Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzesentwurf zur Freigabe von Cannabis für Menschen beschlossen, die älter als 18 Jahre sind. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einer „langfristigen Wende der deutschen Drogenpolitik“. Drei große Probleme würden damit angegangen: ein zunehmender Konsum der Droge, insbesondere unter Kinder und Jugendlichen. Außerdem die Kriminalität im Zusammenhang mit Cannabis, die 50 Prozent der Drogenkriminalität ausmache. Sowie der große Schwarzmarkt mit all seinen Unwägbarkeiten, etwa was die Reinheit der Droge angeht oder die Dosierung. Am Ende muss der Bundestag entscheiden.
Lauterbach hob insbesondere die Bedeutung des Kinder- und Jugendschutzes hervor und kündigte ein umfassendes Präventionsprogramm an. Die gesundheitlichen Gefahren wie mögliche Psychosen würden transparent gemacht. Auch seien Sicherheitszonen um Schulen und Spielplätze geplant, in denen kein Cannabis konsumiert werden dürfe.

Erwerb und Besitz von Cannabis bis zu einer Höchstmenge von bis zu 25 Gramm zum privaten Konsum sollen straffrei sein. Privater Eigenanbau wird in begrenztem Umfang erlaubt mit drei Pflanzen pro Person. Für Heranwachsende unter 18 Jahren gilt weiterhin das bisherige Verbot. Gleichzeitig solle die Suchtprävention gestärkt, niederschwellige Angebote ausgebaut werden, so Lauterbach. 13 Millionen sollen zunächst dafür ausgegeben werden.
Verkauft werden soll die Droge über sogenannte Clubs. Diese sollen maximal 500 Mitglieder umfassen. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die Clubs so überschaubar bleiben“, sagte Lauterbach. Auf diese Weise sei eine Kontrolle des Mindestalters dieser Anbauvereine noch praktikabel zu gewährleisten. An Mitglieder dürfen demnach bis zu 50 Gramm pro Monat abgegeben werden, an unter 21-Jährige lediglich 30 Gramm. Das Interesse an den Anbauvereinen sei groß.
Ziel des Gesetzes sei es, durch diese Konstruktion den Schwarzmarkt zurückzudrängen. Die Regelungen seien dazu geeignet, die Legalisierung erfolgreich zu gestalten. „Die beste Form der Legalisierung, die jemals versucht wurde“, nannte Lauterbach das Vorhaben. Er habe die Fehler studiert, die etwa in den USA oder den Niederlanden gemacht worden seien, und habe daraus gelernt.
Für Jugendliche stehen Besitz und Konsum weiterhin unter Strafe. Er würde sich wünschen, dass Cannabis-Missbrauch unter Heranwachsenden nun nicht nur stagniere, sondern sogar gesenkt werden könne, sagte der SPD-Minister. Der Schwerpunkt „Legalisierung bei gleichzeitiger Benennung der Gefahren“ werde wirken. In Kürze werde in sozialen Netzwerken eine Aufklärungskampagne gestartet, „mit der wir alle jungen Leute erreichen“.
Für Berlin hat das Gesetz eine besondere Tragweite. Nirgendwo sonst in Deutschland konsumieren Heranwachsende mehr Cannabis als in der Hauptstadt. Schlimmer noch: Etwa die Hälfte der Konsumenten kifft auf einem problematischen, vielfach sogar gesundheitlich riskanten Niveau. Das stellt eine aktuelle Studie fest, die die Fachstelle für Suchtprävention Berlin unlängst präsentierte.

Studie: Vielen Jugendlichen droht Cannabis-Konsumstörung
Für die Studie befragt wurden 2410 Personen im Alter zwischen 16 und 27 Jahren, und zwar im vergangenen Herbst. In Auftrag gegeben hat sie der Senat. Gekostet hat sie 100.000 Euro. Wie weitreichend die Freigabe insbesondere für Berlin sein könnte, verdeutlichen die 44 Prozent der Befragten, die angaben, in ihrem Leben mindestens einmal Gras oder Haschisch konsumiert zu haben. Der Studie zufolge könnten 45,5 Prozent von einer Cannabis-Konsumstörung, etwa einer Psychose, betroffen sein.
Befürworter der teilweisen Freigabe argumentieren deshalb auch genau so: Die bisherige Verbotspolitik sei gescheitert, Cannabis werde trotzdem immer mehr konsumiert. Auf dem Schwarzmarkt hätten die Kunden aber keine Sicherheit. Der Wirkstoffgehalt bei von Dealern gekauften Drogen sei unklar, es können außerdem gefährliche Stoffe beigemischt sein.
Kritiker der Freigabe gehen jedoch nicht davon aus, dass der Schwarzmarkt durch eine Legalisierung verschwindet. Wenn wie geplant 25 Gramm Cannabis für den Eigenbedarf erlaubt seien, argumentieren sie, könnten Dealer immer nur maximal diese Menge mit sich führen und kaum belangt werden, es sei denn, sie werden direkt bei einer Übergabe erwischt.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek gehört zu diesen Kritikern. „Die Grenzen zwischen Konsument und Kleindealer verschwimmen völlig“, sagte der CSU-Politiker unlängst. Das mache es unmöglich, Dealer zu verfolgen. „Hinzu kommt, dass selbst der illegale Erwerb von bis zu 25 Gramm Cannabis auf dem Schwarzmarkt für die Käufer künftig straffrei werden soll – und das unabhängig vom Alter.“
Berlins Jugendliche wissen zu wenig über Cannabis-Gefahren
Die Berliner Studie ergab, dass das Wissen der jugendlichen Hauptstädter über die Gefahren der Droge lückenhaft sind. Die Forscher der beauftragten Info GmbH stellen fest, „dass es bei mindestens einem Drittel der Befragten ein zentrales Informationsdefizit gibt“. Mitarbeiter der Suchtprävention in der Hauptstadt beklagen immer wieder, dass Kinder und Jugendliche nicht besonders wählerisch sind, dass sie nicht bei einer Droge bleiben, bei Alkohol oder eben Cannabis, wenngleich beides oft am Anfang einer Suchtkarriere steht. Als problematisch stufen die Experten den sogenannten Mischkonsum ein.
Deutschland ist ein potenziell sehr großer Markt
Fachleute des Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung in Hamburg befürchten wiederum negative Folgen für Jugendliche, „durch eine zunehmende Normalisierung des Konsums unter Erwachsenen begünstigt werden“. In einer Stellungnahme an das Bundesgesundheitsministeriums sprechen sie von einer „subjektiven Verfügbarkeit“ der Droge bei Jugendlichen, die sich erhöhe. Sie verwiesen auf einen stärkeren Anstieg des Cannabis-Konsums bei Jugendlichen in jenen US-Bundesstaaten, in denen die Droge bereits legalisiert wurde.




