Zum Interviewtermin im Konrad-Adenauer-Haus kommt Christina Stumpp ein bisschen zu spät – die Straßensperren wegen des Staatsbesuchs des israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog haben sie aufgehalten. Die Parteizentrale erreicht sie schließlich mit dem E-Roller.
Frau Stumpp, Sie haben seit dem vergangenen Jahr eine Turbokarriere in der CDU hingelegt. Wie kam das?
Mein Vorgänger im Bundestag hatte relativ überraschend verkündet, dass er nicht mehr antritt. Und ich bin angesprochen worden, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen könnte. Zum Zeitpunkt der Nominierung war schon Juni und ich hatte im Endeffekt dreieinhalb Monate für den Bundestagswahlkampf. Ich war vorher schon lange in der Kommunalpolitik tätig und in meinem Wahlkreis auch gut vernetzt. Aber ich habe es mir trotzdem gut überlegt, ob ich den Schritt in die Bundespolitik überhaupt machen soll.

Die 34-jährige Steuerfachfrau kommt aus Baden-Württemberg und hat das Direktmandat im Wahlkreis Waiblingen gewonnen.
Parteiintern hatte sie sich zuvor gegen zwei männliche Mitbewerber durchgesetzt. Stumpp ist seit 20 Jahren politisch aktiv und Mitglied in der Jungen Union und der Frauenunion. An der Parteispitze soll sie den Einfluss der kommunalen Ebene stärken.
Warum?
Es ist eine große Ehre, aber auch viel Verantwortung, als direkt gewählte Abgeordnete einen Wahlkreis in Berlin vertreten zu dürfen. Deshalb hatte und habe ich Respekt vor dieser Aufgabe. Aber auch die Vereinbarkeit von Familie und Politik hat eine Rolle gespielt: Mein Sohn war damals gerade ein Jahr alt und ich musste mir genau überlegen, wie mein Mann und ich alles unter einen Hut bekommen. Von Waiblingen bis Berlin fährt man sechs Stunden. Zum Glück unterstützt meine Familie uns, wo sie nur kann. Deshalb funktioniert das alles sehr gut, auch mein Sohn kommt mit der Situation bestens klar.
Beim Posten des Generalsekretärs haben Sie Mario Czaja den Vortritt gelassen. Weshalb eigentlich?
Als stellvertretende Generalsekretärin kann ich an der Spitze der Partei mitgestalten, ohne dass dadurch mein Wahlkreis oder meine Familie zu kurz kommen. Da ich neu im Bundestag bin, steht für mich die Parlamentsarbeit im Vordergrund. Zugleich hat es mich aber sehr gereizt, gemeinsam mit Friedrich Merz und Mario Czaja mehr Verantwortung für die Weiterentwicklung unserer Partei zu übernehmen. Wenn wir mehr Frauen und junge Mitglieder gewinnen wollen, müssen wir die CDU von der Basis aus neu aufstellen. Ich bin leidenschaftliche Kommunalpolitikerin und freue mich deshalb sehr darüber, dass ich jetzt als stellvertretende Generalsekretärin unter anderem für dieses Themengebiet zuständig bin.
Die Stellvertretung war also Ihr Vorschlag? Friedrich Merz wollte eigentlich, dass Sie Generalsekretärin werden?
Wir haben gemeinsam überlegt, wie wir uns gemeinsam am besten aufstellen können und kamen auf die Idee, ein Kommunalbüro im Konrad-Adenauer-Haus einzurichten. Ich war sehr gerne bereit, die Leitung zu übernehmen. Die bessere Anbindung der kommunalen Familie an die Parteispitze ist mir ein Herzensanliegen. Ich habe bis vor kurzem noch die klassische Basisarbeit auf kommunaler Ebene gemacht. Auch jetzt bin ich da noch sehr nah dran und ich glaube, dass es uns als Bundespartei guttut, wenn wir eine gute Durchmischung haben – von allen Ebenen, Altersgruppen und Lebenslagen.
Woher kannten Sie sich?
Friedrich Merz und ich sind beide „neu“ in den Bundestag eingezogen – er nach längerer Pause, ich zum ersten Mal. Es gibt da für jeden Jahrgang, der neu in den Bundestag einzieht, eine Gruppe. Wir sind die Gruppe 21 für das Wahljahr 21. Dort haben wir uns intensiv unterhalten und viele gute Gespräche darüber geführt, wo wir unsere Partei in Zukunft sehen. Damals war noch gar nicht klar, dass er erneut als Parteivorsitzender kandidieren wird. Als er ein paar Wochen später noch mal angetreten ist, habe ich mich sehr gefreut. Kurz darauf hat er mich dann gefragt, ob ich in seinem Team mitwirken möchte, um bei der Neuausrichtung der Partei die kommunale Ebene, die Basisarbeit zu verstärken.
Wie darf man sich das vorstellen?
Es geht um eine Erneuerung von unten nach oben. Unser Anliegen ist, die kommunale Ebene innerhalb der Partei besser zu vernetzen und durch konkrete Angebote zu unterstützen. Ich möchte unsere Mitglieder stärker in den Fokus rücken und deswegen werde ich perspektivisch mehr innerhalb der Partei aktiv sein. Ich freue mich, dass es jetzt endlich losgeht.
Sie sagten vorhin, Sie seien angesprochen worden, ob Sie sich vorstellen können, für den Bundestag zu kandidieren. Hätten Sie von selbst nicht den Hut in den Ring geworfen?
Ich habe mich zuvor bei der Nominierung als Kandidatin für die Landtagswahlen aufstellen lassen, zur Kandidatur fehlten mir aber letztendlich nur wenige Stimmen. Aber dadurch ist mein Kreisverband auf mich aufmerksam geworden, ich habe es im zweiten Anlauf noch mal probiert und mich bei der Nominierung sogar gegen zwei Männer durchgesetzt. Im Nachhinein bin ich froh darüber, dass ich nicht aufgegeben habe.
Würden Sie denn von sich sagen, dass Sie im Team mit Friedrich Merz und Mario Czaja eine Quotenfrau sind?
Absolut nicht. Friedrich Merz, Mario Czaja und ich, wir sind uns einig: Mehr Frauen sollen sich durchsetzen und mitgestalten können innerhalb der Partei. Und wie Sie an mir sehen, geht es auch ohne Quote. Auch in Niedersachsen hat die CDU eine paritätische Liste, ohne dass sie dazu verpflichtet wäre. Ich glaube, dass in der Partei schon vieles in Bewegung ist.
Also würden Sie lieber auf eine Frauenquote verzichten?
Die Quote ist immer nur die zweitbeste Lösung. Trotzdem unterstütze ich den Vorschlag von Friedrich Merz und Mario Czaja, befristet eine Quote einzuführen. Dabei allein darf es aber nicht bleiben. Ich möchte, dass wir auch die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Politik stärken. Hierzu planen wir beispielsweise politische Eltern- und Pflegezeiten, feste Anfangs- und Endzeiten von Sitzungen zur besseren Planbarkeit sowie hybride Sitzungen ab der Kreisverbandsebene einzuführen.
Tatsache ist aber, dass es in der CDU sehr viel weniger Frauen gibt, eigentlich auf allen Ebenen. Liegt das an der politischen Kultur in der Partei?
Nein. Das ist leider ein grundsätzliches Problem in der Politik. Mein Eindruck ist, dass Frauen deutlich länger überlegen, ob sie in die Politik gehen oder ein Mandat übernehmen. Ich kenne das aus meiner eigenen Erfahrung: Wenn ich in der Kommunalpolitik 30 Frauen anspreche, überlegen es sich drei und nur eine tritt dann am Schluss an. Frauen sind aber auch oft mehrfach belastet, weil sie berufstätig sind und Kinder haben. Und vielleicht auch noch in die Pflege von Angehörigen eingebunden sind. Viele Männer tun sich da vom Naturell her leichter und halten sich auch öfter für geeignet, politische Ämter zu übernehmen. Deshalb möchte ich die Frauen in der CDU dazu ermutigen, sich mehr zuzutrauen.
Vielleicht, weil die Männer einfach die sogenannte Care-Arbeit nicht als ihre Aufgabe sehen?





