Geopolitik

„Diese Pläne sind zum Scheitern verurteilt“: Trump mit Kehrtwende in Ukraine-Krieg?

Der Berichterstatter des EU-Parlaments für die Ukraine sagt: Die EU könnte Waffen aus den USA kaufen, um gegen Russland zu kämpfen. Merz müsse in Europa führen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (r) unterhält sich mit US-Präsident Donald Trump bei der Beerdigung von Papst Franziskus im Vatikan.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (r) unterhält sich mit US-Präsident Donald Trump bei der Beerdigung von Papst Franziskus im Vatikan.Ukrainian Presidential Press Service/dpa

Die Verhandlungen zwischen den USA und Russland sind ins Stocken geraten. US-Präsident Donald Trump artikulierte in den vergangenen Tagen mehrfach seinen Unmut über die fortgesetzten Angriffe Russlands und verlangte auf seinem eigenen sozialen Netzwerk, der russische Präsident Wladimir Putin „soll mit dem Schießen aufhören und einen Deal unterschreiben“. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte dagegen in einem Interview mit O Globo, dass die Abgabe der von Russland eroberten Gebiete durch die Ukraine unabdingbar für einen Frieden sei.

In der EU wird die Entwicklung mit Interesse beobachtet, weil die EU-Vertreter die Chance sehen, wieder am Gesprächstisch Platz nehmen zu können. Ein – wenigstens symbolischer – Wendepunkt könnte das Treffen von Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Vatikan gewesen sein. Trump und Selenskyj hatten unmittelbar vor der Trauerfeier für Papst Franziskus öffentlichkeitswirksam ein vertrauliches Gespräch auf zwei Stühlen unter einer Kuppel im Petersdom geführt. Der Inhalt des Gesprächs ist unbekannt. Doch Lippenleser wollen für US-Medien herausgefunden haben, dass Trump Konzessionen an Selenskyj gemacht haben soll.

Michael Gahler, außenpolitischer Sprecher der konservativen EVP-Fraktion und für das gesamte Europaparlament ständiger Berichterstatter für die Ukraine, glaubt jedenfalls, das Gespräch könne einen neuen Kurs in Washington angestoßen haben. Er sagte der Berliner Zeitung: „Das Gespräch von Trump und Selenskyj im Petersdom könnte dazu führen, dass die Berater in Washington ermuntert werden, den Präsidenten wieder mit den harten Fakten in Kontakt zu bringen. Auch die Atmosphäre in der Kirche kann dazu beigetragen haben, dass Trump die Dinge anders sieht als aus seinem sicheren Oval Office heraus. Es soll außerdem im Umfeld ein weiteres Treffen gegeben haben, an dem auch Präsident Macron teilgenommen hat.“

Gahler führt die Entwicklung auf das Verhalten der russischen Führung zurück: „Ich glaube, dass bei Trump eine gewisse Ernüchterung in Bezug auf Putins wahre Absicht eingesetzt hat und er gezwungen ist, langsam auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren. Es ist eine Illusion, Russland von China loseisen zu wollen – diese Pläne sind zum Scheitern verurteilt.“ Gahler erwartet, dass die Gespräche auch wegen der personellen Besetzung scheitern werden: „Die Verhandlungen mit Russland werden in diesem Rahmen zu keinem Erfolg führen. Die Russen haben Profis im Einsatz, während Herr Witkoff an Peinlichkeit und Inkompetenz nicht zu überbieten ist.“

Die EU will laut Gahler weiter einen harten Kurs gegen Russland fahren: „Für eine Aufhebung der EU-Sanktionen fehlt jedweder Anlass.“ Die EU müsse „gegenüber Trump Einheit und Geschlossenheit beweisen“. Dabei hofft der EVP-Politiker auf die neue, CDU-geführte Bundesregierung: „Es ist gut, wenn Merz sich an die Spitze der Bewegung setzt, sowohl in Sachen Ukraine als auch in der Haltung gegenüber Trump. Wir müssen nun neben all den schönen Worten auch konkrete Leistungen in Sachen Waffenlieferungen von jenen einfordern, die bisher relativ wenig getan haben, wie etwa Frankreich“, so Gahler. Sein Vorschlag für den Fall, dass die Amerikaner die Verhandlungen mit Moskau beenden: „Sollte sich Trump wirklich aus der Ukraine zurückziehen, könnte eine Lösung darin bestehen, dass die Europäer im großen Stil kurzfristig Waffen von den USA kaufen. Das werden wir auch kurzfristig tun. Denn wir können nicht gleichzeitig die Ukraine unterstützen und unsere eigenen Bestände erneuern.“

Es steht für Gahler außer Frage, dass die EU weiterhin militärisch in der Ukraine engagiert bleibt: „Putin will die Kontrolle über die ganze Ukraine. Daher müssen wir die Ukraine mit allen Mitteln verteidigen. Die Briten haben zum Glück schon 2015 begonnen, ukrainische Soldaten auszubilden.“ Nun gelte es, „die Produktionskapazitäten in Europa hochzufahren, um Putin mit einem neuen Gleichgewicht des Schreckens glaubwürdig davon abzuhalten, uns zu testen“.

Gahler tritt für eine enge Zusammenarbeit der EU mit der Ukraine ein: So könne das „dänische Modell“ für die ganze EU gelten: „Die Dänen produzieren ihre Rüstungsgüter für die Ukraine in der Ukraine. Das Potenzial der ukrainischen Verteidigungsindustrie liegt hier bei etwa 17 Milliarden Euro, die noch gehoben werden können, wenn das Geld hierfür zur Verfügung gestellt wird.“ Gahler ist Experte in diesem Bereich: „Ich habe selbst eine Drohnen-Fabrik in Kiew besucht. Die Ukraine stellt 96 Prozent ihrer Drohnen bereits selbst her.“

Für die jüngst diskutierte Inbetriebnahme der durch bis heute unbekannte Täter zerstörten Pipeline Nord Stream 2 sieht Gahler keine Chance: „Selbst wenn ein Waffenstillstand kommt, wird Nord Stream 2 nicht wieder eröffnet werden. Die EU hat beschlossen, bis 2027 den Bezug von russischem Gas auf null zu reduzieren. Auch wenn wir jetzt noch etwa 40 Prozent beziehen, halten wir an diesem Ziel fest. Im Zweifel kaufe ich Gas lieber von einem privaten US-Unternehmen als vom russischen Staat.“

Angesichts der Spannungen zwischen den USA und der EU müssten die Europäer aktiv werden, um eigene Allianzen zu schmieden. „Auch neue Partnerschaften sind möglich – mit Kanada, das langfristig über CETA hinaus dem Europäischen Wirtschaftsraum beitreten könnte, aber auch mit Großbritannien, Norwegen oder Island“, so Gahler. Der EU-Politiker weiter: „Ein Kläffer wie Orbán spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Vielleicht bringen die Ungarn ja bei der nächsten Wahl 2026 einen Polen-Effekt hin.“

Gahler geht im Übrigen nicht davon aus, dass die USA sich militärisch völlig aus der Ukraine zurückziehen werden: „Ich glaube nicht, dass die USA die Aufklärung in der Ukraine beenden werden. Der Einsatz von Starlink wird von den Regierungen in Großbritannien und in Polen bezahlt. Ich glaube nicht, dass Elon Musk auf dieses Geschäft verzichten will.“

Für Gahler hat der Kampf um die Ukraine auch eine langfristige Bedeutung mit Blick auf die Macht in Moskau: „Wir können nur Hoffnung auf ein anderes Russland haben, wenn Putin sich an der Ukraine die Zähne ausbeißt.“