Nach weniger als einem Jahr nach dem Massaker des 7. Oktober 2023 haben wir es im angeblich vereinten Deutschland schon geschafft, die Diskussion um den Nahostkonflikt so zu ritualisieren, wie das der alten, westdeutschen Bundesrepublik in Bezug auf „Krieg und Vertreibung“ erst Jahrzehnte nach dem Kriegsende gelungen ist. Damals musste jeder, der vor einem linken Publikum sprach, erst einmal über Hitler reden, bevor er über die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten reden konnte, ohne ausgebuht oder mit harten Gegenständen beworfen zu werden. Und jeder, der vor einem konservativen Publikum auftrat, musste bei Erwähnung deutscher Verbrechen sofort die Vertreibung der Deutschen anführen, am besten im gleichen Atemzug.
Wer heute Israel kritisieren will, muss erst einmal ganz entschieden und kategorisch das Hamas-Massaker vom 7. Oktober verurteilen, sonst hagelt es Vorwürfe von Israel-bezogenem Antisemitismus oder Schlimmerem. Und wer Hamas und Hisbollah kritisieren will, der muss darauf hinweisen, dass der 7. Oktober angeblich eine Vorgeschichte hatte.

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