Gesundheit

Cannabis-Konsum: Junge Berliner kiffen viel und wissen wenig über die Droge

Aktuelle Studie zeigt: In Berlin wird mehr und riskanter Cannabis konsumiert als sonst in Deutschland. Besonders Jugendliche müssen besser aufgeklärt werden.

Eine Frau rollt einen Joint und befeuchtet das Zigarettenpapier.
Eine Frau rollt einen Joint und befeuchtet das Zigarettenpapier.Westend61/imago

Berlins Heranwachsende konsumieren durchschnittlich mehr Cannabis als Gleichaltrige im Rest Deutschlands. Schlimmer noch: Etwa die Hälfte der Konsumenten kifft auf einem problematischen, möglicherweise gesundheitlich riskanten Niveau. Gleichzeitig ist das Wissen über die Gefahren der Droge lückenhaft.

Das ergab eine Studie, deren Ergebnisse die Fachstelle für Suchtprävention Berlin an diesem Montag präsentiert hat. In der Stadt befragt worden waren 2410 Personen im Alter zwischen 16 und 27. Interviewer der Info GmbH Berlin erhoben die Daten von Ende September bis Ende Oktober des vergangenen Jahres. Beauftragt hat sie der Senat, der auch die Kosten von 100.000 Euro trug.

Die Umfrage fällt in eine Zeit, in der kontrovers über die Freigabe von Cannabis für den privaten Gebrauch diskutiert wird. Dass die Droge legalisiert wird, ist im Koalitionsvertrag der Ampel fixiert. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) möchte eine streng geregelte Abgabe von Cannabis über Clubs und ein Modellprojekt für den kommerziellen Verkauf in Fachgeschäften. Die Legalisierung soll erst ab 18 Jahren gelten.

Die Berliner Befunde für Heranwachsende zeigen nun, dass dies nicht ohne begleitende Maßnahmen geschehen kann. „Die Werte legen nahe, dass es bei mindestens einem Drittel der Befragten ein zentrales Informationsdefizit gibt“, lautet ein Fazit des Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenkonsumforschung (ISD) aus Hamburg, das die Daten auswertete. 

45,5 Prozent könnten von Cannabis-Konsumstörung betroffen sein

Auch verdeutlicht die Erhebung, welche Dimension eine Freigabe bei Heranwachsenden haben wird. 44 Prozent gaben an, in ihrem Leben bereits einmal Gras oder Haschisch konsumiert zu haben. Knapp 30 Prozent kreuzten an, während der zurückliegenden zwölf Monate gekifft zu haben, fast 16 Prozent hatten dies innerhalb der letzten 30 Tage getan. Und auch die Risiken eines legalisierten Cannabis-Konsums verdeutlicht die Berliner Umfrage.

Alarmierend ist der Befund, dass 45,5 Prozent derjenigen, die im zurückliegenden Jahr gekifft haben, von einer Cannabis-Konsumstörung betroffen sein könnten. Rückschlüsse darauf lassen ihre Konsumgewohnheiten zu, die mittels eines „Cannabis-Abuse-Screening-Tests“ (CAST) klassifiziert wurden. Zwar weisen die Forscher des ISD daraufhin, dass dieser Befund „mit Vorsicht zu interpretieren“ sei. Gestellt wurden acht Fragen wie etwa danach, ob Interviewte bereits morgens bereits Cannabis konsumieren. „Jedoch geben die Daten einen Eindruck des Problemausmaßes vermitteln“, sagt Soziologe Moritz Rosenkranz vom ISD.

Die Umfrage bestätigt tendenziell auch Ergebnisse anderer Studien der jüngeren Vergangenheit, denen zufolge sich die Corona-Pandemie negativ auf die Lebenssituation von Heranwachsenden ausgewirkt hat. Fast 39 Prozent teilten mit, dass sie in dieser Phase mehr gekifft hätten. Bei rund 31 Prozent änderte sich nichts. 20 Prozent kifften weniger, knapp zehn Prozent hörten ganz damit auf.

Ein Drittel kifft nun an fünf bis zehn Tagen im Monat. Ein wenig mehr, nämlich 38,6 Prozent, tun dies höchstens einmal wöchentlich. Wobei weibliche Befragte deutlich seltener Cannabis zu sich nehmen als männliche. Die Hälfte von ihnen kifft maximal an einem bis vier Tagen im Monat, während bei Männern die größte Gruppe (38,5 Prozent) an fünf bis zehn Tagen die Droge konsumierte.

Am beliebtesten sind Joints, in denen die Substanzen mit Tabak vermischt geraucht werden, zu mehr als 84 Prozent ist dies der Fall. Ein gutes Drittel nimmt Cannabis außerdem in essbarer Form oder über Getränke auf. Rund jeder Zehnte inhalierte über sogenannte Dabs die Droge in stark konzentrierter Dosis.

Cannabis erfüllt für die Heranwachsenden unterschiedliche Funktionen. So kiffen knapp zwei Drittel, um mehr Spaß zu haben. Schlechte Laune oder Langeweile kommen bei rund der Hälfte der Befragten als ein weiteres Motiv in Betracht. Die große Mehrheit kifft oft in Gemeinschaft: zusammen mit Freunden (90 Prozent), gern beim Tanzen, auf Partys, in Clubs (58,8 Prozent).

In dieser Form konsumieren die meisten Cannabis: Ein Joint wird gerollt.
In dieser Form konsumieren die meisten Cannabis: Ein Joint wird gerollt.Westend61/imago

„Weil ich das gerne mit anderen zusammen mache“, lautete eine der möglichen Antworten, zwei Drittel antworteten im Interview so. Beinahe ebenso viele entschieden sich auch für „Weil ich damit gut abschalten und entspannen kann“. Ungefähr ein Drittel sieht in Cannabis ein Mittel, mit Einsamkeit oder mit anderen Leuten besser zurechtzukommen. Für „Weil (fast) alle meine Freunde auch konsumieren“ entschieden sich mehr als 40 Prozent.

Lückenhaftes Wissen über Cannabis

Dass eine Freigabe von Cannabis von einer umfassenden Kampagne zur Aufklärung der Heranwachsenden begleitet werden sollte, machen die Wissensfragen der Berliner Erhebung klar. Nur knapp zwei Drittel gaben die richtige Antwort, dass THC diejenige Substanz ist, die berauschend wirkt. 18,6 Prozent waren der irrigen Ansicht, die Risiken des Cannabis-Konsums seien für Jugendliche vergleichbar mit denen für Erwachsene; 10,1 Prozent konnten dazu nichts sagen.

Tatsächlich belegen zahlreiche Studien, dass die Droge einem Gehirn in der Entwicklung ungleich stärker schaden und etwa Psychosen auslösen kann. Bei regelmäßigem Konsum verdreifacht sich dieses Risiko schizophrener Episoden.

„Wir sehen in den Daten“, Berlins Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) , „dass wir eine problematische Entwicklung des Konsums haben.“ Zumal Cannabis noch nicht freigegeben ist, die Heranwachsenden sich auf illegalem Terrain bewegen, bei einer Freigabe für junge Erwachsene eine neue Lage entsteht. „Wir leiten daraus ab, dass wir tätig werden müssen.“ 

Und Anke Timm, Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention folgert daraus: „Wir müssen früher intervenieren, bevor sich Probleme verfestigen.“ An den Schulen wollen sie aufklären, „die Chance nutzen, die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt anzusprechen“. Timm erklärt: „Die Erfahrungen zeigen, das frühe Prävention erfolgversprechend sind.“