Sexismus

#MeToo in der Politik: „So etwas gibt es bei uns nicht“, versichert eine Partei

Von AfD bis Grüne: Wir haben bei Parteien nachgefragt, was sie gegen Übergriffe tun – und wie oft so etwas vorkommt. Eine Partei sieht bei sich kein Problem.

#MeToo: Wie beugen Parteien vor?
#MeToo: Wie beugen Parteien vor?imago

Die AfD antwortet kurz und knapp. Sie teilt mit, dass das Problem unter ihren Mitgliedern noch nie aufgetreten ist. Sexualisierte Gewalt und Diskriminierung innerhalb der Partei? „So etwas gibt es bei uns nicht“, schreibt ein Sprecher der Partei auf eine Anfrage der Berliner Zeitung. Auch aus dem Berliner Landesverband der AfD kommt eine knappe Antwort, auch dort hat man „keine Kenntnisse“ über etwaige Fälle.

Die Anfrage bestand aus sechs Fragen, zum Teil mit Unterfragen. Wir wollten wissen, wie gut die Parteien in Deutschland ihre Mitglieder vor Sexismus und Missbrauch schützen, welche Strukturen es gibt, um auf mögliche Fälle schnell zu reagieren. Überall dort, wo Menschen miteinander arbeiten, wo es Posten zu verteilen gibt, gegenseitige Abhängigkeiten entstehen, sind Übergriffe möglich. Auch, wenn die Arbeit, wie in der Parteibasis, ehrenamtlich ist.

Die Linkspartei weiß das seit einer Woche. In der Partei soll es zu Übergriffen gekommen sein. Öffentlich wie intern werden Vorwürfe von Machtmissbrauch in sexuellen Beziehungen zwischen Genossen und Genossinnen diskutiert. Gestritten wird aber auch über die Frage, warum Dutzende Betroffene sich erst jetzt zu Wort melden – und wie man Mitglieder in Zukunft schützen kann.

Wie gehen andere Parteien mit diesem Problem um? Die Berliner Zeitung hat die Bundesverbände und die Berliner Landesverbände aller in Bundestag und Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien befragt.

Alle Parteien antworteten. Mit Ausnahme der AfD versichern alle, dass „Diskriminierung“ (CDU), „sexistisches Verhalten“ (SPD) oder „jegliche Form von Sexismus“ (Grüne) keinen Platz bei ihnen haben. Auch Linke und FDP schicken ähnlich lautende Bekenntnisse – nach denen wir gar nicht gefragt hatten. Aber das Thema scheint ihnen wichtig. Muss im Parteialltag gegen Verhaltensweisen, die alle Parteien verurteilen, angegangen werden? Keine einzige Pressstelle antwortet auf die Frage, wie viele Betroffene sich in den vergangenen fünf Jahren gemeldet haben.

Also gut – wie beugen die Parteien vor?

CDU: Ombudsstelle? Vielleicht ab Herbst

Die CDU gibt an, auf Bundesebene eine Ombudsstelle für Fälle von „Diskriminierung und Hatespeech“ schaffen zu wollen. Wann soll es so weit sein? Die Sache müsse auf dem nächsten Parteitag im Herbst erst noch beschlossen werden, sagt ein Sprecher auf Nachfrage. Im Berliner Landesverband ist man „stets aktiv gegen jede Form von Gewalt“. Amts- und Funktionsträger der Partei würden „keinerlei“ Verhalten „dulden, welches unter Gewalt oder sexualisierte Gewalt gefasst werden könnte“. Der Landesverband teilt weiterhin mit: „Solcherlei Fälle sind hier indes nicht bekannt.“ Ansprechpersonen oder Ombudsleute scheint es nicht zu geben.

SPD: „Awareness-Teams“, aber keine Vorfälle

Die SPD hat ebenfalls kein Gremium, dass sich auf Bundesebene um sexualisierte Gewalt und Diskriminierung kümmert. Die Pressestelle zählt in ihrer Antwort aber Gruppen und Konzepte auf, die Orts- und Kreisverbände haben – vor allem bei den Jusos. In den Ortsgruppen gebe es Ansprechpersonen, es ginge aber auch um eine parteiweite Sensibilisierung für das Thema. Auf Bundesebene sei das jedoch fehlplatziert, die Sozialdemokraten betonen die Bedeutung „niedrigschwelliger“ Angebote vor Ort.

Wie sieht es niedrigschwellig in Berlin aus? Der Landesverband der SPD gibt an, Betroffene könnten sich an die Landesgeschäftsführung oder Mitgliederbeauftrage wenden. Eine Ombudsstelle auf Landesebene sei beschlossene Sache. Auf Veranstaltungen gebe es seit 2018 „Awareness-Teams, die sich aber bislang noch mit keinen Vorfällen befassen mussten“.

Grüne: Ombudsleute überall

Bei den Grünen gibt es seit 2016 eine „Ombudsstruktur“, auf Landes- wie auf Bundesebene. „Die meisten“ der dort organisierten Ansprechpartner seien hauptamtlich beschäftigt und würden regelmäßig geschult. Bei Parteitagen seien grundsätzlich männliche wie weibliche Ombudsleute vor Ort.

Der Berliner Landesverband der Grünen gibt an, Anlauf- und Beratungsstellen zu haben, deren Mitglieder sich von externen Leuten beraten ließen. 2018 sei eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet worden. Es gebe außerdem eine „Beschwerdekommission für Fälle sexueller Belästigung“ – schon seit 1997. Sie bestehe aus fünf für zwei Jahre gewählten Mitgliedern, die nicht im Vorstand seien oder in einer „beruflichen oder finanziellen“ Abhängigkeit zur Partei stehen dürften.

Die Grünen wirken damit gut auf etwaige Vorfälle vorbereitet. Oder hat die Partei auf Vorkommnisse reagiert? Weil die Strukturen sehr dezentral seien, existiere keine Statistik über ihre „bisherige Inanspruchnahme“. Auch die Grünen wissen also nicht, ob sie ihre vielen Ombudsleute eigentlich brauchen – oder wollen es nicht mitteilen.

FDP: Alles im Vertrauen

Die FPD verweist auf „Leitlinien des liberalen Miteinanders“, die man in der Partei beschlossen habe. Man setze auf den offenen Diskurs und ein vertrauensvolles Klima, in dem „auch unbequeme Tatsachen und Vorfälle“ angesprochen werden können.

Falls das doch nicht klappt, gibt es Vertrauenspersonen auf allen Ebenen der Partei. Jeder Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landesverband sei „angehalten“, je eine Frau und einen Mann für diese Aufgabe zu benennen. Der Berliner Landesverband teilt mit, dass seine Vertrauenspersonen seit 2019 für jeweils zwei Jahre auf dem Landesparteitag gewählt würden.

Linke: „Expert:innenrat“ sollen helfen

Und die #MeToo-geschüttelte Linke? Hat im Oktober 2021 gerade erst eine Vertrauensgruppe installiert. Dass diese nur aus Personen besteht, die auch im Parteivorstand sind, ist in der aktuellen Debatte um die Missbrauchsvorwürfe in der Partei bereits in die Kritik geraten.

Nun soll ein extern besetzter „Expert:innenrat“ dazukommen. Außerdem teilt die Pressestelle mit, die Satzung der Partei würde nun einer Prüfung unterzogen. Denn es sei ein „großes Problem“, dass die Satzung der Partei nur wenig Spielraum für Maßnahmen gegen Mitglieder biete. „Die einzige Handhabe, die unsere Partei hat, ist das Ausschlussverfahren.“ Jetzt wolle man diskutieren, ob der Ausschluss übergriffig gewordener Mitglieder aus bestimmten Gremien möglich werden könnte.

Die Berliner Linkspartei hat im letztem Jahr die Einrichtung einer parteiinternen Antidiskriminierungsstelle beschlossen – noch scheint es die aber nicht zu geben. In der Fraktion im Abgeordnetenhaus gibt es eine Awareness-Beauftragte.

AfD: Es gibt kein Problem

Sowohl der Bundesverband als auch der Berliner Landesverband der Partei teilten lediglich mit, dass sexualisierte Gewalt und Diskriminierung in der AfD nicht vorkommen.