Gesundheit

Freigabe von Cannabis: Schüler müssen mehr über psychische Gesundheit lernen

Berlin will bei der Legalisierung zum Vorbild und Lichtenberg Modellregion werden. Dafür braucht es  aufgeklärte Jugendliche – und deshalb Geld. Ein Kommentar.

Ein Joint wird gedreht.
Ein Joint wird gedreht.Hannes Albert/dpa

Cannabis wird für den privaten Gebrauch freigegeben. Die Bundesregierung ist zumindest fest dazu entschlossen. Berlin wiederum möchte zum Vorreiter, der Bezirk Lichtenberg zu einer Modellregion werden, in der ein straffreier Konsum der Droge erprobt wird. Cannabis soll endlich aus dem kriminellen Milieu in die Legalität überführt werden. Das ist der politische Plan. Er klingt gut, progressiv, cool, er kommt gut an, jedenfalls bei einem Teil potenzieller Wähler – und kann doch gewaltig schiefgehen. 

Cannabis ist mit Abstand die am meisten gehandelte Droge hierzulande. Die Zahl der Konsumenten wächst kontinuierlich, allein im vergangenen Jahrzehnt um mehr als 24 Prozent – trotz Strafbarkeit. Stark vertreten sind Umfragen zufolge heranwachsende Männer, ihr Anteil liegt bei etwa einem Viertel, Tendenz auch hier steigend.

Zu den Grundlagen der Diskussion gehören außerdem Fakten wie diese: Cannabis macht den größten Teil der juristisch verfolgten Rauschgiftdelikte aus, nämlich mehr als 60 Prozent. Es verursacht jährlich mehr als anderthalb Milliarden Euro an Kosten für die Polizei und fast eine halbe Milliarde für die Justiz, belastet also die Allgemeinheit erheblich.

Eine Freigabe könnte dem Staat dagegen zwischen 2,3 und 3,3 Milliarden Euro allein durch Steuern einbringen, je nach Studie mehr oder weniger. Cannabis ist lukrativ für den Fiskus. Legal vertrieben, eröffnet es einen gewinnbringenden Markt. Die bereits erschlossene medizinische Sparte wird 2023 in Deutschland voraussichtlich einen Umsatz von 324,90 Millionen generieren. Kanadische Firmen dominieren den Markt, interessierte Unternehmen bringen sich seit einiger Zeit schon für das liberalisierte Geschäft in Position.

Cannabis: Ohne Aufklärung keine Freigabe

Ohne Investitionen wird eine verantwortungsbewusste Freigabe jedoch nicht funktionieren. Damit gemeint sind nicht die Ausgaben der künftigen Marktteilnehmer. Die Solidargemeinschaft muss viel Geld ausgeben. Für eine breit angelegte, solide finanzierte Kampagne nämlich, die über gesundheitliche Risiken informiert. Ohne sie wäre eine Freigabe grob fahrlässig. 

Schließlich ist aus medizinischer Perspektive die Datenlage eindeutig. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen kann Cannabis gravierende Schäden verursachen, die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen, Psychosen auslösen, zu einer Schizophrenie führen. Es erhöht in jungen Jahren die Gefahr psychischer Störungen um ein Vielfaches. Ebenso wie Alkohol und andere Rauschmittel gehört Cannabis nicht in die Hände von Heranwachsenden.

Über Sexualität wird an Schulen seit Jahrzehnten aufgeklärt, aus gutem Grund. Es ist höchste Zeit, dass nun auch psychische Gesundheit verpflichtend zum Lehrstoff wird, unabhängig von der aktuellen Debatte um Cannabis. In dieser Debatte liegt allerdings eine große Chance. Darin, dass die gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit die Politik aktiv werden lässt. Und tatsächlich kann Berlin Vorreiter sein. Die Hauptstadt kann in ein lohnenswertes Projekt investieren. Sie muss es sogar, will sie sich nicht ein großes Problem einhandeln. Imageträchtige Ankündigungen sind zwar umsonst, doch Ansprüche ohne Substanz nichts wert.