Vor zwei Wochen warf ich den Stabschef des Ostbeauftragten aus der Leitung. Ich legte den Hörer auf, ohne mich zu verabschieden. Das mache ich sonst nur, wenn ich mich mit meiner Mutter streite. Oder mit meinem Mann.
Es fing harmlos an: Eine Kollegin und ich hatten die Idee, Carsten Schneider für ein Streitgespräch mit Dirk Oschmann anzufragen. Schneider ist der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Oschmann Autor des Buches: „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“. Oschmann fordert darin, das Amt des Ostbeauftragten abzuschaffen, Schneiders Amt also. Guter Stoff für ein Streitgespräch, fanden wir.
Oschmann war gleich bereit. Schneider nur über seinen Stabschef zu erreichen. Er werde versuchen, „das im Laufe des Tages zu klären“ und sich dann melden, teilte er mit. Klang gut, fanden wir und schlugen einen Termin vor. Aber dann wurde Herr Schneider krank. Er melde sich so bald wie möglich, schrieb der Stabschef. Wir wünschten gute Besserung.
Der Ostbeauftragte krank, sein Stabschef verschollen
Nach einer Woche erkundigte sich meine Kollegin per Mail, ob es Herrn Schneider schon besser gehe. Es waren noch sechs Tage bis zum Termin. Keine Antwort. Ich versuchte es telefonisch. Eine Assistentin teilte mir mit, der Stabschef sei im Meeting. Zwei Stunden später, als ich noch mal anrief, war er im nächsten Meeting. Ob Herr Schneider denn wieder gesund sei, fragte ich. Das wusste die Assistentin nicht. Ich begann, mir Sorgen zu machen. Der Ostbeauftragte war krank, sein Stabschef verschollen.
Dann kam die Absage. Es habe „zahlreiche Anfragen“ für ein Streitgespräch mit Herrn Oschmann gegeben, schrieb der Stabschef. „Wir haben uns entschieden, nach der Reihenfolge der Anfrage vorzugehen.“ Es tue ihm leid. Wir waren überrascht. Von Dirk Oschmann und Bekannten aus der Journalistenszene, wenn man es mal so nennen will, wussten wir, dass auch die Zeit um ein Streitgespräch gebeten hatte, allerdings erst nach uns. Es musste sich um einen Irrtum handeln. Ich rief den Stabschef an.
Wie Politiker, die etwas verschleiern wollen
Diesmal ging er ans Telefon. Er erklärte mir, die Zeit hätte eher angefragt als wir. Ich sagte, dass das nicht stimme. Er blieb dabei. Ich war empört. Über die Absage und über die Erklärung. Zu den Aufgaben des Ostbeauftragten, das muss man an dieser Stelle vielleicht erwähnen, gehört es, dem Osten eine Stimme zu geben, strukturelle Unterschiede zwischen Ost und West zu beseitigen, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. Und dieser Ostbeauftragte hatte sich nun für ein großes Westmedium entschieden, statt für eine kleine ostdeutsche Zeitung. Und sein Stabschef wollte uns weismachen, wir seien schuld, wir hätten zu spät angefragt.
Ich legte den Hörer auf und rief Dirk Oschmann an, den Buchautor. Er war verwundert über die Absage, er wusste ja, dass wir die Ersten gewesen waren. Er schrieb der Zeit-Redakteurin, bat sie um einen Nachweis dafür, wann sie beim Ostbeauftragten ihr Gespräch angefragt habe. Sie beantwortete ihm die Frage nicht. Oschmann bat sie noch einmal um Auskunft. Wieder umsonst.
So ähnlich reagierte der Stabschef, als ich ihn um einen Nachweis für die „Reihenfolge“ bat. „Aus grundsätzlichen Erwägungen“, erklärte er, könne und werde er „zur Kommunikation mit anderen Medien nichts sagen“. Eine Antwort, die Politiker geben, wenn sie etwas verschleiern wollen. Ich fürchte, wir müssen uns einen anderen Beauftragten suchen.
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