Man könnte viel Kontroverses über Silvio Berlusconi schreiben. Sicher ist jedenfalls, dass wir seine Größe, ja Bedeutung nicht ignorieren können, eine Relevanz, die sich in verschiedenen Aspekten manifestiert hat. Zunächst einmal kann man sagen, dass er der letzte echte politische Anführer in Italien gewesen ist, ein Staatsmann, der die Politik nach dem Zusammenbruch der sogenannten Ersten Republik radikal verändert hat, die jahrzehntelang angeführt wurde durch die italienischen Christdemokraten (Democrazia Cristiana).
In der Tat veränderte sich seit seinem Amtsantritt Ende 1993 alles. Er hat zweifellos einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung der Zweiten Republik Italiens geleistet. Er trat in einem entscheidenden Moment der Geschichte in die Politik ein und bestimmte das Schicksal des Landes.
Berlusconi erkannte seine Chance
Die Democrazia Cristiana, die Partei der Christdemokraten, die das Land seit der Nachkriegszeit ununterbrochen regiert hatte, war am Ende. Und alles deutete damals darauf hin, dass die Kommunisten die Wahlen gewinnen und die Regierung übernehmen würden. Es fehlte ein Anführer, der in der Lage war, die liberalen und gemäßigten Kräfte zu einen.
Berlusconi erkannte seine Chance und beschloss, angesichts der Unentschlossenheit anderer Akteure des gemäßigten Lagers wie Mario Segni, seine „liberale Revolution“ zu starten. Er gründete eine eigene Partei, die zunächst niemand zu würdigen schien und die er als eine Gruppe von Improvisierern bezeichnete, die gegen einen mächtigen und organisierten Apparat, wie es die damalige Kommunistische Partei war, keine Aussicht auf Erfolg zu haben schien. Doch weit gefehlt.
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Berlusconi prägte Italien über 20 Jahre lang
In nur wenigen Wochen gelang es ihm, die Pläne der Linken zu durchkreuzen, indem er alle Wahlprognosen über den Haufen warf, die fröhliche, progressive Maschine unter der Führung des Kommunisten Achille Occhetto besiegte und eine Mitte-rechts-Koalition schmiedete, die unter der Ägide von Forza Italia die Lega Nord im Norden und die rechte Partei MSI (Movimento Sociale Italiano) im Süden vereinte.
Berlusconi gewann mit einer revolutionären Art und Weise, Politik zu machen, die sich auf die Macht des Mediums Fernsehen konzentrierte, sein täglich Brot. Denn in den Jahren zuvor hatte er den größten privaten Fernsehkoloss Italiens aufbauen können: Mediaset. Berlusconis Holding Media For Europe (MEF) besitzt zudem mehr al 25 Prozent der Aktien vom deutschen Privatsender ProSieben.
Die Italiener schenkten ihm ihr Vertrauen, weil sie in ihm den erfolgreichen Unternehmer sahen, der, so wie er die erste private, italienische Fernsehgesellschaft aus dem Nichts auf den Markt gebracht hatte, auch in der Lage sein würde, die Geschicke der Nation zu lenken. Trotz aller Höhen und Tiefen blieb Berlusconi in den nächsten 20 Jahren immer im politischen Betrieb und stieg politisch auf, nachdem er immer wieder für tot und erledigt erklärt worden war. Doch dann brach alles zusammen.
2011 stolperte er über einen Finanzskandal
Gegen Berlusconi wurde eine regelrechte Justiz-Kaskade gestartet, die sich über Jahre hinzog, mit Ermittlungen und Prozessen, die sich auf Anschuldigungen aller Art stützten, von Korruption bis zur Zusammenarbeit mit der Mafia, Vorwürfe, die den Politiker allmählich zermürbten.
Seine Ära endete 2011, als ein Finanzskandal ihn zum Rücktritt zwang. Man nahm ihn aus dem Amt, weil er ein Freund Putins und mit seiner Finanz- und Schuldenpolitik eine öffentliche Gefahr für Europa geworden war. Seitdem ist er nie wieder zu seiner alten Größe zurückgekehrt. Es folgten Jahre, während dessen Berlusconi im Rampenlicht der Medien stand. Insbesondere mit dem sogenannten „Bunga Bunga“ Skandal, der um Partys mit sexuellen Ausschweifungen kreiste. Einige Monate vor seinem Tod wurde er dann vor Gericht endgültig freigesprochen.
Heute müssen Politiker politisch korrekt sein
Prozesse haben ihn geschwächt, eine endgültige Verurteilung wegen Steuerbetrugs hat ihm ebenfalls geschadet. Alle Versuche, aufs politische Spielfeld zurückzukehren (der letzte Versuch fand im vergangenen Jahr statt), sind gescheitert.
Die Forza Italia ist mit ihm untergegangen. Berlusconi hinterlässt keinen Nachfolger. In der Zwischenzeit hat sich die Welt verändert und mit ihr die Politik. Das Fernsehen beeinflusst die Wähler nicht mehr in gleichem Maß, heute ist das Internet bestimmend. Putin ist zum Hauptfeind der westlichen Welt geworden, und wer in der Politik Erfolg haben will, muss sich den Moden anpassen und politisch korrekt sein.
Wird die Geschichte ein objektives Urteil fällen
In dieser neuen Welt wirkt Berlusconi wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dennoch ist er sich selbst treu geblieben. Und es ist vielleicht kein Zufall, dass er der einzige europäische Staatschef ist, der seine Wertschätzung und Freundschaft zu Putin bekräftigt hat, auch heute noch, wo die westlichen Medien Putin als eine Art neuen Diktator bezeichnen.
Aber es besteht kein Zweifel daran, dass Berlusconi Geschichte geschrieben hat und dass Italien dank ihm ein demokratisches Land ist. Wie alle großen Anführer hat er einige wichtige und richtige Entscheidungen getroffen, aber auch viele kolossale Fehler begangen, für die er schließlich bezahlen musste. Letzten Endes, blieb Berlusconis „liberale Revolution“ bloß ein Versprechen. Die Frage ist nun: Wird es der Geschichte gelingen, ein objektives Urteil über ihn zu fällen?



















