Meinung

Müde, erschöpft, aggressiv bei Hitze im Job: Wir müssen über eine Siesta reden!

Schon Temperaturen über 26 Grad können gesundheitlich gefährlich werden. Warum eine längere Mittagspause helfen kann.

Hitze stresst viele, auch Berufstätige leiden unter den hohen Temperaturen. 
Hitze stresst viele, auch Berufstätige leiden unter den hohen Temperaturen. Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende. Bilder: imago

Die Konzentration lässt nach, manche sind müde, erschöpft und aggressiv: Wenn im sonst eher kühlen Deutschland südländische Temperaturen herrschen, ächzen viele, die sich bei der Hitze körperlich oder intellektuell anstrengen müssen. Wer arbeitet, leidet noch einmal mehr, sagen Experten. Daher: Lasst uns endlich über flexiblere Arbeitszeiten reden!

Es gilt als medizinisch erwiesen, dass Temperaturen, die über 26 Grad liegen, gesundheitlich gefährlich werden können, vor allem bei Menschen mit Vorerkrankungen am Herz-Kreislauf-System. Doch auch Gesunde können einen Sonnenstich bis hin zum Hitzekollaps erleiden. Besonders gefährdete Gruppen sind Obdachlose, die nicht an kühlere Orte flüchten können, aber vor allem auch alte oder kranke Menschen, Kinder und Schwangere. Je heißer es durch die Klimakrise wird, desto gefährlicher werden Sonne und Hitze für uns alle, sagte jüngst Andrea Nakoinz von der Allianz Klimawandel und Gesundheit im Spiegel.

Für Arbeitnehmer sind heiße Tage ebenso eine Herausforderung. Trotz Klimaanlagen und Arbeitsschutz ist der Job bei Hitze für viele unerträglich. Ärzte warnen, dass extreme Hitze die Leistungsfähigkeit senke. Und wenn es nachts nicht richtig abkühlt, leiden viele obendrauf unter Schlafmangel, der zusätzlich zu Konzentrationsproblemen führt. Komplexe Arbeitsanforderungen sollte man daher lieber in die frühen Morgenstunden verschieben, raten Mediziner. Es sei allgemein Vorsicht geboten, sagt auch Anja Piel, im Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Berliner Zeitung, die hinzufügt: „Hitze ist ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko bei der Arbeit.“

Seit Jahren gibt es daher Forderungen nach flexibleren Arbeitszeiten – die Siesta gehört dazu und kommt immer wieder auf den Tisch, auch in diesem Sommer. Geht es nach dem deutschen Amtsärzteverband, sollten wir uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags eine längere Pause von 14 bis 17 Uhr machen – das würde vielen das Leben erleichtern.

Siesta: In Deutschland gibt es rechtliche Haken

Sprich: Ackern, dann für drei Stunden ab in die Hängematte – und abends weiter malochen! In einer Blitzumfrage der Berliner Zeitung auf Instagram stieß das auf breite Zustimmung: 56 Prozent waren dafür. Die Corona-Zeit hat uns gelehrt: Auch mit Homeoffice lief vieles weiter. Wir können und müssen flexibel auf veränderte Arbeitsbedingungen reagieren.

Umfrage der Berliner Zeitung auf Instagram zur Siesta
Umfrage der Berliner Zeitung auf Instagram zur SiestaBLZ

Doch eine Siesta ist in Deutschland in vielen Branchen nicht so einfach umzusetzen. Und es gibt außerdem zig Haken im Arbeitsrecht beim Hitzeschutz, über die zuvor nachgedacht werden sollte. 

Das beginnt damit, dass es in Deutschland keinen direkten Rechtsanspruch auf klimatisierte Räume oder Hitzefrei für Beschäftigte gibt. Dafür allerdings ellenlange Listen für Arbeitgeber, wie man eine heiße Phase umschifft.

Diese, so der Grundsatz, müssen Beschäftigte vor den Auswirkungen von Hitze schützen. Grundlage ist eine Gefährdungsbeurteilung, aus der geeignete Instrumente zum Schutz der Beschäftigten abgeleitet werden. Diese Maßnahmen sind nach dem TOP-Prinzip priorisiert: Technische Maßnahmen haben Vorrang, dann organisatorische, dann erst persönliche. Gewerkschafterin Anja Piel sagt: „Der Hitzeschutz muss passgenau auf den jeweiligen Arbeitsplatz abgestimmt sein. Es macht schließlich einen großen Unterschied, ob im Büro, in der Werkshalle oder auf dem Bau gearbeitet wird.“

Ferner gilt: Schon bei über 26 Grad muss der Arbeitgeber für Abkühlung sorgen, bei über 30 Grad muss er Belastungen verringern. „Hilfreich sind da Regelungen zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit, so dass die Arbeit in den kühleren Stunden des Tages erfolgen kann“, so die Arbeitsrechtsexpertin Piel. Erfolgt das nicht, braucht es einen effektiven Sonnenschutz – etwa, dass Jalousien auch nach der Arbeitszeit geschlossen bleiben, die Lüftung nachts durchläuft oder in den frühen Morgenstunden gelüftet wird. Wärmequellen wie Drucker und Kopierer sollten aus Arbeitsräumen entfernt werden. Auch eine gelockerte Kleiderordnung sowie die Bereitstellung von Getränken schaffen Abhilfe bei großer Hitze.

Hitzeschutz: In Räumen mit über 35 Grad darf nicht mehr gearbeitet werden

In Räumen mit über 35 Grad kann nicht mehr gearbeitet werden, es sei denn der Arbeitgeber bietet Hilfsmittel wie Luftduschen und Hitzepausen an, wie sie bei sogenannten Hitzearbeitsplätzen etwa am Hochofen vorgeschrieben sind. Die Crux allerdings auch hier: Mangelt es an Hilfsmitteln, heißt das nicht automatisch, dass Beschäftigte einfach nach Hause gehen können, sondern nur, dass in bestimmten Räumen nicht gearbeitet werden darf.

In Deutschland sind daher nur manche wirklich vor Hitze geschützt, Dachdecker in der Bauwirtschaft beispielsweise. Beschäftigte dort erhalten ein Ausfallgeld, wenn wegen Hitze die Arbeit eingestellt werden muss. Daran sollten sich auch andere Bereiche, in denen Beschäftigte draußen arbeiten, ein Beispiel nehmen. Und die Idee einer Siesta für alle nicht vergessen! Wege gibt es immer.