Sind Donald Trumps Emissäre, die einen Frieden zwischen der Ukraine und Russland vermitteln sollen, Hochstapler? Den Eindruck muss man gewinnen, wenn man ein Interview analysiert, das Trumps Sonderbotschafter für den Frieden, Steve Witkoff, dem Journalisten Tucker Carlson gegeben hat (ganzes Interview am Ende des Artikels). Witkoff hat keinen politischen oder gar diplomatischen Hintergrund. Er kommt aus der Immobilienbranche. Das müsste an sich noch kein Makel sein.
Doch Witkoff, dem der amerikanische Präsident das Zustandekommen eines Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas zugeschrieben hat, weist offenkundig große Wissenslücken auf, die er auch nicht zu schließen gewillt oder imstande ist. Hinzu kommt, dass er einräumt, er habe noch nie einen Hamas-Vertreter persönlich getroffen. Alle Kontakte seien über Vertreter Katars gelaufen, eines „wahren“ Verbündeten der USA. Witkoff sagte über die Hamas-Leute, mit denen er angeblich verhandelt hatte: „Ich war noch nie wirklich mit ihnen im selben Raum, was schon etwas seltsam ist, finden Sie nicht? Wie bei einer Verhandlung, bei der man die andere Partei nicht vor sich hat. Man weiß nicht einmal, ob der Typ hinter der Wand der Zauberer von Oz ist oder nicht.“
Witkoffs Hauptqualifikation scheint seine totale, fast kindische Ergebenheit gegenüber Trump zu sein. So sagte er in dem Interview, was er als junger Immobilienmann von Trump hielt: „Ich wusste übrigens, dass ich so sein wollte wie er. Jeder wollte so sein wie er. Er kam in die Park Avenue 101, wo ich Anwalt war. Er hatte diesen verwegenen Stil. Immer wenn ich ihn hereinkommen sah, sagte ich: ,Gott, ich will so sein wie er.‘ Ich will nicht der Anwalt sein. Ich will nicht der Schreiberling sein. Ich will so ein Mann sein. Ja, ich kann mich daran erinnern, das gesagt zu haben. Er war für mich wie der Michael Jordan der Immobilienbranche.“
Tucker Carlson fragt Witkoff, wie er zu den Russland-Verhandlungen gekommen sei: „Sie gehen also hin und überbringen die Botschaft des Präsidenten: Es gibt einen Waffenstillstand in Gaza. Und der Präsident sagt: ,Wow, Steve Witkoff, mein Freund aus der Immobilienbranche, du bist wirklich gut darin.‘ Er schickt Sie nach Russland. War es so?“ Witkoff antwortet, diese Darstellung sei „nicht weit entfernt von der Wahrheit“.
Witkoff, der kürzlich überraschend von Russlands Präsident Wladimir Putin empfangen wurde, spricht in dem Interview über die Kernproblematik des Krieges und eines möglichen Friedens: Es geht um die vier Oblaste, die die russische Armee im Kriegsverlauf weitergehend erobert hat. Allerdings war Russland trotz seiner massiven militärischen Überlegenheit noch nicht in der Lage, die Gebiete vollständig unter seine Kontrolle zu bringen. Über die Zukunft der vier Oblaste spricht Witkoff in dem Interview – und lässt sich dabei ertappen, dass er nicht weiß, um welche Oblaste es geht. Der Dialog läuft grotesk ab:
STEVE WITKOFF: Nun, ich denke, das größte Problem in diesem Konflikt sind diese sogenannten vier Regionen. Donbass, Krim ... Sie kennen die Namen.
TUCKER CARLSON: Lugansk.
STEVE WITKOFF: Ja, Lugansk. Und es gibt noch zwei weitere. Sie sind russischsprachig. Es gab Referenden, bei denen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung signalisiert hat, dass sie unter russischer Herrschaft bleiben will.
TUCKER CARLSON: Ja.
STEVE WITKOFF: Ich denke, das ist das Kernproblem des Konflikts. Sobald dieser Konflikt geklärt ist – und wir führen sehr positive Gespräche –, wird Russland die Kontrolle übernehmen.
TUCKER CARLSON: Tatsächlich gehören einige dieser Gebiete aus russischer Sicht mittlerweile zu Russland, richtig?
STEVE WITKOFF: Das stimmt. Aber das war schon immer das Problem.
TUCKER CARLSON: Richtig.
STEVE WITKOFF: Und niemand will darüber reden. Das ist der Elefant im Raum. Der Elefant im Raum sind die verfassungsrechtlichen Fragen innerhalb der Ukraine, die sich darauf beziehen, welche Zugeständnisse sie im Hinblick auf die Aufgabe von Gebieten machen kann. De facto kontrollieren die Russen diese Gebiete.
TUCKER CARLSON: Ja.
STEVE WITKOFF: Die Frage ist: Wird die Welt anerkennen, dass es sich um russische Gebiete handelt? Wird Selenskyj politisch überleben, wenn er dies anerkennt? Das ist der zentrale Punkt des Konflikts. Absolut.
In dem Dialog wird klar, dass Witkoff wenig zu verstehen scheint, worum es geht. Er hätte wissen müssen, um welche Gebiete es sich handelt. Putin selbst hat in einer Rede vor dem Krieg gesagt: „Die Bewohner von Lugansk und Donezk, Cherson und Saporischschja werden für immer unsere Bürger.“ Die Krim war zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig annektiert. Doch Witkoff scheint von Putin geradezu verzaubert zu sein. Das Interview geht weiter:
TUCKER CARLSON: Was hielten Sie von Putin?
STEVE WITKOFF: Ich mochte ihn.
TUCKER CARLSON: Ja.
STEVE WITKOFF: Ich dachte, er wäre ehrlich zu mir. Natürlich, wie ich das gesagt habe. Und Sie können sich vorstellen, wie ich so an den Pranger gestellt werde: „Oh mein Gott. Sie sagen tatsächlich, dass Ihnen das gefällt.“
TUCKER CARLSON: Jeder amerikanische Präsident bis Biden hat das gesagt. Jeder einzelne.
STEVE WITKOFF: Ja.
TUCKER CARLSON: Bill Clinton hat das gesagt. George W. Bush hat das gesagt. Barack Obama hat das gesagt. Jeder Präsident weltweit, mit dem ich je gesprochen habe, meint, er mag mit Russlands Verhalten nicht einverstanden sein oder was auch immer, aber er sagt: „Wissen Sie, Putin ist ein ehrlicher Mensch.“
STEVE WITKOFF: Zunächst einmal fand ich es sehr großzügig von ihm, mich zu empfangen.
TUCKER CARLSON: Ja.
STEVE WITKOFF: Mich zu empfangen. Warum sollte ich es anders interpretieren? Aber es war großzügig. Jetzt bin ich ein Abgesandter des Präsidenten.
TUCKER CARLSON: Ja.
STEVE WITKOFF: Und der Präsident hatte in seiner ersten Amtszeit ein hervorragendes Verhältnis zu Wladimir Putin. Ich denke, Wladimir Putin wusste, dass es für den Präsidenten zu diesem Zeitpunkt schwierig werden würde, nach Russland zu kommen. Ich denke, sie werden sich in den nächsten Monaten treffen. Aber ich finde es sehr großzügig von ihm, mich zu empfangen. Und das muss ich anerkennen.
TUCKER CARLSON: So etwas zu sagen, erfordert Mut.
STEVE WITKOFF: Ich weiß, aber im Übrigen ist das dasselbe, wie ich gesagt habe, Scheich Mohammed sei ein guter Mensch, denn das ist –
TUCKER CARLSON: Nun ja, er ist ein guter Mensch.
STEVE WITKOFF: Ja. Ich meine, wenn man sich in unserem Land nicht wie ein Lemming verhält und einfach wie alle anderen von der Klippe springt, dann wird man angegriffen. Wie sollen wir übrigens einen Konflikt mit dem Chef einer großen Atommacht beilegen, wenn wir nicht Vertrauen und ein gutes Verhältnis zueinander aufbauen? Ich weiß nicht, wie man so etwas anstellen soll. Und Präsident Putin sagte bei unserem ersten Treffen zu mir: „Steve, weißt du, dass ich dreieinhalb Jahre lang nicht mit Joe Biden gesprochen habe?“
Witkoff erzählt weiter über seine persönliche Annäherung an Putin: „Bei meinem zweiten Besuch wurde es persönlich. Präsident Putin hatte bei einem führenden russischen Künstler ein wunderschönes Porträt von Präsident Trump in Auftrag gegeben und es mir geschenkt. Er bat mich, es mit nach Hause zu Präsident Trump zu bringen. Ich brachte es nach Hause und übergab es ihm. Es war ein so freudiger Moment. Und er erzählte mir eine Geschichte, Tucker, wie er, als Präsident Trump angeschossen wurde, in seine Ortskirche ging, seinen Priester traf und für ihn betete – nicht, weil er Präsident der Vereinigten Staaten war oder Präsident der Vereinigten Staaten werden könnte, sondern weil er mit ihm befreundet war und für seinen Freund betete. Können Sie sich vorstellen, dort zu sitzen und solchen Gesprächen zuzuhören?“
Man kann davon ausgehen, dass die russischen Diplomaten unter Außenminister Sergej Lawrow ausgebufft genug sind, um die Kombination von Ahnungslosigkeit und Unterwürfigkeit aufseiten der Top-Verhandler zu durchschauen. Einen wie Witkoff verspeist Lawrow normalerweise zum Frühstück. Allerdings ist auch Lawrow selbst schon längst nicht mehr in Hochform. In einem Interview mit amerikanischen Bloggern mäanderte Lawrow durch die Geschichte und beklagte sich darüber, dass er bei einem Aufenthalt in Skandinavien eine geschlechtsneutrale Toilette benutzen musste.
Jedenfalls sind die Russen nicht naiv: Sie wissen, dass der kurzfristige mediale Erfolg sie in der Sache nicht weiterbringt. Putin scheint schon erkannt zu haben, dass „Verhandlungen“ mit Leuten vom Kaliber des Immobilienmaklers Witkoff zu nichts führen. Vor russischen Unternehmern sagte Putin in der vergangenen Woche, sie sollten sich darauf einstellen, dass die westlichen Sanktionen gegen Russland dauerhaft sein würden, ebenso wie der Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem Swift. Der Fokus Russlands werde auf einer vertieften Integration der Brics-Staaten liegen. Dies betreffe insbesondere den Ausbau von Technologien und Finanzinstitutionen für den globalen Zahlungsverkehr.
In der Ukraine stießen Witkoffs Aussagen auf Entsetzen: Alexander Mereschko, Vorsitzender des Ausschusses für Außenpolitik und interparlamentarische Zusammenarbeit der Rada, sagte Radio Liberty: „Das sind einfach schockierende und beschämende Aussagen. Ich weiß nicht, woran es liegt – an Oberflächlichkeit, Naivität, mangelnder Sachkenntnis. Aber hier handelt es sich um einen Vertreter des Präsidenten, der die Angelegenheit professionell verstehen und die grundlegenden Fakten kennen muss.“ Ihm zufolge wissen der Außenminister Marco Rubio und der Nationale Sicherheitsberater Mike Waltz, was auf dem Spiel steht, sie teilten nicht die Ansichten von Witkoff.

