Kampf gegen die Pandemie

Gesundheitsminister Lauterbach stellt sich hinter seinen RKI-Präsidenten

Der Tweet mit der Forderung für schärfere Corona-Maßnahmen von RKI-Präsident Wieler hat die Regierung unter Druck gesetzt. Jetzt wird er runtergespielt.

Lothar Wieler (l.) und Karl Lauterbach am Mittwoch bei der Pressekonferenz zur aktuellen Corona-Lage im Haus der Bundespressekonferenz. Vorherige Differenzen wurden runtergespielt.
Lothar Wieler (l.) und Karl Lauterbach am Mittwoch bei der Pressekonferenz zur aktuellen Corona-Lage im Haus der Bundespressekonferenz. Vorherige Differenzen wurden runtergespielt.dpa/Kay Nietfeld

Die Sorge um die neue Corona-Variante Omikron lässt manches aus dem Ruder laufen. Am Dienstag überraschte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit der Forderung nach noch schärferen und vor allem schnelleren Corona-Maßnahmen und suggerierte damit, die Regierung unternehme zu wenig und zu langsam. Das sorgte für Unmut, auch bei Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der damit in der Ministerpräsidenten-Konferenz eiskalt erwischt worden war. Am Mittwoch ruderten RKI-Präsident Lothar Wieler und der SPD-Politiker in einer gemeinsamen Pressekonferenz zurück. Getreu dem Motto, es sei unglücklich gelaufen. 

Die Kunst des Runterspielens beherrschten dann auch beide. Auf die Frage, ob Lauterbach über Wielers Vorstoß verärgert sei, entgegnete er, das seien Interna. In seinem Haus gebe es keine Zensur der Wissenschaft. Er orientiere sich bei seinen Entscheidungen am Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, „und da ist das RKI eine ganz wichtige Quelle“. Das RKI-Papier habe ihn vor der Sitzung der Ministerpräsidenten am Dienstag nicht mehr erreicht. „An der Kommunikation werden wir arbeiten“, versprach der neue Gesundheitsminister.

Wieler selbst verteidigte seine Vorschläge. Er sehe „keinerlei Widerspruch“ zu einer Vorlage des Expertenrats der Bundesregierung, dem auch er selbst angehört. Dieses Gremium habe lediglich dazu aufgefordert, etwas zu tun, ohne genauer zu sagen, was. Wieler fuhr fort: „Das RKI ist eben eine Institution, die das dann in konkrete Empfehlungen ummünzt.“ Das RKI ist ein Forschungsinstitut der Bundesregierung, das zum Geschäftsbereich des Gesundheitsministeriums gehört. Lauterbach ist also quasi Wielers Chef.

Der RKI-Chef lobte dennoch die von Bund und Ländern für die Zeit nach Weihnachten beschlossenen Maßnahmen trotz seiner deutlich weitergehenden Empfehlung als „sehr, sehr gut“. „Es sind stringente Maßnahmen, die werden das Infektionsgeschehen verlangsamen.“ Ob er die Maßnahmen für ausreichend hält, wollte er aber nicht sagen: „Ob ich zufrieden oder unzufrieden bin, ist völlig irrelevant.“

Viele Bundesländer handeln bereits im Alleingang

Bund und Länder hatten am Vortag beschlossen, dass spätestens ab 28. Dezember – neben Kontaktreduzierungen auch für Geimpfte und Genesene – Großveranstaltungen wieder vor leeren Rängen stattfinden müssen und Clubs und Diskotheken geschlossen werden. Vorerst unangetastet blieben Cafés und Restaurants.

Wie dem auch sei, inzwischen haben sowieso bereits viele Bundesländer die eigene Notbremse gezogen und schon für Weihnachten schärfere Maßnahmen beschlossen. In Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gelten die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene bereits ab dem 24. Dezember, also auch an den Weihnachtstagen dürfen sich nur zehn Personen treffen. Niedersachsen, Schleswig-Holstein und auch Berlin wollen die Corona-Regeln erst nach den Festtagen verschärfen. Doch auch in der Hauptstadt werde rasch reagiert, wenn sich die Lage verschlimmere, hieß es.

Doch ob die Maßnahmen reichen, die in der Ministerpräsidenten-Konferenz am Dienstag beschlossen worden waren, wird sich zeigen. Geht es nach Lauterbach, könne in Deutschland eine erneute Verschlimmerung der Corona-Pandemie durch die hochansteckende Omikron-Variante noch abgewendet werden – auch ohne neuen Lockdown. „Da bin ich zuversichtlich“, sagte Lauterbach.

Lauterbach setzt verstärkt auf Booster-Kampagnen

Die Bund-Länder-Beschlüsse vom Vortag beschleunigten nun zusätzlich das Absinken der Infektionszahlen, sagte er. „Wir werden einen weiteren Rückgang der Fälle sehen, und wir werden in dieser Zeit die Booster-Kampagne fahren“, so Lauterbach. „Somit versuchen wir, eine besonders schwere Omikron-Welle noch abzuwenden.“ Er bat darum, dass über die Feiertage auch alle Impfzentren und Arztpraxen geöffnet haben sollten, damit weiterhin Impfungen stattfinden können. Er verwies ebenso darauf, dass Menschen über 30 Jahren beim Boostern auf Moderna zurückgreifen sollten, auch wenn sie die ersten Immunisierungen mit dem Serum von Biontech erhalten hätten. Hintergrund ist, dass Moderna ausreichend vorhanden ist. Der andere Impfstoff nicht.

Wie stark Omikron derzeit verbreitet ist, ist unklar. In Deutschland seien bisher rund 540 Omikron-Fälle und rund 1850 Verdachtsfälle ans RKI übermittelt worden, sagte Wieler. Diese Daten seien überwiegend ein bis zwei Wochen alt. „Der Trend ist glasklar: Bei einer Verdopplungszeit von etwa drei Tagen könnte die neue Variante in den nächsten ein, zwei, spätestens drei Wochen bereits die Mehrzahl aller Infektionsfälle in unserem Land ausmachen.“ Über die Feiertage und den Jahreswechsel wird die Infektionslage laut Wieler dabei unvollständig in Meldedaten abgebildet werden.