Kolumne

Europa im Niedergang: Wie wir mit Afrika wieder zu Wohlstand kommen

Italien und die EU planen eine engere Anbindung an Afrika. Das Projekt könnte Europas Rolle in der Welt stärken. Zeit, groß zu denken, meint unser Autor.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni und der Präsident der Afrikanischen Union, Mahamoud Ali Youssouf, bei der Präsentation des Mattei-Plans und der EU-Global-Gateway-Initiative im Juni 2025 in Rom
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni und der Präsident der Afrikanischen Union, Mahamoud Ali Youssouf, bei der Präsentation des Mattei-Plans und der EU-Global-Gateway-Initiative im Juni 2025 in RomRiccardo De Luca/imago

Die Zukunft Europas wird weitgehend davon abhängen, welche Art von Beziehungen es – freiwillig oder unfreiwillig – zum afrikanischen Kontinent aufbauen kann. Handel, politische Stabilität, Sicherheitsrisiken, Energieversorgung, Migrationsströme und sogar Datenrouten sind nur einige der Bereiche, die bei kluger Handhabung eine prosperierende Zukunft für Europa sichern könnten.

Der Mattei-Plan greift genau diese langfristige Vision auf und schlägt eine Reihe von Initiativen vor, um die Zusammenarbeit Italiens mit wichtigen afrikanischen Partnern zu vertiefen. Das Programm „Global Gateway EU-Africa“ der Europäischen Kommission geht in die gleiche Richtung und zielt darauf ab, die Interkonnektivität des Kontinents zu stärken.

Tunnel soll Europa und Afrika verbinden

In diesem Rahmen kommt der Verbindungsinfrastruktur zwischen Europa und Afrika eine entscheidende Bedeutung zu. Luft- und Seewege sowie Unterwasserkabel für die Energie- und Datenübertragung dienen bereits heute als Lebensadern im Mittelmeerraum.

Aber eine wesentliche Verbindung fehlt: ein Tunnel. Es wird eine neue Verbindungsinfrastruktur benötigt, die den Austausch beschleunigt, Transitzeiten und -kosten reduziert und die Verbindung zwischen Europa und Afrika effizienter macht. Ein Tunnel, der Sizilien mit Tunesien verbindet, könnte genau das leisten. Als multifunktionaler Korridor für Züge, Güter, Daten und Energie konzipiert, würde er eine natürliche Erweiterung der geplanten Brücke über die Straße von Messina darstellen.

Zusammen würden diese Infrastrukturen ein strategisches Rückgrat für Italien und Europa bilden, mit weitreichenden wirtschaftlichen und geopolitischen Auswirkungen. Angesichts des wachsenden wirtschaftlichen und politischen Gewichts Afrikas und des raschen Fortschritts der Ingenieurtechnologien ist es nicht unrealistisch, dass eine solche Infrastruktur innerhalb weniger Jahrzehnte Gestalt annimmt.

Spanien und Marokko prüfen bereits eine ähnliche Verbindung über die Straße von Gibraltar, und Griechenland baut sein Netz im östlichen Mittelmeerraum aus. Beide Projekte sind interessant, bleiben aber aufgrund ihrer geografischen Randlage suboptimal.

Vergleichbare Projekte gibt es bereits weltweit: der Seikan-Tunnel in Japan, der Kanaltunnel zwischen Frankreich und Großbritannien, die Öresund-Verbindung zwischen Dänemark und Schweden und der geplante Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Dänemark und Deutschland, der Rogfast-Tunnel in Norwegen und der Jintang-Tunnel in China. Ihre Umfänge mögen unterschiedlich sein, aber nicht ihre Ambitionen. Selbst in Alaska wurde der einst theoretische „Trump-Putin“-Tunnel unter der Beringstraße ernsthaft diskutiert.

Europa könnte wieder globale Bedeutung erlangen

Natürlich sind die technischen und finanziellen Herausforderungen beträchtlich. Der Tunnel wäre circa 120 km lang und würde auf einem Meeresboden liegen, der nicht tiefer als ein paar hundert Meter ist. Technische Probleme werden bereits von großen Ingenieurbüros untersucht. Die Kosten würden sich auf mehrere zehn Milliarden belaufen, aber internationale Banken wie die Weltbank, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und Investmentfonds wie BlackRock könnten das Projekt finanzierbar finden.

Auch die strategischen und politischen Auswirkungen der italienisch-afrikanischen Konnektivität verdienen umfassende Berücksichtigung. So ehrgeizig es auch erscheinen mag, genau diese Art von langfristigem Projekt braucht Europa: ein Projekt, das das Vertrauen wiederbeleben, konkrete wirtschaftliche Perspektiven bieten und die kontinentale Relevanz in einer sich schnell verändernden Welt bekräftigen kann.

In einer Zeit des Niedergangs Europas müssen Italien und Europa als Ganzes wieder den Mut haben, groß zu denken. Das Mittelmeer, einst Wiege der Zivilisation, könnte zum Startpunkt für eine neue Ära nachhaltigen Wohlstands werden, in der Kontinente nicht nur geografisch, sondern auch durch ein gemeinsames Schicksal miteinander verbunden sind.

Raffaele Marchetti ist Professor und Spezialist für Internationale Beziehungen an der privaten LUISS-Universität in Rom.