Kommentar

Linke am Ende: Auf Wiedersehen, bye-bye, Linkspartei!

Schon vor dem Streit über #LinkeMeToo und Sexismus war die Linkspartei angeschlagen. Jetzt stürzt sie in sich zusammen. Sag zum Abschied leise: selbst schuld.

Größtmögliche Text-Bild-Schere: Einen Aufbruch gab es bei Janine Wissler (l.) und Susanne Hennig-Wellsow nie wirklich.
Größtmögliche Text-Bild-Schere: Einen Aufbruch gab es bei Janine Wissler (l.) und Susanne Hennig-Wellsow nie wirklich.dpa

Wofür steht die Linkspartei? Gibt es irgendjemanden, der das noch versteht? Es gab eine Zeit, in der man sich das nicht fragen musste. Die Linke kümmerte sich um die Interessen der Menschen im Osten, vor allem von denjenigen, die nach der Wende zu kämpfen hatten. Dann wurde sie westdeutscher, setzte sich aber weiter vor allem für Menschen ein, die wenig verdienten und noch weniger besaßen. Man musste nicht allem zustimmen, was die Partei forderte – und vielem sogar widersprechen –, aber ihr Profil war klar. Das ist sehr, sehr lange her.

Und nun? Streitet die Linke über Sexismus auf allen Ebenen der Partei. Über Männer, die mit viel jüngeren Genossinnen Verhältnisse eingehen. Über Vorwürfe von Missbrauch und sexueller Belästigung. Schwer zu sagen, was wirklich los war und ist. Es gibt jedenfalls riesigen Ärger, eine Parteichefin ist zurückgetreten, die andere wackelt. Man kann von außen kaum folgen, und man will es auch kaum noch. Die Partei hat sich nämlich längst erledigt – ganz ohne Missbrauchsskandal.

Ihre besten, weil pragmatischsten Politiker versuchen, in der Landespolitik zu überleben. Katja Kipping seit kurzem als Sozialsenatorin in Berlin, Bodo Ramelow seit langem als Ministerpräsident in Thüringen. Klaus Lederer ist in Berlin vermutlich weiterhin Kultursenator, auch wenn man ewig nichts von ihm gehört hat.

Dann gibt es noch Sahra Wagenknecht, sie tourt für ihre vielen Fans, die oft keine Fans ihrer Partei sind, durch die Talkshows. Momentan scheint sie wegen ihrer Positionen zu Russland in einer kleinen Kriegspause zu stecken. Aber das wird sicher wieder. Bei Wagenknecht, nicht bei ihrer Partei.

Im Bundestag sitzt eine Minifraktion, die es überhaupt nur gibt, weil die Linke mit Ach und Krach noch drei Direktmandate ergattern konnte. Bei der Bundestagswahl im September hat sie in Berlin sogar Marzahn-Hellersdorf verloren, die alte Hochburg. Zwanzig Jahre lang hatte sie das Direktmandat dort geholt. Jetzt hat es Mario Czaja von der CDU. Wenn man in den Tagen nach der Wahl mit Linken dort sprach, klangen sie, als habe man sie bestohlen. Dieses Mandat gehörte doch ihnen, was erlaubt sich der Czaja? Der habe wahnsinnig viel Geld in den Wahlkampf gesteckt, klagten sie.

Volksentscheid: Ja, bitte. Linkspartei: Nein, danke

Warum ihre Wähler sich nach zwanzig Jahren von ihnen abgewandt hatten? Diese Frage schien sie zu überraschen. Das wollten sie ganz in Ruhe analysieren. Auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene.

Auch bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus hat die Linke es geschafft, Wähler zu verlieren. Und das, obwohl mehr als jeder zweite Berliner am selben Tag für den Enteignungsvolksentscheid stimmte, den die Linke als einzige Partei voll unterstützt hatte. Das muss man erst mal hinbekommen. Im Wahlkampf hatten die Kandidaten der Linken so lange wiederholt, dass sie – und wirklich nur sie – für die Enteignung der Wohnungsbaukonzerne sind und den Volksentscheid durchziehen würden, dass man das Gefühl bekommen konnte, die ganze Sache sei ihre Idee gewesen.

Vielleicht wäre die Linke ohne den Volksentscheid in Berlin noch viel heftiger abgestürzt. Aber da möchte man der Analyse der Partei, die sicher noch etwas mehr Zeit braucht, wirklich nicht vorgreifen.

Wahrscheinlich hat der große Sexismusstreit, in dem die Linke sich jetzt zerlegt, immerhin einen Vorteil für sie: Sie kann mit einem Knall untergehen. Und muss sich selbst nicht mehr fragen, was lange vorher eigentlich alles schiefgelaufen ist.

Lesen Sie hier, was die Bundesprecherin der Linksjugend Solid zum Sexismus in der Partei sagt