Bahnreise durch die Hitze

Horror-Fahrt mit der Deutschen Bahn: Mein heißester Tag, ssänk ju verry matsch

Am heißesten Sommertag von Berlin bis an den Bodensee mit der Deutschen Bahn? Kann das gut gehen? Unsere Autorin kam an: verspätet, vertrocknet, verzweifelt.

Ein ICE steht abfahrbereit an einem leeren Bahnsteig in der Nachmittagshitze.
Ein ICE steht abfahrbereit an einem leeren Bahnsteig in der Nachmittagshitze.imago/Ralph Peters

Alles schon hundert Mal erzählt? Ssänk ju for talking about Deutsche Bahn, but enough is enough? Reicht es mit den Geschichten vom Reisen auf Schienen in Deutschland?

Es wäre ja auch gar nicht nötig gewesen, an diesem prognostizierten heißesten Tag des Jahres die Reise anzutreten. Hatte die Deutsche Bahn etwa nicht kulanzhalber angeboten, dass man zu Hause bleiben und die gebuchten Tickets an weniger heißen Tagen nutzen könnte?

Wenn man denn Termine und berufliche Verpflichtungen so leicht verschieben könnte … Konnte ich nicht und stieg also an diesem 19. Juli um 10.06 Uhr am Berliner Hauptbahnhof in den ICE nach Offenburg, der, pünktlich und prima klimatisiert, einige Stunden lang meine Entscheidung bestätigte.

Gut gemacht!, dachte ich. Anstatt draußen in der Hitze zu zerfließen, arbeitete ich bei guter Temperatur am Klapptisch; und auch wenn der Speisewagen wegen fehlender Warenlieferung nur ein begrenztes Angebot hatte, Kaffee und Croissant waren vorhanden, alles fein. Und was sollte schon schiefgehen, mit den 31 Minuten bewusst gewählter Umsteigezeit in Offenburg, vor der letzten Strecke bis Konstanz, wo ich um 19.16 Uhr ankommen würde?

Zurück am Platz ging es Schlag auf Schlag: Stellwerkschaden bei Fulda. Weichenstörung im Raum Kassel. Minuten häuften sich auf Minuten, und noch vor Mannheim war der Zug bei 30 Minuten Verspätung. Mein Anschluss in Offenburg wurde um ein paar Minuten verpasst.

Auf dem Bahnsteig in Mannheim: Heiße Luft wie aus dem Fön

Es wurde schwierig. Auf dem Bahnsteig bliesen die 40 Grad mir wie mit dem heißen Fön ins Gesicht, die Wartestunde musste in der Unterführung verbracht werden. Der entspannte Reisetag zerfloss wie Butter, nachdem ich im ICE auch noch die Meldung erhalten hatte, dass die Fahrt durch den Schwarzwald teils mit Schienenersatzverkehr zu absolvieren wäre. Der Zug fuhr nur bis Hausach, wo vielleicht 50 Reisende sich und ihr Zeug zur Bushaltestelle schleppten.

Aber nicht, dass dort ein Bus gewartet hätte. Es würde auch über die nächsten 60 Minuten keiner kommen, der in die richtige Richtung fuhr. Ein sehr alter Mann zog sich in den kleinen schattigen Winkel der überdachten Haltestelle zurück. Die Mutter der Dreijährigen, die seit Hannover im Zug gewesen war, ächzte.

Weiterfahrt mit dem Bus – und kein Wasser zum Trinken

Kein Wasser. Niemand weit und breit, der informierte. Nach 60 Minuten kam der ersehnte Bus. „Meine Abfahrt beginnt in 20 Minuten“, beschied der Fahrer stoisch und konterte, sichtlich des Redens müde: „Mein Unternehmen sagt so!“ Als der Bus sich in Bewegung setzte, war klar, dass der Anschluss in St. Georgen, der um 19.57 Uhr fuhr, nicht erreicht werden könnte.

Der zweite verpasste Anschluss. Die zweite Runde vom Gleichen: Keine Info. Kein Wasser. Kein klimatisierter Raum. Stattdessen völlig erschöpfte, rotgesichtige Menschen, mitten im Schwarzwald gestrandet, die mit Mühe ihre kleinen Kinder oder geschwollenen Füße unter Kontrolle zu halten versuchten. Waren denn nicht längst wieder Geschichten und Warnungen über Hitzetote im Umlauf, über drohendes Kollabieren? Hier bitte, habt ihr ein paar Anwärter, hätte ich gern gesagt, aber zu wem hätte ich es sagen sollen?

Als ein Zug mit Zielangabe „Konstanz“ auf dem Gleis gesichtet wurde, setzte man sich hinein, ohne zu wissen, ob und wann es weitergehen würde. Der Gynäkologe, neben dem ich saß; die jungen Mütter, die ich angesprochen hatte, oder auch der alte Herr: Beschweren würden sie sich nicht. Was konnte man denn erwarten, sie hatten ja nur neun Euro für die Fahrt bezahlt.

Darüber dachte ich nach. Reicht es also, Schrott zu einem Schrottpreis zu verhökern, um Ruhe zu haben und Beschwerden im Keim zu ersticken? Sollte das die wahre Essenz des 9-Euro-Tickets sein? Dass im Regionalverkehr das marode System sich in seiner ganzen Bandbreite zeigt, ohne dass sich jemand wehrt – „wegen neun Euro macht man das nicht“?

Verspätungen, Zugausfälle, Schienenersatzverkehr – es reicht!

Fernreisetickets kosten weit mehr als neun Euro; als Vielfahrerin hatte ich in den zurückliegenden Wochen nicht nur wegen Weichenstörungen und Stellwerkschaden in stehenden Zügen gewartet, sondern auch, weil der eingeplante Lokführer noch in einem anderen Zug unterwegs war. Auf der Strecke nach Döbeln war ein Baum umgestürzt, und der Schienenersatzverkehr in Form eines Großraumtaxis war zweieinhalb Stunden später gekommen. Ja, man kann Verspätungen einreichen, wird entschädigt. Aber was ist mit den ausfallenden Zügen, die sich immer mehr häufen? Was ist mit dem völlig unkoordinierten Schienenersatzverkehr?

Währenddessen tuckern wir gen Bodensee. Niemand spricht mehr. Geht jemand mit Wasser herum? Nein. Entsperrt jemand die Fenster, damit der gute alte Fahrtwind leistet, was die bessere modernere Klimaanlage leisten könnte? Nein.

Es ist klar, dass jeder Busfahrer und jede Zugbegleiterin, die hier entnervt angeschnauzt werden, die falschen Adressaten sind. Aber wo, verdammt, sitzen die richtigen?

Es ist kein Geheimnis mehr, wie viel notwendige Pflege und Investitionen in eine fahrtüchtige Flotte in den vergangenen 25 Jahren verschleppt wurden. Die Deutsche Bahn AG hatte andere Prioritäten gesetzt. Bin ich selbst also einfach endlos dumm, wenn ich in den sieben Jahren, die ich fünf-, sechsmal im Jahr die weite Strecke von Berlin nach Konstanz zurücklege, der Bahn treu bleibe, statt auf Flüge umzusteigen, immer noch der festen Überzeugung, dass der persönliche Beitrag zur dringend ersehnten Mobilitätswende unverzichtbar ist?

Jetzt sitzen wir erst mal mitten in der 9-Euro-Party, berauscht über dies kleine Geld und seine großen Möglichkeiten. Die Party hat neben kritischen Stimmen auch viel Applaus bekommen, sie wird angenommen, genutzt, es werden die Modalitäten einer Verlängerung verhandelt. Aber was bedeutet das denn konkret?

Ist das 9-Euro-Ticket eine weitere Sackgasse?

An diesem Reisetag jedenfalls hat es unterlassene Hilfeleistung bedeutet, stelle ich fest, während ich völlig erschöpft um halb zwölf am späten Abend meine Füße in eine kalte Badewanne tauche. Für die auf neun Stunden angesetzte Fahrt Berlin–Konstanz hatte ich zwölf Stunden gebraucht; um 22.18 Uhr war der Zug über den Seerhein gefahren und in Konstanz angekommen.

Es kann doch in unserem reichen Land nicht in so durchschlagendem Maße um Discountpreise gehen, dass das wirklich Wichtige beim Reisen – sicher und einigermaßen pünktlich anzukommen, in Gefahrensituationen (wie 40 Grad Hitze) begleitet und selbstverständlich mit aktuellen Informationen versorgt zu werden – in Vergessenheit gerät, als wären dies Forderungen aus einer alten, längst vergangenen und überholten Zeit? War ich doch auch auf meinem Smartphone – obwohl DB-Vielfahrerin, Gold-Kundin, Bahn-Navigator-App-Nutzerin – nicht beziehungsweise falsch informiert worden. Geht mit dem 9-Euro-Ticket nicht eine weitere Sackgasse auf, ist es nicht ein weiteres gefährliches Ablenkungsmanöver vom realen Zustand, in dem sich der wichtigste potenzielle Vorreiter der Mobilitätswende befindet?

Wohin geht die Reise also wirklich, frage ich mich. Wird sich mal irgendjemand bekennen zu den gewaltigen zerstörerischen Folgen der Privatisierungsschritte, wird irgendjemand einen glaubwürdigen Weg heraus skizzieren?

Wenn der letzte Fahrgast zurück aufs Auto umgestiegen und der vorletzte kollabiert ist? Wenn die Sommer verlässlich einen Mittelwert von 40 Grad erreicht haben, sodass auch diese Verschiebemaßnahme – reisen Sie nächste Woche – nicht mehr greift? Vielleicht dann.