Altkanzler Gerhard Schröder verliert weiter an Boden. Während der SPD-Politiker beharrlich an Russlands Präsident Putin festhält, gehen nun auch die Regierungsfraktionen auf Distanz zu ihm. In der SPD gibt es außerdem Forderungen nach einem Parteiausschluss.
Erst kündigte Schröders engster Büroleiter Albrecht Funk, der seit 20 Jahren an der Seite des Politikers war. Außerdem drei weitere Mitarbeiter aus dessen Berliner Büro. Die Gehälter der Mitarbeiter kosten den Steuerzahler jährlich zwischen 400.000 und 500.000 Euro. Am Mittwoch rückte dann auch Schröders langjähriger Pressesprecher Béla Anda von ihm ab und stoppte die Produktion des gemeinsamen Podcasts „Die Agenda“. Damit nicht genug: Einige SPD-Kreis- und -Landesverbände – unter anderem Heidelberg – fordern inzwischen, Schröder aus der Partei zu werfen. Und auch der Fußballverein Borussia Dortmund trennte sich von dem Altkanzler, der dort Ehrenmitglied war. Der Deutsche Fußball-Bund und der Fußballclub Hannover 96 wollen nachziehen.
Die SPD steckt damit in einem Dilemma. Erst vor kurzem hatten die Parteichefs Lars Klingbeil und Saskia Esken von dem Altkanzler verlangt, sich von Putin abzugrenzen. „Dieser Krieg geht einzig und allein von Putin aus“, schrieb Klingbeil auf Facebook. „Und deshalb kann es nur eine logische Schlussfolgerung geben: Mit einem Aggressor, mit einem Kriegstreiber wie Putin macht man keine Geschäfte.“ Daher sei es überfällig, dass Schröder die geschäftlichen Beziehungen zu Putin beende. Schröder reagierte auf Klingbeils Bitte bisher nicht.
Und auch die Regierungsfraktionen gehen weiter auf Distanz. Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist inzwischen dafür, dem Altkanzler seine Ausstattung als Altkanzler nicht mehr zu finanzieren. Zur Berliner Zeitung sagte sie: „Wir müssen uns daher im Bundestag konkret darum bemühen, Gerhard Schröder die Ausstattung eines Altbundeskanzlers zu entziehen. Er schadet dem Land, dem er dienen soll, und lässt sich dafür bereitwillig von einem Autokraten mehr als gut bezahlen. Eine Apanage vom deutschen Staat ist damit nicht vereinbar. Die kollektive Kündigungswelle in seinem Büro zeigt, dass auch seine bisherigen Mitarbeiter über deutlich mehr Weitsicht als der Altkanzler verfügen und das genauso sehen.“
FDP-Politikerin: Ein Parteiausschluss Schröders wäre angemessen
Die FDP-Politikerin kritisierte erneut Schröders Lobby-Jobs. „Er hat Millionen Euro damit verdient, der Haus- und Hoflobbyist eines verbrecherischen Präsidenten namens Putin zu sein und vergisst darüber offensichtlich, dass er als ehemaliger Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und nicht Russland verpflichtet ist. Das hat schon bemerkenswerte Qualitäten, denn er ist auch im politischen Ruhestand nach wie vor in Verantwortung, wenn es um die äußere Sicherheit der Bundesrepublik beziehungsweise Europas geht“, unterstrich die FDP-Politikerin. Sie fügte hinzu: „Es liegt nicht an mir, zu entscheiden, wie die SPD mit Herr Schröder umgeht. Ich persönlich fände ein Parteiausschlussverfahren jedoch angemessen.“
Die Versorgung ehemaliger Kanzler ist ein Dauerthema
Es liegt außerdem am Bundestag, über die weiteren Unterhaltskosten für den Altkanzler zu entscheiden. Die Ruhebezüge regelt das Gesetz, aber Büro und Dienstwagen sind Sache des Haushaltsplans, also des Bundestags.
Die Versorgung und Ausstattung ehemaliger Kanzler und Bundespräsidenten ist allerdings ein Dauerthema und ein Ärgernis, das bereits zu umfassender Kritik durch den Bundesrechnungshof geführt hat. Neben der über die Jahrzehnte immer weiter ausgeuferte Personalausstattung mit aktuell neun Mitarbeitern fallen Kosten für Personen- und Objektschutz, Reisen, Büromaterialien an. Bizarr ist das Ganze vor allem im Fall von Schröder, weil der ursprüngliche Zweck dieser Büros verloren ging – es zu ermöglichen, dass Bundeskanzler nach ihrem Ausscheiden weiterhin den Staat repräsentieren können. „Ursprüngliche Gründe für die Einrichtung von Büros für Bundeskanzler a. D. waren die Abwicklung fortwirkender Verpflichtungen, die Erledigung der mit dem früheren Amt zusammenhängenden Aufgaben für begrenzte Zeit bzw. die Abwicklung seiner früheren Aufgaben. (...) Die Gründe für die Ausstattung von Bundeskanzlern a. D. mit Büros und Personal scheinen im Lauf der Zeit in Vergessenheit geraten zu sein“, kritisierte der Rechnungshof 2019.
Ich bin für eine Neuregelung für Altkanzler und Alt-Bundespräsidenten. Die Bereitstellung von Büro und Personal sollte auf fünf Jahre begrenzt werden.
Im Haushaltsausschuss des Bundestags wurden die Regelungen deshalb verändert und die Ausstattung verringert. Zusätzliche Einkünfte sollen laut diesem Beschluss auch vom Ehrensold abgezogen werden. Bisher sind die veränderten Regelungen allerdings noch nie angewendet worden.
In der Opposition streitet unter anderen die Haushaltsexpertin der Linken, Gesine Lötzsch, seit langem für eine andere Regelung bei der Versorgung der Altkanzler. „Es wäre gut, wenn die Bundesregierung die aktuellen Beschlüsse des Haushaltsausschusses ernst nehmen würde“, sagte sie der Berliner Zeitung. Altkanzlerin Merkel habe viel mehr Personal bewilligt bekommen als vorher beschlossen wurde. Diese Überausstattung sei nicht zu rechtfertigen. „Ich bin für eine Neuregelung für Altkanzler und Alt-Bundespräsidenten. Die Bereitstellung von Büro und Personal sollte auf fünf Jahre begrenzt werden. Denn nach fünf Jahren gehen die politischen Verpflichtungen gegen null. Offensichtlich fällt es auch einigen Altkanzlern und Alt-Bundespräsidenten schwer, geschäftliche und repräsentative Aufgaben auseinanderzuhalten. Diese Last würde ich ihnen gern abnehmen“, sagte Lötzsch.
Schröder selbst legt sein Mandat bei der Herrenknecht AG nieder
Diese Kritik gilt auch für Schröder, der nach seiner Kanzlerschaft ziemlich gut verdiente, auch dank Putin. Allein für seine Rolle als Vorsitzender des Aktionärsausschusses bei der Nord Stream AG soll er mit 250.000 Euro jährlich entlohnt worden sein. Schröder sitzt außerdem im Aufsichtsrat des russischen Energieriesen Rosneft und soll dafür ein jährliches Gehalt von rund 600.000 Euro erhalten. Und auch für seine Reden und Vorträge soll sich der Altkanzler fürstlich bezahlen lassen, pro Auftritt angeblich zwischen 50.000 und 75.000 Euro.




