Ukraine, Südkaukasus, Nahost, Indopazifik – scheinbar überall werden Grenzen verschoben, Waffenruhen verhandelt, Einflusssphären neu vermessen. Gipfeltreffen folgen auf Krisensitzungen, während Großmächte versuchen, sich im Gleichgewicht zu halten, ohne den nächsten großen Konflikt auszulösen. Doch diese Mechanismen sind nicht neu. Ein Blick auf den Fürst von Metternich zeigt, wie schon vor zwei Jahrhunderten aus widerstreitenden Interessen ein fragiles, aber tragfähiges Machtgefüge entstand – und warum diese Kunst heute dringender gebraucht wird denn je.
Clemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich ist in der europäischen Erinnerungsliteratur meist auf ein Etikett reduziert worden: Reaktionär. Kaum ein anderer Staatsmann des 19. Jahrhunderts wurde derart einseitig zum Konservativen der Geschichte stilisiert. Umso verdienstvoller ist es, dass Muamer Bećirović mit seiner Biografie „Clemens Wenzel von Metternich oder Das Gleichgewicht der Mächte“ den Blick weitet – nicht durch Verklärung, sondern durch analytische Einordnung. Herausgekommen ist kein klassisches Lebensbild, sondern ein politisch-historischer Essay in biografischer Form. Die Stärke des Buches liegt in der Verbindung von historischer Tiefenschärfe und außenpolitischem Denken: Bećirović liest Metternich nicht als bloßen Akteur vergangener Zeiten, sondern als Denkfigur für unsere Gegenwart.

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