontakt mit dem Werk zu bleiben. „Ich würde mich freuen, wenn Sie mich nicht als Feind sehen“, sagt er. Am Ende scheinen also beide Seiten halbwegs zufrieden zu sein.