Das geht schnell. Kurz nachdem Patricia Schlesinger wegen des öffentlichen Drucks erst ihr Amt als Vorsitzende der ARD aufgegeben hat und dann auch als Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) zurückgetreten ist, beginnt die Aufarbeitung – juristisch und politisch.
Am Montag wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsnahme eingeleitet hat. Wie es heißt, wird gegen Schlesinger, ihren Mann sowie den bisherigen RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf ermittelt. Bei der politischen Aufarbeitung geht es unter anderem um den Umbau der Aufsichtsstrukturen über den Sender. Den Landesrechnungshöfen von Berlin und Brandenburg könnte dabei eine besondere Rolle zukommen.
Wasser auf die Mühlen der Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Seit mehr als einem Monat berichten Medien über einen fragwürdigen Umgang mit Geldern bei dem öffentlich-rechtlichen Sender. In Rede stehen Vorwürfe möglicher Vetternwirtschaft, Vorteilsnahme und Verschwendung.
In den Berichten ging es unter anderem um umstrittene Beraterverträge zu einem inzwischen auf Eis gelegten Bauprojekt eines neuen Medienhauses in Westend. Die Verträge sind auch deswegen umstritten, weil sie unter anderem mit Schlesingers Ehemann geschlossen wurden. Insgesamt soll dieser Aufträge für eine sechsstellige Honorarsumme erhalten haben.
Kritisiert wurde auch eine Gehaltserhöhung für Schlesinger um 16 Prozent auf gut 300.000 Euro plus einem zusätzlichen Bonus. Außerdem geht es um angebliche Essen mit Multiplikatoren auf RBB-Kosten in ihrer Privatwohnung und einen teuren Dienstwagen mit Massagesitzen, für den es einen sehr hohen Rabatt gegeben haben soll.
Intransparent und verschwenderisch: Die Vorwürfe sind zahlreich
Am Sonntag wurden weitere Details veröffentlicht. In den Berichten ging es etwa um eine Liste von Teilnehmern, die bei den Treffen in Schlesingers Privatwohnung dabei gewesen sein sollen, und um eine Menüabfolge. Zudem drehte es sich erneut um angebliche Rechnungsabänderungen zu den Essen. Außerdem wurde berichtet, für den Umbau der RBB-Chefetage für den ARD-Vorsitz seien angeblich 650.000 Euro veranschlagt worden.
Unterdessen läuft die politische Aufarbeitung. So fordert Steffen Grimberg, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) Berlin und des Journalistenverbandes Berlin-Brandenburg, eine umfassende Aufklärung der Vorwürfe. „In der jetzigen Situation würde ich dazu raten, einen ruhigen Kopf zu bewahren und die notwendige Aufklärungsarbeit zu leisten, die transparent, vollständig und vor allem zeitnah erfolgen muss“, sagte er am Montag in Berlin.
SPD-Medienpolitiker: Mit dem Rücktritt geht die Aufklärung erst los
Der Medienbeauftrage der brandenburgischen Landesregierung, Benjamin Grimm (SPD), forderte mehr Transparenz und Kontrolle. Er glaube, dass Schlesingers Rücktritt unausweichlich war, sagte Grimm: „Entscheidend ist jetzt, dass die im Raum stehenden Vorwürfe restlos aufgeklärt und Fehlverhalten durch klare Regeln für die Zukunft ausgeschlossen werden.“ Dies liege in der Verantwortung des RBB und seiner Gremien.
Zugleich müssten Transparenz und Kontrolle im Sender insgesamt gestärkt werden, so Grimm. Dafür biete die ohnehin anstehende Novellierung des RBB-Staatsvertrags eine Chance, betonte der Staatssekretär. „Denn nur so wird es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelingen, mit seiner Kernaufgabe wahrgenommen zu werden: Qualitätsjournalismus für unsere Region.“
Trotz ihres Rücktritts als Intendantin will der Hauptausschuss des Brandenburger Landtags Schlesinger zu den Vorwürfen hören. Die Einladungen zu der Sondersitzung am Dienstag kommender Woche würden aktuell verschickt, sagte der Ausschussvorsitzende Daniel Keller (SPD) am Montag. „Mit dem Rücktritt ist der Fall nicht beendet“, sagte er. „Jetzt geht die Aufklärung erst los.“
Notwendig seien nun grundlegende Reformen. Dabei gehe es um wirksame Kontrollen und eine Stärkung des Verwaltungsrats. „Wir werden uns dazu den Staatsvertrag genau ansehen“, kündigte Keller an. „Vielleicht ist auch ein kompletter Neuanfang notwendig.“
Auch die Berliner Politik ist an der Novellierung des Rundfunkstaatsvertrags beteiligt. Aus der Hauptstadt waren bis zuletzt vorsichtigere Töne zu vernehmen als aus dem benachbarten Potsdam. Ob das so bleibt, werden schon die nächsten Tage zeigen.
Mittlerweile regt sich auch im Rundfunkrat selbst Unmut. Mitglieder stoßen sich vor allem an der Rolle des Multifunktionärs Wolf-Dieter Wolf. Der Immobilienunternehmer ist gleichzeitig Verwaltungsratschef des RBB und Aufsichtsratschef der landeseigenen Messe Berlin. Diese Machtfülle soll er angeblich unter anderem dafür genutzt haben, Gutachten über sein eigenes Handeln aus Steuergeldern zu bezahlen.
Der Berliner CDU-Fraktions- und Parteichef Kai Wegner sitzt nicht im Rundfunkrat des RBB. Dennoch spricht er sich für eine zusätzliche externe Kontrolle aus. Er hält den Landesrechnungshof für geeignet für diese Aufgabe. „Die Gebührenzahler müssen sich wieder darauf verlassen können, dass ihre Beiträge zielgerichtet für den Programm- und Informationsauftrag der öffentlichen Sendeanstalten verwendet werden“, sagt Wegner.

