Umweltkatastrophe

Polens Plan, um eine weitere Umweltkatastrophe in der Oder zu verhindern

Massives Fischsterben schockierte letzten Sommer Deutschland. Umweltschützer warnen vor einer Wiederholung. Polens Umweltministerin hält dagegen. Ein Gastbeitrag.

Archivbild: Helfer beteiligen sich im August 2022 an der Bergung toter Fische aus der Oder.
Archivbild: Helfer beteiligen sich im August 2022 an der Bergung toter Fische aus der Oder.Marcin Bielecki/PAP/dpa

Die Oder ist heute – ein Jahr nach der ökologischen Katastrophe – der am besten untersuchte Fluss Europas. Bei der Sanierung unseres Grenzflusses arbeiten wir neben polnischen und deutschen Fachleuten auch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter anderem aus dem Vereinigten Königreich und den USA zusammen, die nachweislich über Erfahrungen mit der Neutralisierung von Goldalgen verfügen. Es gibt ein permanentes, automatisches und notfallmäßiges Überwachungssystem. Das Verfahren sieht eine Warnstufe und drei Alarmstufen vor. Darüber hinaus stellen wir 14 Millionen PLN für die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt bereit. Der Fluss braucht die Hilfe der Menschen, denn der Klimawandel und die Auswirkungen der hydrologischen Trockenheit stellen weiterhin ein großes Risiko dar, dass die Goldalgenblüte außer Kontrolle gerate.

Die Oder wird beobachtet

Die Goldalge ist eine invasive gebietsfremde Art, die auf Veränderungen in ihrer Umgebung unvorhersehbar reagiert. Obwohl der polnischen Wissenschaft eine bahnbrechende Genotypbestimmung von Prymnesium parvum gelungen ist, reagiert der in der Oder vorkommende Stamm auf bestimmte Umweltreize unter Laborbedingungen anders als in der Natur.

Das von mir geleitete Ministerium für Klima und Umwelt koordiniert die Gegenmaßnahmen der polnischen Regierung. Der aktive Schutz der Oder ist ein wichtiger Bestandteil der deutsch-polnischen Zusammenarbeit. Wie im letzten Jahr vereinbart, tauschen wir uns aktiv über die Situation am Fluss aus. Polen und Deutschland sandten sich gegenseitig Berichte mit den Ergebnissen der auf beiden Seiten der Grenze durchgeführten Untersuchungen zu. Vielen Dank für die anerkennenden Worte des deutschen Expertenteams, das von der Studie beeindruckt war und den polnischen Bericht als äußerst wertvoll bewertete. Ich weiß, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer beiden Länder die Zusammenarbeit bei der Untersuchung der Goldalgen und der Beobachtung der Situation an der Oder intensivieren und Forschungsergebnisse laufend ausgetauscht werden.

Im Gleiwitzer Kanal wurden an der Sławęcice-Schleuse und der Nowa-Wieś-Schleuse unter Laborbedingungen getestete algenhemmende Präparate eingesetzt. Es handelt sich dabei um Präparate, die in anderen Ländern, unter anderem im Vereinigten Königreich und in den USA, verwendet werden, um Goldalgen- oder sonstige Algenblüten zu stoppen. Dies ist die nächste Stufe der Gegenmaßnahmen nach Beendigung von Labortests. An jedem Einsatz des Mittels zur Bekämpfung der Goldalgenblüte waren mehr als hundert Personen beteiligt, darunter Soldaten des Chemischen Dienstes, Feuerwehrleute der staatlichen Feuerwehr sowie Dienststellen der Wojewodschaft und Mitarbeitende der zentralen und der regionalen Umweltschutzaufsichtsbehörden. Die wissenschaftliche Überwachung erfolgte durch das Institut für Umweltschutz PIB in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion für Umweltschutz.

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privat
Zur Person
Anna Moskwa wurde am 27. Mai 1979 in Zamość, Polen, geboren. Sie studierte in Lublin und Warschau Soziologie, Management und Internationale Beziehungen. Seit dem 26. Oktober 2021 ist sie Polens Klima- und Umweltministerin.

Überwachung und Erforschung

Die Situation an der Oder wird laufend überwacht. Vom 26. Juli 2022 bis zum 15. Mai 2023 führte das Hauptforschungslabor der Zentralen Umweltschutzaufsichtsbehörde fast 57.000 einschlägige Analysen durch. Wir betreiben weiterhin ein Dauermonitoring der Gewässer der Oder und des Gleiwitzer Kanals. Die Wasserproben werden auf physikalische und chemische Parameter sowie auf das Vorhandensein der Goldalge untersucht. Sie werden zweimal wöchentlich (montags und donnerstags) an 27 Mess- und Kontrollstellen an der Oder und an neun automatischen Stationen entnommen. Die Messdaten sind verfügbar unter gov.pl/odra/research-odra

Wir führten ein Verfahren mit drei Warnstufen und Handlungsempfehlungen ein. Die an bestimmte Warnstufen geknüpften Handlungsanweisungen sehen drei Reaktionsmodi vor: von der Überwachung bis zu Gegenmaßnahmen bei Algenblüte und Freisetzung von Giften. Wird die potenzielle Gefahr einer toxischen Blüte festgestellt, werden die zentralen und regionalen Dienststellen innerhalb von einer Stunde benachrichtigt, damit Gegenmaßnahmen getroffen werden können.

Wiederherstellung des Ökosystems der Oder

Für die polnische Regierung hat die Vermeidung möglicher künftiger Katastrophen und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Oder samt Erneuerung des Fischbestands absolute Priorität.

Wir mobilisieren Mittel aus regionalen Umweltschutz- und Wasserwirtschaftsfonds (WFOŚiGW) für Maßnahmen zur Wiederherstellung des Ökosystems in allen fünf Wojewodschaften, die einen Anteil an der Oder haben. Für diesen Zweck stehen 14 Millionen PLN zur Verfügung. Das Programm wird bis 2025 realisiert.

Die polnische Regierung beschloss außerdem neue rechtliche Lösungen und stellte 1,2 Milliarden PLN für Investitionen zur Verbesserung der Wasserverhältnisse im Odereinzugsgebiet bereit. Dazu gehören Retentionsmaßnahmen, die die Revitalisierung des Flusses und der von ihm abhängigen Ökosysteme ermöglichen sollen. Verwaltungsverfahren für die Investitionen werden gestrafft, wodurch im Endeffekt ihre Umsetzung beschleunigt wird. Damit werden Investitionen in die Wasser- und Abwasserwirtschaft im Odereinzugsgebiet zusätzlich unterstützt. Die finanziellen Sanktionen für wasserwirtschaftliche Verstöße werden weiter verschärft werden.

All diese praktischen Änderungen werden es uns ermöglichen, besser auf die Auswirkungen des Klimawandels, auf niedrige Wasserstände (auf das sogenannte Niedrigwasser) oder auch auf die hydrologische Trockenheit und die starke Sonnenbestrahlung der Gewässer zu reagieren, die im Jahr 2022 zu einer großflächigen toxischen Goldalgenblüte geführt haben. In laufenden Untersuchungen wurde das Vorkommen der Goldalge in anderen Flüssen bislang nicht bestätigt. Bei der Umsetzung von Rettungsplänen für unseren Grenzfluss hoffen wir auf die Zusammenarbeit mit der deutschen Seite. Ich danke Ihnen für die bisherigen, gemeinsam mit der Bundesregierung unternommenen Schritte.

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