Wo Autos fuhren, sitzen Menschen in der Sonne. Blumenkübel warten darauf, bepflanzt zu werden. Nachdem der autofreie Abschnitt der Friedrichstraße in Mitte wochenlang einen ziemlich öden Eindruck gemacht hatte, belebt sich die einstige Fahrbahn endlich. Doch weiterhin wird gefordert, die Sperrung zwischen der Leipziger und der Französischen Straße aufzuheben. Nun zeigt ein Blick ins Gesetz, dass die neue Berliner Mobilitätssenatorin Manja Schreiner (CDU) relativ einfach wieder Autos zulassen könnte. Das Straßengesetz gibt ihr die Mittel, den Wünschen zu entsprechen.
Ein paar Wochen lang durften wieder Autos fahren. Dann verfügte das Bezirksamt Mitte die Teileinziehung für den motorisierten Individualverkehr. Seit Ende Januar 2023 dürfen auf dem rund 500 Meter langen Abschnitt rund um das Warenhaus Galeries Lafayette und das Russische Haus keine Autos, Lkw, Busse und Motorräder mehr fahren. Die Fahrbahn wurde für Fußgänger geöffnet, Lieferverkehr darf kreuzen. Fahrräder und E-Scooter sind weiterhin willkommen, mit Schritttempo, was aber kaum beachtet wird.
Doch der Verwaltungsakt aus dem grün geleiteten Bezirksamt stößt auf Widerstand. Das Bündnis „Rettet die Friedrichstraße“ fordert ein Gestaltungskonzept. In der parallel verlaufenden Charlottenstraße beklagen Gewerbetreibende, dass der Autoverkehr zugenommen hat. „Gegen die Teileinziehung liegen dem Bezirksamt 17 Widersprüche vor“, teilte die zuständige Stadträtin Almut Neumann der Berliner Zeitung mit. „Vor dem Verwaltungsgericht Berlin ist mittlerweile ein Eilverfahren gegen den Bezirk anhängig. Ein Entscheidungstermin ist noch nicht in Sicht“, so die Grünen-Politikerin.
Streit um die Friedrichstraße könnte die Grünen Stimmen gekostet haben
Jetzt wurde bekannt, wo über die Widersprüche entschieden wird. Was viele nicht wissen: Nicht der Bezirk ist zuständig, sondern die Senatsverwaltung für Mobilität – die von der Christdemokratin Manja Schreiner geleitet wird, die das Amt im April von Bettina Jarasch (Grüne) übernommen hat. Das zeigt ein Blick in ein Gesetz, das selten im Fokus steht. Paragraf 26 des Berliner Straßengesetzes bestimmt, dass die für Straßen zuständige Senatsverwaltung über Widersprüche gegen eine Teileinziehung entscheidet, wenn es um eine Straße im zentralen Bereich handelt. Dazu gehört die Friedrichstraße.
„Es ist richtig, dass die Widersprüche zur Teileinziehung bei uns im Haus liegen“, bestätigte eine Sprecherin Manja Schreiners auf Anfrage. Sie ließ aber offen, wie die Senatorin ihre Befugnis ausüben wird. „Wir prüfen aktuell das weitere Vorgehen und alle Möglichkeiten, um zu einer bestmöglichen Entwicklung der Friedrichstraße zu kommen“, so die Sprecherin.

„Es wäre wirklich nichts gewonnen, wenn auf der Friedrichstraße einfach wieder wie zuvor die Autos fahren würden“, sagte Stadträtin Almut Neumann der Berliner Zeitung. „Aber ich verstehe den CDU/SPD-Koalitionsvertrag und die jüngsten Äußerungen der Koalitionspolitiker auch nicht so, als dass die Friedrichstraße automatisch wieder für Kraftfahrzeuge geöffnet werden soll. Es geht um eine gute Gestaltung, und die bisherigen Signale deute ich so, dass sie gemeinsam mit uns an einem Strang ziehen wollen. Darauf baue ich“, so die Grünen-Politikerin.
Die Stadträtin, selbst Juristin, betonte gegenüber der Berliner Zeitung, dass dem Bezirk Mitte nicht an einer Konfrontation mit dem Senat gelegen sei. „Unabhängig von den rechtlichen Einzelheiten ist klar, dass im Zentralen Bereich und bei so einer exponierten Lage innerhalb Berlins der Bezirk in dieser Angelegenheit keinen Alleingang starten kann oder will. Deshalb ist es mir ein großes Bedürfnis, sehr bald mit der Verkehrssenatorin oder ihrer Staatssekretärin zur Zukunft der Friedrichstraße ins Gespräch zu kommen. Ich hoffe, dass mein Gesprächsangebot bald von dortiger Seite aufgenommen werden wird“, bekräftigte Neumann am Montag.
Vorschlag an Manja Schreiner: Fußgängerbereich vorerst belassen
Die Grünen-Politikerin richtete einen Vorschlag an die neue Senatorin. „Wenn der Senat Vorfestlegungen vermeiden will, fände ich es zum Beispiel eine gute Lösung, die Bescheidung des Widerspruchs zu vertagen und die Friedrichstraße zumindest für diesen Sommer noch so zu belassen, wie sie ist. Das würde den Gewerbetreibenden vor Ort die Gelegenheit bieten, ihre Schankvorgärten dort wie geplant zu betreiben und auch die Veranstaltungen durchzuführen, auf die sie sich eingestellt haben“, so Neumann. „Zugleich hätte der Senat so die Möglichkeit, im Gespräch mit dem Bezirk zu einer Festlegung für die langfristige Perspektive der Friedrichstraße zu kommen.“
Wie die Berliner Zeitung erfuhr, gibt es auch bei manchen Grünen Bedenken, ob es richtig ist, ausgerechnet den Mittelteil der Friedrichstraße in eine „Flaniermeile“ oder in eine „Piazza“ zu verwandeln. „Als die Straße im Januar gesperrt wurde, war ich klar dagegen“, sagte ein Grünen-Politiker aus Mitte. Die Debatte um die Teileinziehung, die kurz vor der Wiederholungswahl verfügt wurde, habe die Grünen Wählerstimmen gekostet und Verfechter der Mobilitätswende in die Defensive getrieben.
Ansätze von Selbstkritik bei den Grünen in Mitte
Allerdings hätten auch manche Gewerbetreibende dem Standort geschadet, sagte Almut Neumann. „Leider haben die seit langem andauernden Kontroversen nicht dazu beigetragen, das Image der Friedrichstraße zu verbessern“, so die Stadträtin. „Bei vielen Geschäften haben wir schon seit vielen Jahren wirtschaftliche Rückgänge zu verzeichnen. Deshalb kamen Senat und Bezirk ja zu der Entscheidung, dort einen Fußgängerbereich einzurichten. Schließlich zeigen alle wissenschaftlichen Untersuchungen, dass solche Bereiche dazu beitragen können, die Wirtschaft vor Ort anzukurbeln. Zugleich muss aber auch klar sein, dass verkehrliche beziehungsweise straßenbauliche Veränderungen die wirtschaftlichen Strukturprobleme einer Straße nicht im Alleingang lösen können“, gab die Grünen-Politikerin zu bedenken.

Ansätze von Selbstkritik sind aber auch bei den Grünen feststellbar. „Wenn man ehrlich ist, muss man aber auch sagen: Es wäre leichter gewesen, einen Teil von Mitte auszuwählen, dem es wirtschaftlich gutgeht, und dort mit einem Fußverkehrsprojekt zu starten – wie zum Beispiel am Hackeschen Markt“, so Neumann. Sie unterstützt das Vorhaben, den Bereich für Fußgänger zu öffnen. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte dies im März 2023 beschlossen. Die CDU stimmte zwar gegen den Antrag. Doch christdemokratische Bezirksverordnete machten während der Sitzung deutlich, dass sie einen Fußgängerbereich nicht grundsätzlich ablehnen. „Unser Eindruck ist, dass wir zu einem Konsens gelangen könnten“, sagte ein Grünen-Politiker.
Senat entscheidet auch über die Zukunft des Hackeschen Markts
Aber auch für dieses Vorhaben müsste der Bezirk den Senat ins Boot holen. Darauf wies Manja Schreiners Sprecherin hin. „Ebenso wie bei der Friedrichstraße kann der Bezirk eine Umwidmung nur gemeinsam mit dem Senat erwirken, da es sich bei allen im BVV-Beschluss genannten Straßenabschnitten um Hauptverkehrsstraßen handelt, die der Senat bei Einrichtung von Fußgängerzonen erst aus dem übergeordneten Straßennetz herausnehmen müsste“, hieß es in der Senatsverwaltung weiter. „Zudem befinden sich alle Straßen im sogenannten zentralen Bereich.“








