Interessenvertreter

Lobbyregister: Im Bundestag kommen 38 Lobbyisten auf jeden Abgeordneten

Seit Jahresanfang müssen sich Interessenvertreter offiziell registrieren lassen. Doch das Gesetz hat noch einige Lücken.

Sister Mary Clarence vom Bundesverband House of Queer Sisters beim Christopher Street Day in Köln. Die queeren Schwestern waren beim Lobbyregister die Schnellsten – ihr Verein trägt die Registriernummer 000001.
Sister Mary Clarence vom Bundesverband House of Queer Sisters beim Christopher Street Day in Köln. Die queeren Schwestern waren beim Lobbyregister die Schnellsten – ihr Verein trägt die Registriernummer 000001.imago

Für das House of Queer Sisters hat sich der Eintrag in das Lobbyregister des Bundestages bereits gelohnt, jedenfalls ein bisschen. Der Verein war im Januar am schnellsten und trägt daher die Registrierungsnummer 000001 des Lobbyregisters. Den Zusammenschluss der queeren Schwestern gibt es seit 2013 in Berlin. Anfangs beriet man vor allem HIV-positive Menschen und Aidskranke. Doch nun will der Verein auch Lobbyarbeit machen. „Wir wollen uns um alle Belange der LGBTQIA+-Gemeinde kümmern“, hatte Sister Mary Clarence im Januar der Berliner Zeitung gesagt.

Sieben Monate später sagt Mary Clarence, die diesen Namen statt des ursprünglichen männlichen auch im Pass trägt, dass man nun persönlichen Kontakt zu einigen Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen habe. „Sie fanden es gut, dass wir so schnell mit unserem Eintrag waren“, sagt sie. „Es könnte aber durchaus noch mehr Kontakte geben.“ Die erhofften Einladungen zu Anhörungen für neue Gesetzesvorhaben hat man dem Verein für die Zeit nach der Sommerpause in Aussicht gestellt. Dann können die auffällig geschminkten Schwestern auch im Hohen Haus für ein bisschen Farbe sorgen.

Seit Anfang des Jahres gibt es das Lobbyregister, das auf der Webseite des Bundestages öffentlich einsehbar ist. Das entsprechende Gesetz hatte noch die große Koalition verabschiedet – nach jahrelangem Streit darum. Die Maskenaffäre, bei der sich vor allem Abgeordnete von CDU und CSU bereichert haben, trug schließlich dazu bei, dass die Unionsfraktion ihren Widerstand aufgab, als Teil der politischen Schadensbegrenzung.

Nun müssen sich Firmen und Verbände öffentlich registrieren lassen, bevor sie zu Bundestagsabgeordneten, Regierungsmitgliedern und deren Mitarbeitern Kontakt aufnehmen. Auch für die Teilnahme an Anhörungen ist der Eintrag Voraussetzung. Ansonsten drohen Bußgelder bis zu 50.000 Euro.

Bislang haben sich fast 5000 Unternehmen, Verbände, Organisationen, Netzwerke, Einzelpersonen und andere angemeldet. Die Zahl der benannten Beschäftigten, die die Interessenvertretung unmittelbar ausüben, liegt bei mehr als 12.500. Die Zahl der Personen, die nach dem Register zur Lobbytätigkeit berechtigt sind, wird sogar mit mehr als 28.300 angegeben. Das heißt, rein rechnerisch kommen auf jeden und jede Abgeordnete 38 offiziell registrierte Lobbyisten.

28 der registrierten Lobbyisten sitzen allerdings als Bundestagsabgeordnete selbst im Parlament. Das hat die Plattform abgeordnetenwatch.de Anfang Juli recherchiert. Diese Doppelfunktion ist mitunter heikel, erläuterte abgeordnetenwatch.de am Beispiel des CSU-Abgeordneten Artur Auernhammer. Der 59-jährige Landwirt ist der agrarpolitische Sprecher seiner Partei. Er ist Mitglied im Landwirtschaftsausschuss und dort unter anderem mit der Nutzung von Biomasse zur Erzeugung erneuerbarer Energien befasst. „Äußerst praktisch ist das für die Mitglieder des Verbandes für Bioenergie (BBE), einem wichtigen Akteur im Milliardengeschäft um Biomasse für Strom, Wärme und Kraftstoff“, schreibt abgeordnetenwatch.de. „Denn wenn der Lobbyverband ein politisches Anliegen hat, kann er sich an seinen Vorstandschef wenden – und der heißt Artur Auernhammer.“

Kritik am Lobbyregister gab es von Anfang an, denn es weist deutliche Lücken auf. So müssen außer dem Anliegen der jeweiligen Organisation und ein paar Angaben zum Personal und zum Etat keine weiteren Informationen preisgegeben werden. Wer mit wem über was verhandelt, bleibt weiter geheim.

Die Ampelkoalition hat versprochen, hier nachzubessern. So soll es künftig einen sogenannten legislativen Fußabdruck geben. Das heißt, dass bei Gesetzgebungsverfahren klargemacht wird, wer an welcher Stelle inhaltlich Einfluss genommen hat.

Die Antikorruptionsorganisation Transparency International wünscht sich aber noch mehr. Bislang sind nämlich Kirchen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände von der Registrierungspflicht ausgenommen. Das wurde mit speziellen Zugangsrechten begründet, die diese Organisationen jeweils haben.

Transparency International: Kirchen sind auch Arbeitgeber – und damit Lobbyisten

Für den Vorsitzenden von Transparency International Deutschland, Hartmut Bäumer, ist das nicht einzusehen. „Es betrifft nicht die Religionsfreiheit, wenn die Kirchen als Lobbyisten tätig werden“, sagt er. Die Kirchen hätten auch viele soziale Funktionen und träten dort als Lobbyisten auf. Bei Gewerkschaften werde immer mit der Tarifautonomie argumentiert. „Das ist wirklich an den Haaren herbeigezogen“, so Bäumer. „Da ist vor allem die SPD als verlängerter Arm der Gewerkschaften so was von stur.“ Dass auch die Arbeitgeberverbände von der Registrierungsplicht ausgenommen sind, darf als Teil eines Kuhhandels gelten.

Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag versichert, man werde den Kreis derer, die sich ins Lobbyregister eintragen müssen, „grundrechtsschonend und differenziert“ erweitern. Wann das der Fall sein wird, ist allerdings unklar. Das federführende Bundesinnenministerium ließ am Montag eine entsprechende Nachfrage der Berliner Zeitung unbeantwortet. (mit dpa)