Die Ukraine verlangt nach Kampfpanzern vom Typ Leopard. Estland, Finnland und Polen wollen sie liefern. Dazu brauchen sie allerdings Deutschlands Zustimmung. Solche Situationen kennen wir seit Monaten. Die Spirale ist immer dieselbe. Das Kanzleramt schweigt. Der Druck steigt. Mittlerweile insinuiert der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bereits, Deutschland sei verantwortlich, wenn es mit einer Niederlage der Ukraine zu einem dritten Weltkrieg käme. Ein unglaublicher Vorwurf.
Davon abgesehen, zeigt er aber auch, was Boris Pistorius, bisher Innenminister in Niedersachsen, als neuer Bundesverteidigungsminister ab morgen zu erwarten hat.
Wenn das Wort Kaltstart auf eine Amtsübernahme zutrifft, dann auf diese. Donnerstag soll Pistorius im Bundestag vereidigt werden, anschließend trifft er gleich den amerikanischen Verteidigungsminister Lloyd Austin. Spätestens Freitag muss er beim Nato-Verteidigungsministertreffen eine Antwort auf die Panzerfrage haben.
Laut SPD-Chef Lars Klingbeil werden die Bündnispartner „ein klares Signal der Unterstützung“ geben. Mal sehen, ob Pistorius eine eigene Haltung zu den Waffenlieferungen entwickeln wird. Denn Kanzler Olaf Scholz hat in dieser Frage bisher gebremst.
Ob Pistorius als Verteidigungsminister taugt, wird sich aus der Sicht der Bundeswehr vor allem an der Frage entscheiden, ob er sich als willens und fähig erweist, die runtergesparte Truppe so mit Waffen und Material auszurüsten, dass sie wieder einsatzfähig wird. Wie die 100 Milliarden aus dem Zeitenwende-Topf angelegt werden sollen, ist da die aktuellste von vielen Fragen.
Was bisher gefehlt hat, ist ein echtes Reformkonzept für die Bundeswehr. Bürokratieabbau und absehbarer Personalmangel müssen bewältigt werden. Ungeklärt auch: wie und für welche Einsätze die Armee aufgestellt werden soll. Deutschland als Schutzmacht für Europa, das jedenfalls wünscht sich der Kanzler. Dafür müsste allerdings so gut wie alles umgebaut werden.
Die Erwartungen an den neuen Mann aus Niedersachsen sind riesig. Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann kündigt ihm schon mal an, er werde keine Schonfrist bekommen. Sie will ihn daran messen, ob er die Belange der Truppe vertritt und dem Bundeskanzleramt und Ministerium auch Kontra geben kann. Es klingt wie eine Drohung. Und das innerhalb der Koalition.
Dass hier einer von der ersten Stunde an gemessen und gewogen wird, hat natürlich auch sein Gutes. Auf diese Weise wird sehr schnell klar werden, wie belastbar der designierte Minister ist. Erst mal eilt ihm ein Ruf voraus, der zumindest nicht gegen die Besetzung dieses wohl schwierigsten Ressorts spricht.
Boris Pistorius: Der rote General
Der „rote General“, nennen ihn Boulevardmedien. Die Formulierung spielt darauf an, dass Pistorius selbst Militärdienst absolviert hat. Einer der gern klare Kante zeigt, ist er auch. Er inszeniert sich als Anpacker und kommuniziert durchaus robust.
In der Truppe kommt das möglicherweise gut an. Der Präsident des Verbandes der Reservisten, Patrick Sensburg, lobte jedenfalls Pistorius bereits als durchsetzungsfähig. Außerdem gefällt ihm, dass er sich bisher schon intensiv mit Sicherheitsfragen beschäftigt hat und intensive Kontakte zur Reserve in Niedersachsen pflegt.
Betrachtet man das, was Pistorius an Vorschusslorbeeren überreicht wird – kompetent, durchsetzungsfähig und mit einem großen Herz (Scholz), erfahren und nervenstark (Habeck) –, könnte der Niedersachse schon gut auf den Posten passen. In jedem Fall ist es gut, dass im Verteidigungsministerium nach der kurzen Ära Lambrecht nun ein Neustart erfolgen kann.
Dummerweise ist Boris Pistorius keine Frau. Mindestens zur Hälfte sollte das Kabinett mit Frauen besetzt sein, hatte Olaf Scholz einst versprochen. Die Parität ist daher keine Meise, die sich renitente Frauen in den Kopf gesetzt haben. Die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse sollten im Kabinett abgebildet werden, schon allein, um mit gutem Beispiel voranzugehen, damit es irgendwann in allen Bereichen eine Gleichbehandlung gibt.






