Bei den laufenden Friedensgesprächen in Berlin für ein Ende des Ukraine-Krieges steht neben der US-Delegation und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auch Bundeskanzler Friedrich Merz im Fokus des medialen Interesses.
Was dabei aber nicht vergessen werden darf: Die Gespräche hätten – auch in Berlin – schon vor über fünf Wochen stattfinden können, wenn Bundeskanzler Friedrich Merz dafür das politische Gespür und den Mut besessen hätte.
Merz hat die deutsche Rolle geschwächt
Stattdessen offenbart sich ein historisches Versagen deutscher und europäischer Diplomatie, während Washington und Moskau längst über Europas Kopf hinweg die Nachkriegsordnung aushandeln – nun eben in der deutschen Bundeshauptstadt.
Anders ausgedrückt: Die Gespräche für ein Ende des Krieges in der Ukraine finden zur Stunde im Kanzleramt statt, Medienberichten zufolge nur teilweise mit Friedrich Merz‘ Teilnahme. Eingeladen haben die USA. Besser kann man das derzeitige transatlantische Kräfteverhältnis nicht illustrieren.
Was geschah am 4. November?
Bereits am 4. November hatte die deutsche Seite einen detaillierten Plan erhalten, der erstmals einen pragmatischen Weg zur Beendigung des Ukraine-Krieges aufzeigte. Das berichtete damals die Berliner Zeitung unter Berufung auf exklusive Quellen.
Dieser Plan, ausgearbeitet von Vertretern aus Kiew, Moskau und Washington, bot gesichtswahrende Lösungen für beide Seiten: umstrittene Territorien unter vorläufiger Kontrolle, Sicherheitsgarantien außerhalb der Nato für die Ukraine, einen Stopp der Nato-Osterweiterung und eine raffinierte Wiederaufbau-Finanzierung durch freiwillige russische Beiträge.
Berlin schwieg
Doch Berlin schwieg – fast drei Wochen lang. Keine Initiative, kein Versuch, sich konstruktiv einzubringen. Diese Passivität ist umso unverständlicher, als Deutschland historisch stets die Schlüsselrolle im Dialog mit Russland innehatte – von Brandts Ostpolitik über Kohls Wiedervereinigungsverhandlungen bis zu Schröders Energiepartnerschaft.
Später legte Washington dann einen härteren 28-Punkte-Plan vor, der für die Ukraine deutlich ungünstiger ausfällt: De-facto-Anerkennung russischer Kontrolle über Krim, Luhansk und Donezk, Begrenzung der ukrainischen Streitkräfte auf 600.000 Mann, US-geführter Wiederaufbau mit 50-prozentiger US-amerikanischer Gewinnbeteiligung. Von Europa ist in diesem Plan keine Rede mehr.
Seither befinden sich die EU-Staaten im Abwehrkampf gegen den US-Vorstoß. Die heutigen Verhandlungen sind auch ein Ergebnis dieser Handlungen oder – besser gesagt – unterlassenen Handlungen.
Berlin als ideologisches Risiko
Washington betrachtet Berlin und Brüssel mittlerweile als „ideologische Risiken“ für eine Friedenslösung – zu unflexibel, zu wenig pragmatisch. Die deutsche Diplomatie gilt in Moskau als zerrüttet; symbolisch dafür steht, dass der deutsche Botschafter kein Russisch spricht – ein Novum in der deutsch-russischen Beziehungsgeschichte.
Merz' späte Reaktion, Europa müsse bei Friedensverhandlungen dabei sein, wirkt hilflos angesichts der bereits geschaffenen Fakten. Während er noch von „robusten Garantien“ spricht, haben Washington und Moskau längst die Weichen gestellt. Die multipolare Weltordnung ist Realität geworden – mit Europa als Statist, nicht als Gestalter.

