Der Staat muss dringend sparen. Da ist es doch klar, dass er das bei höheren Einkommen macht. Zum Beispiel beim Elterngeld. Künftig sollen nur noch jene Paare oder Alleinerziehende Elterngeld bekommen, die weniger als 150.000 Euro pro Jahr an Einkommen zu versteuern haben. Die Reaktionen darauf waren erwartbar. Man muss nur mal bei Twitter reinschauen: Da liegt der Begriff „Neiddebatte“ gerade im Trend. Tenor: Wer 150.000 Euro verdient, muss jetzt ohne den Staat klarkommen. Beifall ist garantiert.
Es ist dennoch der falsche Reflex.
Das Elterngeld, das 2007 eingeführt wurde, war von Anfang an keine sozialpolitische Maßnahme, sondern ein Instrument der Familienpolitik. Das sind zwei verschiedene Dinge. Genauer gesagt, ging es beim Elterngeld ursprünglich um einen echten Paradigmenwechsel in der Familienpolitik. Erstmals waren nicht nur die bedürftigen Eltern Ziel von Ausgleichszahlungen. Vielmehr sollte die Entscheidung, ob man ein Kind bekommt und dann ein Jahr lang nicht berufstätig ist, an das vorherige Gehalt geknüpft werden.
Dafür gab es dann bis zu 67 Prozent vom Nettogehalt – am Anfang sogar ganz ohne Gehaltsobergrenze. Explizit im Blick waren dabei die kinderlosen Akademikerinnen und Akademiker, von denen es hieß, dass sie zu 40 Prozent kinderlos seien. Die Zahl war damals ein bisschen hoch gegriffen. Sie verfehlte aber nicht ihre Wirkung, denn dass Deutschland dringend Nachwuchs braucht, war schon damals ein Thema.
Der zweite, mittlerweile viel wichtigere Grund ist der, dass mit dem Elterngeld endlich auch Väter in großer Anzahl dazu ermutigt werden sollten, die Betreuung ihres Nachwuchses zu übernehmen – und das wenigstens für kurze Zeit mal Vollzeit. Dafür wurden die Vätermonate erfunden: 14 Monate Elterngeld gab es nur für Familien, in denen der Vater wenigstens auch zwei Monate übernahm. Schon bald nach der Einführung des Elterngeldes stieg die Zahl der Väter, die die beiden Monate zu Hause blieben, spürbar an.
Richtig erfolgreich war das Ganze allerdings dennoch nicht: Kaum einer der gut verdienenden Väter nahm mehr als die zwei Papa-Monate. Nicht selten wurde die Zeit in einen ausgedehnten Urlaub mit der gesamten Familie investiert. So war das Ganze natürlich nicht gemeint gewesen. Dennoch: Jeder Vater, der sich mal aus dem Beruf loseist, um sich der Familie zu widmen, ist gesellschaftspolitisch ein Gewinn. Er wird als Vorgesetzter seinen Angestellten vermutlich weniger Steine in den Weg legen, um Gleiches zu tun.
Wer beim Elterngeld spart, spart bei der modernen Familienpolitik
Das Elterngeld ist eine teure Maßnahme, die jährlich Milliarden kostet. Es ist also verständlich, wenn angesichts knapper Mittel dort gespart wird, wo Kürzungen von den Betroffenen mutmaßlich gut zu verkraften sind. Doch angesichts der Zahlen der Betroffenen kann man eigentlich nur von symbolischer Sparpolitik sprechen. Laut Familienministerium sind es 60.000 Paare, die von der jetzt beschlossenen Kürzung betroffen wären. Das Institut der Deutschen Wirtschaft geht von deutlich mehr Menschen aus: Danach sind es 435.000 Paare, die potenziell noch Kinder bekommen können und gemeinsam ein Jahreseinkommen von mehr als 150.000 Euro haben.
Egal, wer recht hat, es handelt sich offenkundig nicht um ein Massenphänomen. Das hält den Aufschrei in Grenzen, aber eben auch die Ersparnis. Lohnt sich das? Denn: Wer beim Elterngeld spart, spart bei der modernen Familienpolitik. Es wäre also viel sinnvoller, bei der antiquierten Familienpolitik zu sparen.




