Europäische Energieversorgung

Transitstopp für russisches Gas: Slowakei plant Maßnahmen gegen Ukraine-Flüchtlinge

Wird der Streit zwischen beiden Ländern eskalieren? Der slowakische Ministerpräsident droht mit Kürzungen für 130.000 ukrainische Flüchtlinge und mit Stromboykott.

Warnt vor einem Nato-Beitritt der Ukraine: Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico, hier bei einem Treffen in Prag.
Warnt vor einem Nato-Beitritt der Ukraine: Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico, hier bei einem Treffen in Prag.Petr David Josek/AP/dpa

Aus Ärger über den Transitstopp der Ukraine für russisches Gas droht die slowakische Regierung mit einer schlechteren Behandlung der gut 130.000 in der Slowakei lebenden ukrainischen Flüchtlinge. Er werde in seiner Koalition darüber sprechen, die Unterstützung für Ukrainer in der Slowakei einzuschränken, sagte Ministerpräsident Robert Fico in Bratislava. Einzelheiten nannte er nicht.

Außerdem wiederholte Fico seine Drohung, die Slowakei könne ihre Stromlieferungen in die benachbarte Ukraine einstellen. Beide Regierungen sind derzeit nicht gut aufeinander zu sprechen. Vor Weihnachten hatte Fico dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj den Versuch der Bestechung vorgeworfen. Obendrein bezeichnete er die Abtretung ukrainischen Territoriums als Voraussetzung für eine Friedenslösung und sprach sich gegen einen ukrainischen Nato-Beitritt aus. Solche Gedanken gelten in Kiewer Regierungskreisen als Ketzerei.

Kiew hatte den Transit russischen Gases in die Europäische Union zum Jahreswechsel eingestellt, nachdem die Verlängerung des Durchleitungsvertrags zwischen der ukrainischen Naftogaz und der russischen Gazprom nicht zustande gekommen war. Die Ukraine hatte lange zuvor angekündigt, den Vertrag nicht verlängern zu wollen. Auch das Nicht-EU-Mitglied Moldawien ist von dem Transitstopp erheblich betroffen.

Mit dem Ende der Lieferungen endet die über 50-jährige Versorgung West- und Mitteleuropas mit preisgünstigem und qualitativ hochwertigem russischen Erdgas. Vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine lieferte Russland in manchen Jahren bis zu 40 Prozent des in der EU verbrauchten Gases. Zuletzt waren es noch rund acht Prozent.

Verzicht auf russisches Gas kostet Europa 60 bis 70 Milliarden Euro

Einige Mitgliedstaaten, besonders Österreich, Ungarn und die Slowakei, waren dennoch bis zuletzt auf die Gazprom-Lieferungen angewiesen. Laut Robert Fico belastet der Verzicht der EU auf russisches Gas die europäische Industrie und die europäischen Verbraucher mit Mehrausgaben von 60 bis 70 Milliarden Euro im Jahr.

In der Slowakei spürt man nicht nur die Folgen des Transitstopps mitten im kalten Winter. Das Land, so Fico in einem auf Facebook veröffentlichten Video, verliere durch die Maßnahme 500 Millionen Euro Transitgebühren im Jahr. Bis Jahresende floss auch Gas für Österreich und Tschechien durch die slowakische Röhre.

Fico verlangt jetzt Entschädigung. Dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj warf er Sabotage vor. Den Russen mache der Transitstopp „praktisch nichts aus“. Lediglich die Vereinigten Staaten profitierten von Selenskyjs Entscheidung; deren Gasexporte nach Europa nähmen weiter zu. Die Slowakei werde jetzt in Brüssel und Bratislava nach Lösungen suchen.

Auch das russische Außenministerium bezeichnete die europäischen Verbraucher als Verlierer des Gastransitstopps. Es werde nicht nur das wirtschaftliche Potenzial der EU wegen hoher Energiepreise geschwächt, sondern auch negative Auswirkungen auf das Leben der Europäer geben, sagte die Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa in Moskau. Vor allem die deutsche Wirtschaft, die lange von vergleichsweise günstigen Gaslieferungen aus Russland profitiert habe, sei zum „Opfer der USA“ geworden.

Experten gehen davon aus, dass Gazprom durch den geringeren Export rund fünf Milliarden Euro an Einnahmen verliert. Einen Teil kann das russische Unternehmen wahrscheinlich über größere Lieferungen durch die Schwarzmeer-Pipelines TurkStream und Blue Stream kompensieren. Die Ukraine verzichtet mit ihrer Entscheidung auf 800 Millionen US-Dollar an jährlichen Transitgebühren.

In Kiew ist man wegen des angedrohten Endes slowakischer Stromlieferungen nicht besorgt. Das betonte der oberste Energiebeamte des Landes noch am Silvestertag. In einem Interview mit dem amerikanischen Magazin Politico sagte der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko: „Ich glaube nicht, dass sie das tun werden.“ Ein solcher Schritt wäre „absolut konträr“ zu den EU-Regeln. Kiew habe sich deswegen auch bereits an die Europäische Kommission gewandt.

In der Zwischenzeit könne Kiew, so Haluschtschenko, den verlorenen Strom durch Importe aus Rumänien und Polen ersetzen. Warschau habe bereits seine Unterstützung für den Fall eines Stromausfalls angeboten. Wenn „das Ziel darin besteht, der Ukraine Schmerzen zu bereiten, dann funktioniert das in dieser Situation nicht“.