Grüne Wahlanalysen

Nach Grünen-Wahlniederlage in Bremen: Warum tritt Bettina Jarasch nicht zurück?

Nach der Bremer Wahlniederlage tritt die dortige Grünen-Spitzenkandidatin zurück. In Berlin bleibt Bettina Jarasch im Sattel. Warum eigentlich? Eine Analyse.

Bettina Jarasch (l.) neben Franziska Giffey einen Tag vor der Berlin-Wahl im Februar
Bettina Jarasch (l.) neben Franziska Giffey einen Tag vor der Berlin-Wahl im FebruarJochen Eckel / imago

Das ging schnell. In Bremen hat Maike Schaefer aus der Niederlage bei der Bürgerschaftswahl die Konsequenzen gezogen und ist zurückgetreten. In Berlin stellt sich immer drängender die Frage: Warum lernen andere nicht daraus?

Die Übereinstimmungen sind augenfällig: Maike Schaefer war zweimal in Folge Spitzenkandidatin in Bremen. Beide Male verfehlte sie deutlich das Ziel, Senatspräsidentin – so heißt in Bremen die Regierende Bürgermeisterin – zu werden. Ja, das 2023er-Ergebnis der Verkehrssenatorin war noch schwächer als ihr vorheriges.

Bettina Jarasch weist die exakt selbe Bilanz auf. Auch sie trat 2021 und 2023 mit dem Ziel an, Regierungschefin zu werden. Es reichte jeweils nicht – und ihr zweites Ergebnis war schlechter als ihr erstes.

Nun können beide Politikerinnen quasi zur Entschuldigung ihrer Wahlniederlagen einen negativen Bundestrend anführen. Wobei der Widerstand gegen die Grünen-Klimapolitik wohl noch nie so scharf war wie dieser Tage die Debatten über Wärmepumpen und Vetternwirtschaft. Dennoch können Schaefer wie auch Jarasch völlig zu Recht sagen: Weniger Gegenwind aus dem Bund hätte in Bremen wie auch in Berlin gutgetan.

Und es gibt noch mindestens eine weitere Parallele: In Bremen schaffte Verkehrssenatorin Maike Schaefer kurz vor der Wahl die Brötchentaste ab, mit der Autofahrer in der Innenstadt einige Minuten kostenlos parken durften – gegen den erklärten Widerstand des SPD-Regierungschefs.

Die Berliner Grünen brachten gefühlt etwa 80 Prozent der Stadt gegen sich auf, als sie einen ziemlich unerheblichen Abschnitt der runtergewirtschafteten Friedrichstraße in Berlins mittigster Mitte für den Autoverkehr sperrten. Verkehrssenatorin Bettina Jarasch ließ es nicht nur geschehen, sie legte sich deswegen auch öffentlich mit ihren Koalitionspartnern von der SPD an.

Dennoch hielt Jarasch bis zum Wahltag und darüber hinaus öffentlich daran fest, die alte Koalition weiterführen zu wollen. Unter eigener Führung, versteht sich. Das Ergebnis: Noch nie in den vergangenen Jahrzehnten war in den Außenbezirken die Ablehnung gegen und das Unverständnis über die Grünen-Verkehrspolitik so heftig wie diesmal.

Das Ende ist bekannt. Alle drei Koalitionsparteien verloren bei der Wahl, die CDU gewann haushoch. Die Sozialdemokraten zogen die Reißleine, verabschiedeten sich von Rot-Grün-Rot, wurden Juniorpartner der CDU. Und die Grünen, die mit der CDU so vielversprechende Sondierungsgespräche hatten, wachten wie aus einem Albtraum in der Opposition auf.

Der entscheidende Unterschied zwischen Jarasch und Schaefer

Man muss kein Grünen-Hasser sein, um festzustellen, dass die Partei ein, na ja, Händchen für ausgesprochen unpopuläre Entscheidungen kurz vor Wahlen hat. Sozusagen die Nach-Nach-Nachfolger des legendären 5-D-Mark-pro-Liter-Benzin-Beschlusses von 1998, der ein paar Monate später fast für das Scheitern an der 5-Prozent-Hürde für den Bundestag gesorgt hätte.

Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Bremen und Berlin, zwischen Maike Schaefer und Bettina Jarasch: Die Bremerin will dem neuen Senat nicht mehr angehören. Dabei ist keineswegs ausgemacht, dass ihre Partei in die Opposition gehen muss. Nur hat sie eben für sich persönlich die Konsequenzen gezogen aus der Wahlniederlage.

In Berlin macht Bettina Jarasch dagegen an exponierter Position weiter. Kaum trat die neue Fraktion nach der Wiederholungswahl erstmals zusammen, ließ sich Jarasch rasch zu ihrer (Co-)Vorsitzenden wählen. Silke Gebel, die das Amt sechseinhalb Jahre ausgefüllt hatte, musste Platz machen.

Das war sicher noch keine Vorfestlegung auf eine mögliche Spitzenkandidatur 2026, aber doch ein deutliches Zeichen. Und das bei den Grünen, die in den vergangenen Jahren so hart daran gearbeitet haben, glauben zu machen, dass ihre Personalentscheidungen stets im Konsens und in großer Harmonie getroffen würden. Doch natürlich ist das immer nur ein Teil der Wahrheit. Schon Bettina Jaraschs Wahl zur Spitzenkandidatin 2021 ging nicht ohne interne Verwerfungen und Verletzungen über die Bühne.

Und jetzt? Gebels Absetzung und Jaraschs Inthronisierung gingen sehr schnell, zu schnell jedenfalls, um eine tiefgehende Analyse der zurückliegenden turbulenten Monate zu gestatten.

Der Ex-Koalitionspartner SPD schaut recht bang auf seinen Parteitag in zehn Tagen, bei dem die Fetzen fliegen werden. Die Grünen sind eine Woche später dran. Mal sehen, wie weit sie trägt, die grüne Harmonie.