Inszenierte Krisenführung

Merz und der Ukrainekrieg: Sie hatten Ihre Chance, Herr Bundeskanzler

Der Kanzler will plötzlich ein Krisenmanager sein. Späte Telefonate und vermeintlich große Gesten sollen staatsmännische Führung zeigen. Ein Trauerspiel.

Deutschland hätte eine wichtige Rolle im russisch-ukrainischen Verhandlungsprozess spielen können. Doch das Bundeskanzleramt verzichtet.
Deutschland hätte eine wichtige Rolle im russisch-ukrainischen Verhandlungsprozess spielen können. Doch das Bundeskanzleramt verzichtet.dts Nachrichtenagentur/imago

Friedrich Merz entdeckt plötzlich den Friedensengel in sich. Und das ausgerechnet jetzt, wo die diplomatischen Leitungen heißlaufen. Monatelang hatte der Bundeskanzler für jeden außenpolitischen Konflikt nur ein nervöses Augenrollen übrig, doch kaum riecht er eine gewisse geopolitische Schwerkraft, greift er zum Telefonhörer, als wäre Berlin die letzte Schaltstelle zwischen Kiew, Washington und Moskau.

Es ist leicht zu durchschauen, dass sich Merz nun als Krisenmanager inszenieren will. Doch mit Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump zu telefonieren, ist keine Glanzleistung, sondern das politische Minimum dessen, was man erwarten könnte. Und selbst das kommt viel zu spät. Wenn Merz wirklich Mut beweisen wollte, sollte er bei Kremlchef Wladimir Putin durchklingeln. Das würde wahre staatsmännische Größe zeigen.

Kanzleramt soll seit Wochen Bescheid gewusst haben

Während das Kanzleramt offenbar schon seit Anfang November über die russisch-ukrainischen Pläne Bescheid wusste – ebenso die Sicherheitskreise, die Merz in eben diesen Fragen beraten –, schweigt man auf Nachfragen nun betreten. Transparenz ist eben schwierig, wenn man gerade versucht, möglichst staatsmännisch auszusehen.

Dass Merz dann kurzfristig Termine absagt, um „interne Gespräche“ zu führen, legt vor allem eines nahe: Die Inszenierung soll auch medial sitzen. Sogenannte E3-Gespräche (mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Großbritanniens Premierminister Keir Starmer), Telefonate mit Trump und Selenskyj – große Namen für einen großen Auftritt. Am Ende bleibt aber der Eindruck eines Kanzlers, der in der größten sicherheitspolitischen Krise Europas nicht führt. Sondern zögert, zagt und zaudert.