Das Interview in der New York Times war dann wohl doch zu viel für die SPD-Spitze. Am Montagmorgen platzte der SPD-Chefin Saskia Esken der Kragen. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sagte sie auf Nachfrage, dass Altkanzler Gerhard Schröder aus der SPD austreten solle. „Gerhard Schröder agiert seit vielen Jahren lediglich als Geschäftsmann, und wir sollten damit aufhören, ihn als Elder Statesman, als Altkanzler, wahrzunehmen“, erklärte Esken. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem SPD-Spitzenkandidaten in Nordrhein-Westfalen, Thomas Kutschaty, wiederholte sie es dann noch einmal nahezu wortgleich.
“I have always served German interests.”
— Katrin Bennhold (@kbennhold) April 23, 2022
Gerhard Schröder, former chancellor, lobbyist and personal friend of Vladimir Putin has become a pariah in his own country. But he's also a symbol of Germany's decades-old Russia policy.
Here's what he told me:https://t.co/oyCKGkm30i
Der Parteivorstand hat schon seit geraumer Zeit gleich mehrere Anträge vorliegen, in denen ein Parteiausschlussverfahren bzw. ein Parteiordnungsverfahren gegen Schröder gefordert wird. Die SPD-Führung hatte Schröder Ende Februar – kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine – aufgefordert, er möge seine Posten bei den russischen Energieunternehmen aufgeben. Schröder ist Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energieriesen Rosneft und Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Pipeline-Gesellschaft Nord Stream. Außerdem ist er im zuständigen Handelsregister nach wie vor als Verwaltungsratspräsident der Nord Stream 2 AG eingetragen.
Den Brief hat Schröder offenbar nicht beantwortet. In einem Interview mit der New York Times vor zwei Tagen hatte er erklärt: „Ich mache keine mea culpa. Das ist nicht mein Ding.“ Von seinen Posten werde er nur zurücktreten, wenn der russische Präsident Wladimir Putin Deutschland wirklich den Gashahn abdrehen sollte.
Das Interview in der New York Times hat SPD-Chefin Esken dazu gebracht, nun komplett mit Schröder zu brechen. Darin erklärt er etwa zu dem Massaker in Butscha: „Das muss untersucht werden.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass die Befehle von Putin gekommen seien. „Seine Verteidigung der Kriegsverbrechen Putins ist absurd“, so Esken am Montag. Gleich nach ihrem Interview im Deutschlandfunk legte die frühere Staatsministerin im Auswärtigen Amt, die SPD-Abgeordnete Michelle Müntefering, per Twitter nach. „Gerhard Schröder schadet unserem Land, unserem internationalen Ansehen – und besonders auch der @spdde“, schrieb sie. „Müssen Parteiausschluss prüfen + Was wir als Parteivorstand JETZT sofort tun können: Keinen Cent seiner Mitgliedsbeiträge mehr annehmen. Das ist schmutziges Geld.“
Gerhard Schröder schadet unserem Land, unserem internationalen Ansehen - und besonders auch der @spdde Müssen Parteiausschluss prüfen + Was wir als Parteivorstand JETZT sofort tun können: Keinen Cent seiner Mitgliedsbeiträge mehr annehmen. Das ist schmutziges Geld. @nytimesworld
— Michelle Müntefering (@Mi_Muentefering) April 25, 2022
Ihr Parteigenosse und Kollege im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Ralf Stegner, äußerte sich da zurückhaltender. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung wollte er den Ausschluss oder den Ausstritt Schröders nicht direkt fordern. Es gäbe da ja einige Anträge aus der Partei, so Stegner. „Wir sind uns ja alle einig, dass es ehrenvollere Aufgaben für einen Altkanzler gibt, als sich geschäftlich zu betätigen.“ Es sei natürlich völlig inakzeptabel, wie er sich seit Kriegsbeginn verhalte. „Die Frage ist aber, ob die SPD nach jeder neuen Äußerung von Gerhard Schröder das Spiel mitspielen und sich dazu äußern soll, zumal er seit 17 Jahren im politischen Ruhestand ist und keinen Einfluss auf die SPD-Politik mehr hat.“
Wenn dieser Krieg vorbei ist, werden wir uns wieder mit Russland befassen müssen. Das tun wir immer.
In dem am Sonnabend veröffentlichten Artikel der New York Times hatte Schröder unter anderem dafür geworben, die Beziehungen zu Russland trotz des Angriffskrieges gegen die Ukraine aufrechtzuerhalten. Zu Details eines im März geführten Gesprächs mit Putin in Moskau äußerte sich der 78-Jährige darin nicht. Schröder sagte demnach: „Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass Putin daran interessiert ist, den Krieg zu beenden. Aber das ist nicht so leicht. Da gibt es ein paar Punkte, die geklärt werden müssen.“ Wenn der Krieg in der Ukraine vorbei sei, so Schröder weiter, „werden wir uns wieder mit Russland befassen müssen. Das tun wir immer.“


